heiligen Franz im Schlafe erscheint, enthält die Architectur des Palastes neben gothischen Theilen auch Spuren des eben aufkommenden Geschmackes des Brunelleschi. Auch mögen einige der dargestellten Legenden zu den späteren gehören, und, wem künstlerische Gründe nicht genügen, dienen können, die Angabe des Vasari als irrig zu erweisen. Was mich selbst betrifft, so genügt mir, daß sie in keinem Stücke mit jenem ersten Bilde des Giotto übereintreffen, hingegen unzweydeutige Spuren neuerer Abkunft enthalten. In einigen, zur Rechten des Einganges, erkenne ich deutlich die Hand des Spinello von Arezzo, und glaube daher, daß die übrigen sämmtlich von seinem Sohne oder Schüler, dem Parri di Spinello ge- malt sind.
Hingegen entsprechen die Malereyen in den Abtheilungen des Kreuzgewölbes über dem Grabe des Heiligen sowohl dem florentinischen Bilde, als jenen Wandmalereyen der Kirche Incoronata zu Neapel; sie sind von rosiger Färbung, die Figuren gleichmäßig in ihren Ausdehnungen, die Profile etwas stumpf, die Anordnung gedrängt. Die Allegorie, welche sie einschließen, ist mönchisch-kindlich, ward sicher, wie gewöhn- lich, *) von dem Besteller aufgegeben und nicht von Giotto selbst ausgesonnen, dessen Sinn und Richtung sie vielmehr wi- derstreben mußten. Ich darf sie übergehen, da sowohl Vasari sich weitläuftig darauf eingelassen, als neuerdings ein deut-
*) Wer jemals veranlaßt war, einige hundert Künstlerverträge des 14ten und 15ten Jahrhundertes durchzulesen, weiß, daß die Aufgabe in den älteren Zeiten meist sehr genau umschrieben wurde -- Einige Beyspiele finden sich auch in diesem Bande; das merk- würdigste in den Nachrichten vom Lor. Ghiberti.
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heiligen Franz im Schlafe erſcheint, enthaͤlt die Architectur des Palaſtes neben gothiſchen Theilen auch Spuren des eben aufkommenden Geſchmackes des Brunelleſchi. Auch moͤgen einige der dargeſtellten Legenden zu den ſpaͤteren gehoͤren, und, wem kuͤnſtleriſche Gruͤnde nicht genuͤgen, dienen koͤnnen, die Angabe des Vaſari als irrig zu erweiſen. Was mich ſelbſt betrifft, ſo genuͤgt mir, daß ſie in keinem Stuͤcke mit jenem erſten Bilde des Giotto uͤbereintreffen, hingegen unzweydeutige Spuren neuerer Abkunft enthalten. In einigen, zur Rechten des Einganges, erkenne ich deutlich die Hand des Spinello von Arezzo, und glaube daher, daß die uͤbrigen ſaͤmmtlich von ſeinem Sohne oder Schuͤler, dem Parri di Spinello ge- malt ſind.
Hingegen entſprechen die Malereyen in den Abtheilungen des Kreuzgewoͤlbes uͤber dem Grabe des Heiligen ſowohl dem florentiniſchen Bilde, als jenen Wandmalereyen der Kirche Incoronata zu Neapel; ſie ſind von roſiger Faͤrbung, die Figuren gleichmaͤßig in ihren Ausdehnungen, die Profile etwas ſtumpf, die Anordnung gedraͤngt. Die Allegorie, welche ſie einſchließen, iſt moͤnchiſch-kindlich, ward ſicher, wie gewoͤhn- lich, *) von dem Beſteller aufgegeben und nicht von Giotto ſelbſt ausgeſonnen, deſſen Sinn und Richtung ſie vielmehr wi- derſtreben mußten. Ich darf ſie uͤbergehen, da ſowohl Vaſari ſich weitlaͤuftig darauf eingelaſſen, als neuerdings ein deut-
*) Wer jemals veranlaßt war, einige hundert Kuͤnſtlervertraͤge des 14ten und 15ten Jahrhundertes durchzuleſen, weiß, daß die Aufgabe in den aͤlteren Zeiten meiſt ſehr genau umſchrieben wurde — Einige Beyſpiele finden ſich auch in dieſem Bande; das merk- wuͤrdigſte in den Nachrichten vom Lor. Ghiberti.
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heiligen Franz im Schlafe erſcheint, enthaͤlt die Architectur
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einige der dargeſtellten Legenden zu den ſpaͤteren gehoͤren, und,
wem kuͤnſtleriſche Gruͤnde nicht genuͤgen, dienen koͤnnen, die
Angabe des Vaſari als irrig zu erweiſen. Was mich ſelbſt
betrifft, ſo genuͤgt mir, daß ſie in keinem Stuͤcke mit jenem
erſten Bilde des Giotto uͤbereintreffen, hingegen unzweydeutige
Spuren neuerer Abkunft enthalten. In einigen, zur Rechten
des Einganges, erkenne ich deutlich die Hand des Spinello
von Arezzo, und glaube daher, daß die uͤbrigen ſaͤmmtlich von
ſeinem Sohne oder Schuͤler, dem Parri di Spinello ge-
malt ſind.
Hingegen entſprechen die Malereyen in den Abtheilungen
des Kreuzgewoͤlbes uͤber dem Grabe des Heiligen ſowohl dem
florentiniſchen Bilde, als jenen Wandmalereyen der Kirche
Incoronata zu Neapel; ſie ſind von roſiger Faͤrbung, die
Figuren gleichmaͤßig in ihren Ausdehnungen, die Profile etwas
ſtumpf, die Anordnung gedraͤngt. Die Allegorie, welche ſie
einſchließen, iſt moͤnchiſch-kindlich, ward ſicher, wie gewoͤhn-
lich, *) von dem Beſteller aufgegeben und nicht von Giotto
ſelbſt ausgeſonnen, deſſen Sinn und Richtung ſie vielmehr wi-
derſtreben mußten. Ich darf ſie uͤbergehen, da ſowohl Vaſari
ſich weitlaͤuftig darauf eingelaſſen, als neuerdings ein deut-
*) Wer jemals veranlaßt war, einige hundert Kuͤnſtlervertraͤge
des 14ten und 15ten Jahrhundertes durchzuleſen, weiß, daß die
Aufgabe in den aͤlteren Zeiten meiſt ſehr genau umſchrieben wurde
— Einige Beyſpiele finden ſich auch in dieſem Bande; das merk-
wuͤrdigſte in den Nachrichten vom Lor. Ghiberti.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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