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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Eben wie dort durch eine falsche Steigerung des Bewußtseyns
der hohen Bestimmung der Kunst jene unbewußte Tugend und
Schönheit, welche wir in den Einquecentisten und deren Vor-
gängern lieben, in leeren Anspruch übergegangen war, so ent-
stand aus dieser äußeren Vornehmheit der neuen künstlerischen
Verhältnisse eine gänzliche Umkehrung in dem Aeußerlichsten der
Kunst, den Manieren, oder Handhabungen der Werkzeuge.

Georg Vasari, der ausgezeichnetste und gediegenste Schnell-
arbeiter seiner Zeit, giebt uns die vollständigste Auskunft über
die Veranlassung, die Absicht und Förderung seiner Richtung
auf eine an Frechheit grenzende technische Gewandtheit. Als
Karl V. in Florenz einziehn sollte, ward eine Menge alle-
gorisch verzierter Triumphbögen in größter Eile aufgerichtet;
Vasari, zu seinem Entzücken, vom Herzog Alexander durch
einen Kuß auf seine Stirne geehrt, weil er nach unermeßli-
cher Arbeit schon am frühen Morgen des Einzuges mit dem
seinigen zu Ende gekommen war *). Diese Zurüstungen ver-
mehrten sich in der Folge ins Unendliche **); ihre behende
Beschaffung verwöhnte aber die Fürsten, welche nun bald auch
das Dauernde mit ähnlicher Schnelligkeit beendigt sehen woll-
ten. Vasari wußte ihnen auch hierin zu genügen; er rühmte
sich selbst in einer Inschrift im Friise des Saales der Can-
celleria zu Rom, das ungeheuere Gemach in hundert Tagen
beendigt zu haben, und erzählt in seinem Leben, in wie kur-
zer Zeit ihm geglückt war, den alten Palast in Florenz zur

che di morirsi degl' ultimi, che stentano l'acquistar d'un pane sotto
la strana imperiosita de i Principi."
*) S. Racc. cit. To. II. Lett. XII. s.
**) S. Racc. To. cit. die Briefe des Borghini und Caro.
II. 27

Eben wie dort durch eine falſche Steigerung des Bewußtſeyns
der hohen Beſtimmung der Kunſt jene unbewußte Tugend und
Schoͤnheit, welche wir in den Einquecentiſten und deren Vor-
gaͤngern lieben, in leeren Anſpruch uͤbergegangen war, ſo ent-
ſtand aus dieſer aͤußeren Vornehmheit der neuen kuͤnſtleriſchen
Verhaͤltniſſe eine gaͤnzliche Umkehrung in dem Aeußerlichſten der
Kunſt, den Manieren, oder Handhabungen der Werkzeuge.

Georg Vaſari, der ausgezeichnetſte und gediegenſte Schnell-
arbeiter ſeiner Zeit, giebt uns die vollſtaͤndigſte Auskunft uͤber
die Veranlaſſung, die Abſicht und Foͤrderung ſeiner Richtung
auf eine an Frechheit grenzende techniſche Gewandtheit. Als
Karl V. in Florenz einziehn ſollte, ward eine Menge alle-
goriſch verzierter Triumphboͤgen in groͤßter Eile aufgerichtet;
Vaſari, zu ſeinem Entzuͤcken, vom Herzog Alexander durch
einen Kuß auf ſeine Stirne geehrt, weil er nach unermeßli-
cher Arbeit ſchon am fruͤhen Morgen des Einzuges mit dem
ſeinigen zu Ende gekommen war *). Dieſe Zuruͤſtungen ver-
mehrten ſich in der Folge ins Unendliche **); ihre behende
Beſchaffung verwoͤhnte aber die Fuͤrſten, welche nun bald auch
das Dauernde mit aͤhnlicher Schnelligkeit beendigt ſehen woll-
ten. Vaſari wußte ihnen auch hierin zu genuͤgen; er ruͤhmte
ſich ſelbſt in einer Inſchrift im Friiſe des Saales der Can-
celleria zu Rom, das ungeheuere Gemach in hundert Tagen
beendigt zu haben, und erzaͤhlt in ſeinem Leben, in wie kur-
zer Zeit ihm gegluͤckt war, den alten Palaſt in Florenz zur

che di morirsi degl’ ultimi, che stentano l’acquistar d’un pane sotto
la strana imperiosità de i Principi.“
*) S. Racc. cit. To. II. Lett. XII. s.
**) S. Racc. To. cit. die Briefe des Borghini und Caro.
II. 27
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[417/0435] Eben wie dort durch eine falſche Steigerung des Bewußtſeyns der hohen Beſtimmung der Kunſt jene unbewußte Tugend und Schoͤnheit, welche wir in den Einquecentiſten und deren Vor- gaͤngern lieben, in leeren Anſpruch uͤbergegangen war, ſo ent- ſtand aus dieſer aͤußeren Vornehmheit der neuen kuͤnſtleriſchen Verhaͤltniſſe eine gaͤnzliche Umkehrung in dem Aeußerlichſten der Kunſt, den Manieren, oder Handhabungen der Werkzeuge. Georg Vaſari, der ausgezeichnetſte und gediegenſte Schnell- arbeiter ſeiner Zeit, giebt uns die vollſtaͤndigſte Auskunft uͤber die Veranlaſſung, die Abſicht und Foͤrderung ſeiner Richtung auf eine an Frechheit grenzende techniſche Gewandtheit. Als Karl V. in Florenz einziehn ſollte, ward eine Menge alle- goriſch verzierter Triumphboͤgen in groͤßter Eile aufgerichtet; Vaſari, zu ſeinem Entzuͤcken, vom Herzog Alexander durch einen Kuß auf ſeine Stirne geehrt, weil er nach unermeßli- cher Arbeit ſchon am fruͤhen Morgen des Einzuges mit dem ſeinigen zu Ende gekommen war *). Dieſe Zuruͤſtungen ver- mehrten ſich in der Folge ins Unendliche **); ihre behende Beſchaffung verwoͤhnte aber die Fuͤrſten, welche nun bald auch das Dauernde mit aͤhnlicher Schnelligkeit beendigt ſehen woll- ten. Vaſari wußte ihnen auch hierin zu genuͤgen; er ruͤhmte ſich ſelbſt in einer Inſchrift im Friiſe des Saales der Can- celleria zu Rom, das ungeheuere Gemach in hundert Tagen beendigt zu haben, und erzaͤhlt in ſeinem Leben, in wie kur- zer Zeit ihm gegluͤckt war, den alten Palaſt in Florenz zur *) *) S. Racc. cit. To. II. Lett. XII. s. **) S. Racc. To. cit. die Briefe des Borghini und Caro. *) che di morirsi degl’ ultimi, che stentano l’acquistar d’un pane sotto la strana imperiosità de i Principi.“ II. 27

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/435>, abgerufen am 26.11.2024.