Unter den Gemälden, welche gegenwärtig dem Taddeo beygelegt werden, sind nur solche ganz zuverlässig, welche Auf- schriften tragen, gleich einigen Hausaltärchen, deren eines in der ehemals dem bekannten Kunstfreunde, Herrn Solly, ge- hörenden, nunmehr königlich preußischen Sammlung, zwar von Lampenrauch geschwärzt, doch wohl erhalten ist. *) In sol- chen Bildern zeigt sich Taddeo dem Giotto um Vieles ähnli- cher, als seine übrigen Zeitgenossen; doch bediente er sich in seinen Malereyen a tempera einer zäheren Bindung, wie daraus erhellt, daß seine Lichter mehr Körper und einen höhe- ren Glanz haben; auch hatte er, in Vergleichung jener beur- kundeten Tafel des Giotto, sein Profil schon ungleich mehr durchgebildet, die Augen mehr auseinandergerückt, die Nase etwas mehr ausgeladen, den Umriß der Kinnlade erweitert und zierlicher ausgerundet, Verbesserungen, welche in Ansehung seines lebhaften Gefühles für weibliche Anmuth eben ihm be- sonders nahe lagen.
Diesen Charakteren begegnen wir auch in jenen Male- reyen an einer Seitenwand der mehrgedachten Kappelle Ba- roncelli der Kirche sta Croce, welche schon Vasari, es ist un- bekannt, ob aus historischen Gründen, oder nach einem allge- meinen Kennergefühle, unter den wichtigeren Werken des Taddeo di Gaddo aufzählt. Diese Wand enthält in fünf Ab- theilungen sechs Handlungen aus jener fabelhaften Madonnen- geschichte, welche, obwohl die Kirche sie verwirft, in älteren Zeiten häufig dargestellt wurde. In der oberen Abtheilung, unter dem gothischen Bogen, zeigt sich ein feiner Hirt, wel-
*) Es hat die Unterschrift: Anno Domini 1334. Mensis Sep- tembris. Thadeus me fecit.
Unter den Gemaͤlden, welche gegenwaͤrtig dem Taddeo beygelegt werden, ſind nur ſolche ganz zuverlaͤſſig, welche Auf- ſchriften tragen, gleich einigen Hausaltaͤrchen, deren eines in der ehemals dem bekannten Kunſtfreunde, Herrn Solly, ge- hoͤrenden, nunmehr koͤniglich preußiſchen Sammlung, zwar von Lampenrauch geſchwaͤrzt, doch wohl erhalten iſt. *) In ſol- chen Bildern zeigt ſich Taddeo dem Giotto um Vieles aͤhnli- cher, als ſeine uͤbrigen Zeitgenoſſen; doch bediente er ſich in ſeinen Malereyen a tempera einer zaͤheren Bindung, wie daraus erhellt, daß ſeine Lichter mehr Koͤrper und einen hoͤhe- ren Glanz haben; auch hatte er, in Vergleichung jener beur- kundeten Tafel des Giotto, ſein Profil ſchon ungleich mehr durchgebildet, die Augen mehr auseinandergeruͤckt, die Naſe etwas mehr ausgeladen, den Umriß der Kinnlade erweitert und zierlicher ausgerundet, Verbeſſerungen, welche in Anſehung ſeines lebhaften Gefuͤhles fuͤr weibliche Anmuth eben ihm be- ſonders nahe lagen.
Dieſen Charakteren begegnen wir auch in jenen Male- reyen an einer Seitenwand der mehrgedachten Kappelle Ba- roncelli der Kirche ſta Croce, welche ſchon Vaſari, es iſt un- bekannt, ob aus hiſtoriſchen Gruͤnden, oder nach einem allge- meinen Kennergefuͤhle, unter den wichtigeren Werken des Taddeo di Gaddo aufzaͤhlt. Dieſe Wand enthaͤlt in fuͤnf Ab- theilungen ſechs Handlungen aus jener fabelhaften Madonnen- geſchichte, welche, obwohl die Kirche ſie verwirft, in aͤlteren Zeiten haͤufig dargeſtellt wurde. In der oberen Abtheilung, unter dem gothiſchen Bogen, zeigt ſich ein feiner Hirt, wel-
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Unter den Gemaͤlden, welche gegenwaͤrtig dem Taddeo
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ſchriften tragen, gleich einigen Hausaltaͤrchen, deren eines in
der ehemals dem bekannten Kunſtfreunde, Herrn Solly, ge-
hoͤrenden, nunmehr koͤniglich preußiſchen Sammlung, zwar von
Lampenrauch geſchwaͤrzt, doch wohl erhalten iſt. *) In ſol-
chen Bildern zeigt ſich Taddeo dem Giotto um Vieles aͤhnli-
cher, als ſeine uͤbrigen Zeitgenoſſen; doch bediente er ſich in
ſeinen Malereyen a tempera einer zaͤheren Bindung, wie
daraus erhellt, daß ſeine Lichter mehr Koͤrper und einen hoͤhe-
ren Glanz haben; auch hatte er, in Vergleichung jener beur-
kundeten Tafel des Giotto, ſein Profil ſchon ungleich mehr
durchgebildet, die Augen mehr auseinandergeruͤckt, die Naſe
etwas mehr ausgeladen, den Umriß der Kinnlade erweitert
und zierlicher ausgerundet, Verbeſſerungen, welche in Anſehung
ſeines lebhaften Gefuͤhles fuͤr weibliche Anmuth eben ihm be-
ſonders nahe lagen.
Dieſen Charakteren begegnen wir auch in jenen Male-
reyen an einer Seitenwand der mehrgedachten Kappelle Ba-
roncelli der Kirche ſta Croce, welche ſchon Vaſari, es iſt un-
bekannt, ob aus hiſtoriſchen Gruͤnden, oder nach einem allge-
meinen Kennergefuͤhle, unter den wichtigeren Werken des
Taddeo di Gaddo aufzaͤhlt. Dieſe Wand enthaͤlt in fuͤnf Ab-
theilungen ſechs Handlungen aus jener fabelhaften Madonnen-
geſchichte, welche, obwohl die Kirche ſie verwirft, in aͤlteren
Zeiten haͤufig dargeſtellt wurde. In der oberen Abtheilung,
unter dem gothiſchen Bogen, zeigt ſich ein feiner Hirt, wel-
*) Es hat die Unterſchrift: Anno Domini 1334. Mensis Sep-
tembris. Thadeus me fecit.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/97>, abgerufen am 24.11.2024.
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