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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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hingegen gar selten sich darauf eingelassen, den Geist großer
Künstler nach seiner Höhe, Tiefe und Breite auszumessen.

Wir selbst indeß werden in jenen Tafeln einen edlen,
auf Würdiges und Hohes gerichteten Sinn anerkennen und
verehren müssen. Allerdings verräth Duccio, besonders in dem
Madonnenbilde seiner großen Altartafel, mehr Unabhängigkeit
von seinen griechischen Vorbildern. Auch wird man dem Sie-
neser im Ganzen zugeben müssen, daß seine Gestalten einen
liebenswürdigen Ausdruck von Güte und Milde besitzen, wel-
cher anziehender ist, als die herbe und strenge Eigenthümlich-
keit des Cimabue, dessen Bildungen ein gewisses einseitiges
Streben nach Würde und Ehrfurcht gebietender Hoheit an den
Tag legen. Möge er nun immerhin diese Richtung mit un-
zulänglichen Kräften verfolgt haben, so verdient doch sein
Streben, besonders der Muth, sich in größere Dimensionen
zu wagen, die Anerkennung und Verehrung der Billigen.

Doch, wenn uns Vasari und Spätere versichern, daß
Cimabue in der Malerey eine Schule gegründet und ein neues
und besseres Bestreben verbreitet habe, so übersehen sie, daß
sein Ziel nicht in Neuerung, sondern nur in einer höheren
Ausbildung der vorgefundenen Vorstellungen und Handhabun-
gen der Kunst bestanden. Uebrigens pflegen dieselben Schrift-
steller um wenige Zeilen später selbst anzunehmen: daß jene
durchgehende Erneuerung der italienischen Malerey, welche sie
aus Gewöhnung schon dem Cimabue beygelegt hatten, um
einige Jahrzehende später eingetreten und von Giotto ausge-
gangen sey, welches Letzte ich in nachstehender Untersuchung
umständlicher zu entwickeln und sicherer zu begründen hoffe,
als vor mir geschehen ist.




Urkund-

hingegen gar ſelten ſich darauf eingelaſſen, den Geiſt großer
Kuͤnſtler nach ſeiner Hoͤhe, Tiefe und Breite auszumeſſen.

Wir ſelbſt indeß werden in jenen Tafeln einen edlen,
auf Wuͤrdiges und Hohes gerichteten Sinn anerkennen und
verehren muͤſſen. Allerdings verraͤth Duccio, beſonders in dem
Madonnenbilde ſeiner großen Altartafel, mehr Unabhaͤngigkeit
von ſeinen griechiſchen Vorbildern. Auch wird man dem Sie-
neſer im Ganzen zugeben muͤſſen, daß ſeine Geſtalten einen
liebenswuͤrdigen Ausdruck von Guͤte und Milde beſitzen, wel-
cher anziehender iſt, als die herbe und ſtrenge Eigenthuͤmlich-
keit des Cimabue, deſſen Bildungen ein gewiſſes einſeitiges
Streben nach Wuͤrde und Ehrfurcht gebietender Hoheit an den
Tag legen. Moͤge er nun immerhin dieſe Richtung mit un-
zulaͤnglichen Kraͤften verfolgt haben, ſo verdient doch ſein
Streben, beſonders der Muth, ſich in groͤßere Dimenſionen
zu wagen, die Anerkennung und Verehrung der Billigen.

Doch, wenn uns Vaſari und Spaͤtere verſichern, daß
Cimabue in der Malerey eine Schule gegruͤndet und ein neues
und beſſeres Beſtreben verbreitet habe, ſo uͤberſehen ſie, daß
ſein Ziel nicht in Neuerung, ſondern nur in einer hoͤheren
Ausbildung der vorgefundenen Vorſtellungen und Handhabun-
gen der Kunſt beſtanden. Uebrigens pflegen dieſelben Schrift-
ſteller um wenige Zeilen ſpaͤter ſelbſt anzunehmen: daß jene
durchgehende Erneuerung der italieniſchen Malerey, welche ſie
aus Gewoͤhnung ſchon dem Cimabue beygelegt hatten, um
einige Jahrzehende ſpaͤter eingetreten und von Giotto ausge-
gangen ſey, welches Letzte ich in nachſtehender Unterſuchung
umſtaͤndlicher zu entwickeln und ſicherer zu begruͤnden hoffe,
als vor mir geſchehen iſt.




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[32/0050] hingegen gar ſelten ſich darauf eingelaſſen, den Geiſt großer Kuͤnſtler nach ſeiner Hoͤhe, Tiefe und Breite auszumeſſen. Wir ſelbſt indeß werden in jenen Tafeln einen edlen, auf Wuͤrdiges und Hohes gerichteten Sinn anerkennen und verehren muͤſſen. Allerdings verraͤth Duccio, beſonders in dem Madonnenbilde ſeiner großen Altartafel, mehr Unabhaͤngigkeit von ſeinen griechiſchen Vorbildern. Auch wird man dem Sie- neſer im Ganzen zugeben muͤſſen, daß ſeine Geſtalten einen liebenswuͤrdigen Ausdruck von Guͤte und Milde beſitzen, wel- cher anziehender iſt, als die herbe und ſtrenge Eigenthuͤmlich- keit des Cimabue, deſſen Bildungen ein gewiſſes einſeitiges Streben nach Wuͤrde und Ehrfurcht gebietender Hoheit an den Tag legen. Moͤge er nun immerhin dieſe Richtung mit un- zulaͤnglichen Kraͤften verfolgt haben, ſo verdient doch ſein Streben, beſonders der Muth, ſich in groͤßere Dimenſionen zu wagen, die Anerkennung und Verehrung der Billigen. Doch, wenn uns Vaſari und Spaͤtere verſichern, daß Cimabue in der Malerey eine Schule gegruͤndet und ein neues und beſſeres Beſtreben verbreitet habe, ſo uͤberſehen ſie, daß ſein Ziel nicht in Neuerung, ſondern nur in einer hoͤheren Ausbildung der vorgefundenen Vorſtellungen und Handhabun- gen der Kunſt beſtanden. Uebrigens pflegen dieſelben Schrift- ſteller um wenige Zeilen ſpaͤter ſelbſt anzunehmen: daß jene durchgehende Erneuerung der italieniſchen Malerey, welche ſie aus Gewoͤhnung ſchon dem Cimabue beygelegt hatten, um einige Jahrzehende ſpaͤter eingetreten und von Giotto ausge- gangen ſey, welches Letzte ich in nachſtehender Unterſuchung umſtaͤndlicher zu entwickeln und ſicherer zu begruͤnden hoffe, als vor mir geſchehen iſt. Urkund-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/50>, abgerufen am 24.11.2024.