Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

reichen nirgend bis in sehr alte Zeit hinauf und sind wahr-
scheinlich durchhin spätere, immer mehr ausgestaltete Redactio-
nen, welche die Aufbewahrung der älteren überflüssig zu ma-
chen schienen. Aus diesem Verhältniß entstand zunächst eine,
dem demokratischen Sinne der italienischen Staaten allerdings
angemessene, doch den Künsten gefährliche Gleichstellung von
Meistern, deren einige nur Handwerker, andere zwar ebenfalls,
wie sich's gehört, Handwerker waren, doch zugleich Männer
von Geist und Streben. Wir entsinnen uns aus früher *)
mitgetheilten Auszügen, daß die Stimme großer Künstler, des
Arcagno, Taddeo und anderer, in den Berathungen der flo-
rentinischen Domverwaltung einer unendlichen Zahl völlig un-
bekannter Namen gleichgestellt worden, welche, wenn wir der
Kunstgeschichte nicht alle Gerechtigkeit absprechen wollen, schwer-
lich das hohe Verdienst jener ersten erreicht haben. Eine ganz
andere Stellung mochten die Künstler vor gänzlicher Ausbil-
dung der Zünfte, vor gänzlicher Verdrängung aristokratischer
Prinzipien, in den Gemeinwesen eingenommen haben; denn
gewiß ward die Persönlichkeit großer Künstler noch im drey-
zehnten Jahrhundert auf eine Weise geehrt **), welche nach
dem Ableben des Giotto für einige Zeit aus der Geschichte
verschwindet.

Ferner führten die durchgebildeten Zunfteinrichtungen un-
läugbar eine mehr, als zu billigende, schädliche Abhängigkeit
des Lehrlings herbey, welcher durchhin auf zu lange Zeit und
allzu fest an den Meister gekettet ***) und eben daher in dessen

*) S. Abh. X. und XI.
**) S. Abh. XI. S. 141. f. 145. 152.
***) S. Cennino di Drea Cennini, Cod. s. cit. wo von zwölfjäh-
rigem Lehrlings- und Gesellenverhältniß die Rede. Dieses mochte
II. 26

reichen nirgend bis in ſehr alte Zeit hinauf und ſind wahr-
ſcheinlich durchhin ſpaͤtere, immer mehr ausgeſtaltete Redactio-
nen, welche die Aufbewahrung der aͤlteren uͤberfluͤſſig zu ma-
chen ſchienen. Aus dieſem Verhaͤltniß entſtand zunaͤchſt eine,
dem demokratiſchen Sinne der italieniſchen Staaten allerdings
angemeſſene, doch den Kuͤnſten gefaͤhrliche Gleichſtellung von
Meiſtern, deren einige nur Handwerker, andere zwar ebenfalls,
wie ſich’s gehoͤrt, Handwerker waren, doch zugleich Maͤnner
von Geiſt und Streben. Wir entſinnen uns aus fruͤher *)
mitgetheilten Auszuͤgen, daß die Stimme großer Kuͤnſtler, des
Arcagno, Taddeo und anderer, in den Berathungen der flo-
rentiniſchen Domverwaltung einer unendlichen Zahl voͤllig un-
bekannter Namen gleichgeſtellt worden, welche, wenn wir der
Kunſtgeſchichte nicht alle Gerechtigkeit abſprechen wollen, ſchwer-
lich das hohe Verdienſt jener erſten erreicht haben. Eine ganz
andere Stellung mochten die Kuͤnſtler vor gaͤnzlicher Ausbil-
dung der Zuͤnfte, vor gaͤnzlicher Verdraͤngung ariſtokratiſcher
Prinzipien, in den Gemeinweſen eingenommen haben; denn
gewiß ward die Perſoͤnlichkeit großer Kuͤnſtler noch im drey-
zehnten Jahrhundert auf eine Weiſe geehrt **), welche nach
dem Ableben des Giotto fuͤr einige Zeit aus der Geſchichte
verſchwindet.

Ferner fuͤhrten die durchgebildeten Zunfteinrichtungen un-
laͤugbar eine mehr, als zu billigende, ſchaͤdliche Abhaͤngigkeit
des Lehrlings herbey, welcher durchhin auf zu lange Zeit und
allzu feſt an den Meiſter gekettet ***) und eben daher in deſſen

