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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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massen zu meiden. Daher verwischte und verbließ er die Aus-
gänge der Falten, deren Richtigkeit und scharfe Andeutung ihn
wenig bekümmerte, gegen das Licht hin ins Unbestimmte und
Verwaschene. Da nun sogar Taddeo Gaddi, der ihm sonst
unter allen Nachfolgern am nächsten geblieben, in diesem
Stücke von der Manier des Meisters sich entfernt und be-
müht hat, dem engeren Gefälte mehr Bestimmtheit zu geben,
so glaube ich, daß jene Behandlung des Faltenwurfes als
eine sichere Eigenthümlichkeit der Manier des Giotto zu be-
trachten sey; und, wo diese vereinigt mit dem stumpfen Profil,
den verlängerten, fast zusammenstoßenden Augen vorkommt,
welche ich oben hervorgehoben, trage ich kein Bedenken, für
ächt anzunehmen, was ältere Schriftsteller, vornehmlich Ghi-
berti
, dem Giotto beymessen.

Dahin gehört zunächst jene lange Reihe kleiner Bilder,
welche vordem die Sacristey der Minoritenkirche zu Florenz
verziert haben, nunmehr aber, theils in der Gallerie der Aca-
demie der Künste aufgestellt, theils in den Handel gekommen
und in alle Welt verstreut sind *) Der Gegenstand dieser
Darstellungen, deren Behandlung sehr leicht und skizzenhaft
ist, besteht in jener vormals den Nachfolgern des heiligen
Franz so beliebten, naiven, doch etwas vermessenen Verglei-
chung des Lebens dieses Heiligen mit dem Leben des Erlö-
sers. Ghiberti erwähnt nur im allgemeinen, daß Giotto in
sta Croce vier Kappellen und vier Altarbilder gemalt habe, von
denen nur das Beschriebene erhalten ist; ich habe demnach
keine ältere Autorität für die Abkunft jener Folge kleiner Bil-

*) Einige befinden sich in der Königl. Baierschen Gemälde-
sammlung; einige andere besitze ich selbst.

maſſen zu meiden. Daher verwiſchte und verbließ er die Aus-
gaͤnge der Falten, deren Richtigkeit und ſcharfe Andeutung ihn
wenig bekuͤmmerte, gegen das Licht hin ins Unbeſtimmte und
Verwaſchene. Da nun ſogar Taddeo Gaddi, der ihm ſonſt
unter allen Nachfolgern am naͤchſten geblieben, in dieſem
Stuͤcke von der Manier des Meiſters ſich entfernt und be-
muͤht hat, dem engeren Gefaͤlte mehr Beſtimmtheit zu geben,
ſo glaube ich, daß jene Behandlung des Faltenwurfes als
eine ſichere Eigenthuͤmlichkeit der Manier des Giotto zu be-
trachten ſey; und, wo dieſe vereinigt mit dem ſtumpfen Profil,
den verlaͤngerten, faſt zuſammenſtoßenden Augen vorkommt,
welche ich oben hervorgehoben, trage ich kein Bedenken, fuͤr
aͤcht anzunehmen, was aͤltere Schriftſteller, vornehmlich Ghi-
berti
, dem Giotto beymeſſen.

Dahin gehoͤrt zunaͤchſt jene lange Reihe kleiner Bilder,
welche vordem die Sacriſtey der Minoritenkirche zu Florenz
verziert haben, nunmehr aber, theils in der Gallerie der Aca-
demie der Kuͤnſte aufgeſtellt, theils in den Handel gekommen
und in alle Welt verſtreut ſind *) Der Gegenſtand dieſer
Darſtellungen, deren Behandlung ſehr leicht und ſkizzenhaft
iſt, beſteht in jener vormals den Nachfolgern des heiligen
Franz ſo beliebten, naiven, doch etwas vermeſſenen Verglei-
chung des Lebens dieſes Heiligen mit dem Leben des Erloͤ-
ſers. Ghiberti erwaͤhnt nur im allgemeinen, daß Giotto in
ſta Croce vier Kappellen und vier Altarbilder gemalt habe, von
denen nur das Beſchriebene erhalten iſt; ich habe demnach
keine aͤltere Autoritaͤt fuͤr die Abkunft jener Folge kleiner Bil-

*) Einige befinden ſich in der Koͤnigl. Baierſchen Gemaͤlde-
ſammlung; einige andere beſitze ich ſelbſt.
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[63/0081] maſſen zu meiden. Daher verwiſchte und verbließ er die Aus- gaͤnge der Falten, deren Richtigkeit und ſcharfe Andeutung ihn wenig bekuͤmmerte, gegen das Licht hin ins Unbeſtimmte und Verwaſchene. Da nun ſogar Taddeo Gaddi, der ihm ſonſt unter allen Nachfolgern am naͤchſten geblieben, in dieſem Stuͤcke von der Manier des Meiſters ſich entfernt und be- muͤht hat, dem engeren Gefaͤlte mehr Beſtimmtheit zu geben, ſo glaube ich, daß jene Behandlung des Faltenwurfes als eine ſichere Eigenthuͤmlichkeit der Manier des Giotto zu be- trachten ſey; und, wo dieſe vereinigt mit dem ſtumpfen Profil, den verlaͤngerten, faſt zuſammenſtoßenden Augen vorkommt, welche ich oben hervorgehoben, trage ich kein Bedenken, fuͤr aͤcht anzunehmen, was aͤltere Schriftſteller, vornehmlich Ghi- berti, dem Giotto beymeſſen. Dahin gehoͤrt zunaͤchſt jene lange Reihe kleiner Bilder, welche vordem die Sacriſtey der Minoritenkirche zu Florenz verziert haben, nunmehr aber, theils in der Gallerie der Aca- demie der Kuͤnſte aufgeſtellt, theils in den Handel gekommen und in alle Welt verſtreut ſind *) Der Gegenſtand dieſer Darſtellungen, deren Behandlung ſehr leicht und ſkizzenhaft iſt, beſteht in jener vormals den Nachfolgern des heiligen Franz ſo beliebten, naiven, doch etwas vermeſſenen Verglei- chung des Lebens dieſes Heiligen mit dem Leben des Erloͤ- ſers. Ghiberti erwaͤhnt nur im allgemeinen, daß Giotto in ſta Croce vier Kappellen und vier Altarbilder gemalt habe, von denen nur das Beſchriebene erhalten iſt; ich habe demnach keine aͤltere Autoritaͤt fuͤr die Abkunft jener Folge kleiner Bil- *) Einige befinden ſich in der Koͤnigl. Baierſchen Gemaͤlde- ſammlung; einige andere beſitze ich ſelbſt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/81>, abgerufen am 24.11.2024.