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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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diese Dinge gemalt, überhaupt unbekannt ist. Er hat solche
dem Giotto beygelegt, worin ihm neuere Geschichtschreiber ge-
folgt sind; *) vielleicht verleitete ihn die Unhaltbarkeit der An-
gabe des Ghiberti, zu vermuthen, daß der Abschreiber die
Stelle verdorben habe, daß mithin statt: di sotto, di sopra,
zu lesen sey; unter allen Umständen folgte er ebenfalls ganz
unbestimmten Erinnerungen, da er nicht einmal die Zahl der
Bilder, welche an beiden Wänden des Hauptschiffes unter den
Fenstern hinlaufen, ganz richtig angiebt. Denn es sind deren
nicht zwey und dreyßig, wie Vasari sagt, sondern nur acht
und zwanzig. Mit gleicher Flüchtigkeit dürfte er denn auch die
Darstellungen selbst an der Stelle beobachtet haben.

In der That stimmen diese Malereyen der oberen Kirche
zu Asisi, in keinem Stücke mit den Eigenthümlichkeiten über-
ein, welche ich oben aus dem einzigen ganz sicheren Bilde des
Giotto abgezogen habe. Die Proportion, deren Beobachtung
Ghiberti zu den Verdiensten des Giotto zählt, welche in den
bisher berührten Bildern in der That nirgend auffallend über-
schritten ist, erreicht in diesen Wandmalereyen ein so ausge-
zeichnetes Unmaß, daß viele Figuren wohl dreyzehn Kopflän-
gen haben mögen und kurze Canguruärmchen, mit denen die
wirklich lebendige und pathetische Anordnung einzelner Stücke
doch nicht so ganz versöhnen kann. Allein auch in den Kunst-
manieren (Modellirung, Oeffnung der Augen und a.), so wie in
den Gebäuden und Kleidungen zeigen sich häufige Spuren der
Sitten und des Geschmackes der ersten Hälfte des funfzehn-
ten Jahrhundertes. In dem Bilde, in welchem Christus dem

*) Lanzi und A. -- Della Valle bezweifelt die Angabe des
Vasari; doch ohne Gründe anzugeben.

dieſe Dinge gemalt, uͤberhaupt unbekannt iſt. Er hat ſolche
dem Giotto beygelegt, worin ihm neuere Geſchichtſchreiber ge-
folgt ſind; *) vielleicht verleitete ihn die Unhaltbarkeit der An-
gabe des Ghiberti, zu vermuthen, daß der Abſchreiber die
Stelle verdorben habe, daß mithin ſtatt: di sotto, di sopra,
zu leſen ſey; unter allen Umſtaͤnden folgte er ebenfalls ganz
unbeſtimmten Erinnerungen, da er nicht einmal die Zahl der
Bilder, welche an beiden Waͤnden des Hauptſchiffes unter den
Fenſtern hinlaufen, ganz richtig angiebt. Denn es ſind deren
nicht zwey und dreyßig, wie Vaſari ſagt, ſondern nur acht
und zwanzig. Mit gleicher Fluͤchtigkeit duͤrfte er denn auch die
Darſtellungen ſelbſt an der Stelle beobachtet haben.

In der That ſtimmen dieſe Malereyen der oberen Kirche
zu Aſiſi, in keinem Stuͤcke mit den Eigenthuͤmlichkeiten uͤber-
ein, welche ich oben aus dem einzigen ganz ſicheren Bilde des
Giotto abgezogen habe. Die Proportion, deren Beobachtung
Ghiberti zu den Verdienſten des Giotto zaͤhlt, welche in den
bisher beruͤhrten Bildern in der That nirgend auffallend uͤber-
ſchritten iſt, erreicht in dieſen Wandmalereyen ein ſo ausge-
zeichnetes Unmaß, daß viele Figuren wohl dreyzehn Kopflaͤn-
gen haben moͤgen und kurze Canguruaͤrmchen, mit denen die
wirklich lebendige und pathetiſche Anordnung einzelner Stuͤcke
doch nicht ſo ganz verſoͤhnen kann. Allein auch in den Kunſt-
manieren (Modellirung, Oeffnung der Augen und a.), ſo wie in
den Gebaͤuden und Kleidungen zeigen ſich haͤufige Spuren der
Sitten und des Geſchmackes der erſten Haͤlfte des funfzehn-
ten Jahrhundertes. In dem Bilde, in welchem Chriſtus dem

*) Lanzi und A. — Della Valle bezweifelt die Angabe des
Vaſari; doch ohne Gruͤnde anzugeben.
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[66/0084] dieſe Dinge gemalt, uͤberhaupt unbekannt iſt. Er hat ſolche dem Giotto beygelegt, worin ihm neuere Geſchichtſchreiber ge- folgt ſind; *) vielleicht verleitete ihn die Unhaltbarkeit der An- gabe des Ghiberti, zu vermuthen, daß der Abſchreiber die Stelle verdorben habe, daß mithin ſtatt: di sotto, di sopra, zu leſen ſey; unter allen Umſtaͤnden folgte er ebenfalls ganz unbeſtimmten Erinnerungen, da er nicht einmal die Zahl der Bilder, welche an beiden Waͤnden des Hauptſchiffes unter den Fenſtern hinlaufen, ganz richtig angiebt. Denn es ſind deren nicht zwey und dreyßig, wie Vaſari ſagt, ſondern nur acht und zwanzig. Mit gleicher Fluͤchtigkeit duͤrfte er denn auch die Darſtellungen ſelbſt an der Stelle beobachtet haben. In der That ſtimmen dieſe Malereyen der oberen Kirche zu Aſiſi, in keinem Stuͤcke mit den Eigenthuͤmlichkeiten uͤber- ein, welche ich oben aus dem einzigen ganz ſicheren Bilde des Giotto abgezogen habe. Die Proportion, deren Beobachtung Ghiberti zu den Verdienſten des Giotto zaͤhlt, welche in den bisher beruͤhrten Bildern in der That nirgend auffallend uͤber- ſchritten iſt, erreicht in dieſen Wandmalereyen ein ſo ausge- zeichnetes Unmaß, daß viele Figuren wohl dreyzehn Kopflaͤn- gen haben moͤgen und kurze Canguruaͤrmchen, mit denen die wirklich lebendige und pathetiſche Anordnung einzelner Stuͤcke doch nicht ſo ganz verſoͤhnen kann. Allein auch in den Kunſt- manieren (Modellirung, Oeffnung der Augen und a.), ſo wie in den Gebaͤuden und Kleidungen zeigen ſich haͤufige Spuren der Sitten und des Geſchmackes der erſten Haͤlfte des funfzehn- ten Jahrhundertes. In dem Bilde, in welchem Chriſtus dem *) Lanzi und A. — Della Valle bezweifelt die Angabe des Vaſari; doch ohne Gruͤnde anzugeben.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/84>, abgerufen am 24.11.2024.