*) S. Abh. X. und XI.
**) S. Abh. XI. S. 141. f. 145. 152.
***) S. Cennino di Drea Cennini, Cod. s. cit. wo von zwoͤlfjaͤh-
rigem Lehrlings- und Geſellenverhaͤltniß die Rede. Dieſes mochte
II. 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0419" n="401"/>
reichen nirgend bis in &#x017F;ehr alte Zeit hinauf und &#x017F;ind wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich durchhin &#x017F;pa&#x0364;tere, immer mehr ausge&#x017F;taltete Redactio-<lb/>
nen, welche die Aufbewahrung der a&#x0364;lteren u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig zu ma-<lb/>
chen &#x017F;chienen. Aus die&#x017F;em Verha&#x0364;ltniß ent&#x017F;tand zuna&#x0364;ch&#x017F;t eine,<lb/>
dem demokrati&#x017F;chen Sinne der italieni&#x017F;chen Staaten allerdings<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;ene, doch den Ku&#x0364;n&#x017F;ten gefa&#x0364;hrliche Gleich&#x017F;tellung von<lb/>
Mei&#x017F;tern, deren einige nur Handwerker, andere zwar ebenfalls,<lb/>
wie &#x017F;ich&#x2019;s geho&#x0364;rt, Handwerker waren, doch zugleich Ma&#x0364;nner<lb/>
von Gei&#x017F;t und Streben. Wir ent&#x017F;innen uns aus fru&#x0364;her <note place="foot" n="*)">S. Abh. <hi rendition="#aq">X.</hi> und <hi rendition="#aq">XI.</hi></note><lb/>
mitgetheilten Auszu&#x0364;gen, daß die Stimme großer Ku&#x0364;n&#x017F;tler, des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119065037">Arcagno</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118716077">Taddeo</persName> und anderer, in den Berathungen der flo-<lb/>
rentini&#x017F;chen Domverwaltung einer unendlichen Zahl vo&#x0364;llig un-<lb/>
bekannter Namen gleichge&#x017F;tellt worden, welche, wenn wir der<lb/>
Kun&#x017F;tge&#x017F;chichte nicht alle Gerechtigkeit ab&#x017F;prechen wollen, &#x017F;chwer-<lb/>
lich das hohe Verdien&#x017F;t jener er&#x017F;ten erreicht haben. Eine ganz<lb/>
andere Stellung mochten die Ku&#x0364;n&#x017F;tler vor ga&#x0364;nzlicher Ausbil-<lb/>
dung der Zu&#x0364;nfte, vor ga&#x0364;nzlicher Verdra&#x0364;ngung ari&#x017F;tokrati&#x017F;cher<lb/>
Prinzipien, in den Gemeinwe&#x017F;en eingenommen haben; denn<lb/>
gewiß ward die Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit großer Ku&#x0364;n&#x017F;tler noch im drey-<lb/>
zehnten Jahrhundert auf eine Wei&#x017F;e geehrt <note place="foot" n="**)">S. Abh. <hi rendition="#aq">XI.</hi> S. 141. f. 145. 152.</note>, welche nach<lb/>
dem Ableben des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539477">Giotto</persName> fu&#x0364;r einige Zeit aus der Ge&#x017F;chichte<lb/>
ver&#x017F;chwindet.</p><lb/>
          <p>Ferner fu&#x0364;hrten die durchgebildeten Zunfteinrichtungen un-<lb/>
la&#x0364;ugbar eine mehr, als zu billigende, &#x017F;cha&#x0364;dliche Abha&#x0364;ngigkeit<lb/>
des Lehrlings herbey, welcher durchhin auf zu lange Zeit und<lb/>
allzu fe&#x017F;t an den Mei&#x017F;ter gekettet <note xml:id="fn43i" n="***)" place="foot" next="#fn43f">S. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/100735797">Cennino di Drea Cennini</persName>, Cod. s. cit.</hi> wo von zwo&#x0364;lfja&#x0364;h-<lb/>
rigem Lehrlings- und Ge&#x017F;ellenverha&#x0364;ltniß die Rede. Die&#x017F;es mochte</note> und eben daher in de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 26</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0419] reichen nirgend bis in ſehr alte Zeit hinauf und ſind wahr- ſcheinlich durchhin ſpaͤtere, immer mehr ausgeſtaltete Redactio- nen, welche die Aufbewahrung der aͤlteren uͤberfluͤſſig zu ma- chen ſchienen. Aus dieſem Verhaͤltniß entſtand zunaͤchſt eine, dem demokratiſchen Sinne der italieniſchen Staaten allerdings angemeſſene, doch den Kuͤnſten gefaͤhrliche Gleichſtellung von Meiſtern, deren einige nur Handwerker, andere zwar ebenfalls, wie ſich’s gehoͤrt, Handwerker waren, doch zugleich Maͤnner von Geiſt und Streben. Wir entſinnen uns aus fruͤher *) mitgetheilten Auszuͤgen, daß die Stimme großer Kuͤnſtler, des Arcagno, Taddeo und anderer, in den Berathungen der flo- rentiniſchen Domverwaltung einer unendlichen Zahl voͤllig un- bekannter Namen gleichgeſtellt worden, welche, wenn wir der Kunſtgeſchichte nicht alle Gerechtigkeit abſprechen wollen, ſchwer- lich das hohe Verdienſt jener erſten erreicht haben. Eine ganz andere Stellung mochten die Kuͤnſtler vor gaͤnzlicher Ausbil- dung der Zuͤnfte, vor gaͤnzlicher Verdraͤngung ariſtokratiſcher Prinzipien, in den Gemeinweſen eingenommen haben; denn gewiß ward die Perſoͤnlichkeit großer Kuͤnſtler noch im drey- zehnten Jahrhundert auf eine Weiſe geehrt **), welche nach dem Ableben des Giotto fuͤr einige Zeit aus der Geſchichte verſchwindet. Ferner fuͤhrten die durchgebildeten Zunfteinrichtungen un- laͤugbar eine mehr, als zu billigende, ſchaͤdliche Abhaͤngigkeit des Lehrlings herbey, welcher durchhin auf zu lange Zeit und allzu feſt an den Meiſter gekettet ***) und eben daher in deſſen *) S. Abh. X. und XI. **) S. Abh. XI. S. 141. f. 145. 152. ***) S. Cennino di Drea Cennini, Cod. s. cit. wo von zwoͤlfjaͤh- rigem Lehrlings- und Geſellenverhaͤltniß die Rede. Dieſes mochte II. 26

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/419
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/419>, abgerufen am 25.11.2024.