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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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mit poetischer Freyheit und Willkühr aufzufassen sind; er zeigte,
wie bildnerische Vorbilder, wo solche für Bekleidung, Waffnung,
Charakter und anderes Historische genutzt werden sollen, nach
malerischen Stylfoderungen umzugießen sind; wie man Züge
des gegenwärtigen Lebens, deren der Maler nun einmal nim-
mer entbehren kann, den antiken Aufgaben aneignen solle. Ich
überlasse dem Leser, zu entscheiden, ob es neueren Malern bes-
ser gelungen sey, antike Eigenthümlichkeiten und moderne Mo-
delle zu einem Gusse zu verschmelzen.

Obwohl es nun, wie ich angedeutet habe, an sich selbst
wünschenswerth ist, daß beide Beziehungen der Kunst, die kirch-
liche und die poetische, wie in ihrer Absicht und Richtung, so
auch in ihrer äußeren Erscheinung, in der Manier und Be-
handlung, einen gewissen Gegensatz bilden; so fodert dennoch,
sowohl die Würde ihres Gegenstandes, als besonders ihre Be-
stimmung, der Architectur sich anzuschließen, von beiden eine
gewisse Strenge und Gediegenheit des Styles; über welchen
Begriff wir uns früher verständigt haben. Dahingegen ent-
stand in den vergänglichen und beengten Wohnungen der nörd-
lichen Länder das Bedürfniß von der Baukunst unabhängiger,
beweglicher Gemälde, welche nicht so ganz denselben Anfode-
rungen unterliegen, als die Hervorbringungen jener anderen,
höher hinaus strebenden Richtungen.

Es war schon den Alten aufgefallen, wie die Erscheinung
der Dinge, auch abgesehn von der Bedeutung und Schönheit
ihrer Form, an und für sich einen sinnlichen Reiz besitze, wel-
cher auf leisen Undulationen des Lichtes und lieblichen Ueber-
gängen des Tones beruht. Daher ihre Rhyparographen, welche
man zwar in jenen Zeiten unumwundener Rede nach ihren
Beziehungen und Gegenständen benannte, doch nichts desto

mit poetiſcher Freyheit und Willkuͤhr aufzufaſſen ſind; er zeigte,
wie bildneriſche Vorbilder, wo ſolche fuͤr Bekleidung, Waffnung,
Charakter und anderes Hiſtoriſche genutzt werden ſollen, nach
maleriſchen Stylfoderungen umzugießen ſind; wie man Zuͤge
des gegenwaͤrtigen Lebens, deren der Maler nun einmal nim-
mer entbehren kann, den antiken Aufgaben aneignen ſolle. Ich
uͤberlaſſe dem Leſer, zu entſcheiden, ob es neueren Malern beſ-
ſer gelungen ſey, antike Eigenthuͤmlichkeiten und moderne Mo-
delle zu einem Guſſe zu verſchmelzen.

Obwohl es nun, wie ich angedeutet habe, an ſich ſelbſt
wuͤnſchenswerth iſt, daß beide Beziehungen der Kunſt, die kirch-
liche und die poetiſche, wie in ihrer Abſicht und Richtung, ſo
auch in ihrer aͤußeren Erſcheinung, in der Manier und Be-
handlung, einen gewiſſen Gegenſatz bilden; ſo fodert dennoch,
ſowohl die Wuͤrde ihres Gegenſtandes, als beſonders ihre Be-
ſtimmung, der Architectur ſich anzuſchließen, von beiden eine
gewiſſe Strenge und Gediegenheit des Styles; uͤber welchen
Begriff wir uns fruͤher verſtaͤndigt haben. Dahingegen ent-
ſtand in den vergaͤnglichen und beengten Wohnungen der noͤrd-
lichen Laͤnder das Beduͤrfniß von der Baukunſt unabhaͤngiger,
beweglicher Gemaͤlde, welche nicht ſo ganz denſelben Anfode-
rungen unterliegen, als die Hervorbringungen jener anderen,
hoͤher hinaus ſtrebenden Richtungen.

Es war ſchon den Alten aufgefallen, wie die Erſcheinung
der Dinge, auch abgeſehn von der Bedeutung und Schoͤnheit
ihrer Form, an und fuͤr ſich einen ſinnlichen Reiz beſitze, wel-
cher auf leiſen Undulationen des Lichtes und lieblichen Ueber-
gaͤngen des Tones beruht. Daher ihre Rhyparographen, welche
man zwar in jenen Zeiten unumwundener Rede nach ihren
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[397/0415] mit poetiſcher Freyheit und Willkuͤhr aufzufaſſen ſind; er zeigte, wie bildneriſche Vorbilder, wo ſolche fuͤr Bekleidung, Waffnung, Charakter und anderes Hiſtoriſche genutzt werden ſollen, nach maleriſchen Stylfoderungen umzugießen ſind; wie man Zuͤge des gegenwaͤrtigen Lebens, deren der Maler nun einmal nim- mer entbehren kann, den antiken Aufgaben aneignen ſolle. Ich uͤberlaſſe dem Leſer, zu entſcheiden, ob es neueren Malern beſ- ſer gelungen ſey, antike Eigenthuͤmlichkeiten und moderne Mo- delle zu einem Guſſe zu verſchmelzen. Obwohl es nun, wie ich angedeutet habe, an ſich ſelbſt wuͤnſchenswerth iſt, daß beide Beziehungen der Kunſt, die kirch- liche und die poetiſche, wie in ihrer Abſicht und Richtung, ſo auch in ihrer aͤußeren Erſcheinung, in der Manier und Be- handlung, einen gewiſſen Gegenſatz bilden; ſo fodert dennoch, ſowohl die Wuͤrde ihres Gegenſtandes, als beſonders ihre Be- ſtimmung, der Architectur ſich anzuſchließen, von beiden eine gewiſſe Strenge und Gediegenheit des Styles; uͤber welchen Begriff wir uns fruͤher verſtaͤndigt haben. Dahingegen ent- ſtand in den vergaͤnglichen und beengten Wohnungen der noͤrd- lichen Laͤnder das Beduͤrfniß von der Baukunſt unabhaͤngiger, beweglicher Gemaͤlde, welche nicht ſo ganz denſelben Anfode- rungen unterliegen, als die Hervorbringungen jener anderen, hoͤher hinaus ſtrebenden Richtungen. Es war ſchon den Alten aufgefallen, wie die Erſcheinung der Dinge, auch abgeſehn von der Bedeutung und Schoͤnheit ihrer Form, an und fuͤr ſich einen ſinnlichen Reiz beſitze, wel- cher auf leiſen Undulationen des Lichtes und lieblichen Ueber- gaͤngen des Tones beruht. Daher ihre Rhyparographen, welche man zwar in jenen Zeiten unumwundener Rede nach ihren Beziehungen und Gegenſtaͤnden benannte, doch nichts deſto

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/415>, abgerufen am 28.11.2024.