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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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anders, was ich oben zusammengestellt, mehr Glauben ver-
dient, als willkührliche Einbildungen.

"Ganz anders, wie sein Meister, sagt ein Schriftsteller
der jüngsten Zeit, *) und als ein gewaltiger Riesen-
geist
erscheint er nun, umgeben von seinen Genossen und
Schülern. Gleich dem größesten italienischen Dichter für die
Poesie seines Landes (?), ist auch Giotto, der mit Dante be-
freundet war (?), als der Vater des großen, erha-
benen Styles in der Malerey jener Zeiten anzu-
sehn. Nie ist er wohl übertroffen worden in der
Größe und Wahrheit der Idee
(?), im ernsten durch-
greifenden Zusammenhange einer einzelnen, oder einer Reihe
von Darstellungen, u. s. f."

Könnte der klare, besonnene, werkthätige Meister nur für
einen Augenblick mit anhören, was man nun bald fünfhun-
dert Jahre nach seinem Tode mit einer Emphase und Ueber-
treibung von ihm gesagt, welche, sowohl ihm selbst, als über-
haupt seiner Zeit ganz fremd war; so dürfte es ihm dabey
nicht recht geheuer werden. Denn Niemand liebt so leicht,
sein eigenes Seyn, wenn auch ins Schönere und Größere
verändert, im Spiegel eines bloßen Fiebertraumes wahrzu-
nehmen.

Wie man sich allgemach bis zu dieser Höhe hinaufgestei-
gert? -- Die Florentiner des vierzehnten Jahrhundertes wa-
ren in einer gewissen Abgötterey des Talentes und der Ver-
dienste des Giotto befangen, von welcher ich oben verschiedene
Beyspiele beygebracht habe. Sie waren, wie verblendet, gegen
die Fortschritte der nachfolgenden Künstler, was höchst wahr-

*) S. Ansichten über die Kunst etc. 1820. 8. S. 37. ff.

anders, was ich oben zuſammengeſtellt, mehr Glauben ver-
dient, als willkuͤhrliche Einbildungen.

„Ganz anders, wie ſein Meiſter, ſagt ein Schriftſteller
der juͤngſten Zeit, *) und als ein gewaltiger Rieſen-
geiſt
erſcheint er nun, umgeben von ſeinen Genoſſen und
Schuͤlern. Gleich dem groͤßeſten italieniſchen Dichter fuͤr die
Poeſie ſeines Landes (?), iſt auch Giotto, der mit Dante be-
freundet war (?), als der Vater des großen, erha-
benen Styles in der Malerey jener Zeiten anzu-
ſehn. Nie iſt er wohl uͤbertroffen worden in der
Groͤße und Wahrheit der Idee
(?), im ernſten durch-
greifenden Zuſammenhange einer einzelnen, oder einer Reihe
von Darſtellungen, u. ſ. f.“

Koͤnnte der klare, beſonnene, werkthaͤtige Meiſter nur fuͤr
einen Augenblick mit anhoͤren, was man nun bald fuͤnfhun-
dert Jahre nach ſeinem Tode mit einer Emphaſe und Ueber-
treibung von ihm geſagt, welche, ſowohl ihm ſelbſt, als uͤber-
haupt ſeiner Zeit ganz fremd war; ſo duͤrfte es ihm dabey
nicht recht geheuer werden. Denn Niemand liebt ſo leicht,
ſein eigenes Seyn, wenn auch ins Schoͤnere und Groͤßere
veraͤndert, im Spiegel eines bloßen Fiebertraumes wahrzu-
nehmen.

Wie man ſich allgemach bis zu dieſer Hoͤhe hinaufgeſtei-
gert? — Die Florentiner des vierzehnten Jahrhundertes wa-
ren in einer gewiſſen Abgoͤtterey des Talentes und der Ver-
dienſte des Giotto befangen, von welcher ich oben verſchiedene
Beyſpiele beygebracht habe. Sie waren, wie verblendet, gegen
die Fortſchritte der nachfolgenden Kuͤnſtler, was hoͤchſt wahr-

*) S. Anſichten uͤber die Kunſt etc. 1820. 8. S. 37. ff.
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[74/0092] anders, was ich oben zuſammengeſtellt, mehr Glauben ver- dient, als willkuͤhrliche Einbildungen. „Ganz anders, wie ſein Meiſter, ſagt ein Schriftſteller der juͤngſten Zeit, *) und als ein gewaltiger Rieſen- geiſt erſcheint er nun, umgeben von ſeinen Genoſſen und Schuͤlern. Gleich dem groͤßeſten italieniſchen Dichter fuͤr die Poeſie ſeines Landes (?), iſt auch Giotto, der mit Dante be- freundet war (?), als der Vater des großen, erha- benen Styles in der Malerey jener Zeiten anzu- ſehn. Nie iſt er wohl uͤbertroffen worden in der Groͤße und Wahrheit der Idee (?), im ernſten durch- greifenden Zuſammenhange einer einzelnen, oder einer Reihe von Darſtellungen, u. ſ. f.“ Koͤnnte der klare, beſonnene, werkthaͤtige Meiſter nur fuͤr einen Augenblick mit anhoͤren, was man nun bald fuͤnfhun- dert Jahre nach ſeinem Tode mit einer Emphaſe und Ueber- treibung von ihm geſagt, welche, ſowohl ihm ſelbſt, als uͤber- haupt ſeiner Zeit ganz fremd war; ſo duͤrfte es ihm dabey nicht recht geheuer werden. Denn Niemand liebt ſo leicht, ſein eigenes Seyn, wenn auch ins Schoͤnere und Groͤßere veraͤndert, im Spiegel eines bloßen Fiebertraumes wahrzu- nehmen. Wie man ſich allgemach bis zu dieſer Hoͤhe hinaufgeſtei- gert? — Die Florentiner des vierzehnten Jahrhundertes wa- ren in einer gewiſſen Abgoͤtterey des Talentes und der Ver- dienſte des Giotto befangen, von welcher ich oben verſchiedene Beyſpiele beygebracht habe. Sie waren, wie verblendet, gegen die Fortſchritte der nachfolgenden Kuͤnſtler, was hoͤchſt wahr- *) S. Anſichten uͤber die Kunſt etc. 1820. 8. S. 37. ff.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/92>, abgerufen am 24.11.2024.