vielleicht selbst an einem inneren Bedürfnisse fehlte, die künst- lich und absichtlich Erzogenen in der Folge auch zu beschäfti- gen. Derselbe Geist der Theorie, welcher die Errichtung und Weiterung der Lehranstalten wichtiger erscheinen läßt, als die Entwickelung, Förderung, entschlossene Benutzung der Jugend- kraft großer Talente, verleitet uns auch, über den Werth oder Unwerth von Kunstaufgaben zu streiten, deren Auflösung wir künftigen Zeiten überlassen. Gewiß dürfte, wer in die Wirk- samkeit seiner Zeitgenossen einzugreifen wünscht, auf näherem Wege sein Ziel erreichen, indem er begehrte, was ihn erfreut, und auf diese Weise ein Recht erwürbe, mit Künstlern zu ha- dern, welche ihm Versprochenes und Wohlbelohntes nicht so ganz, wie sie sollten, gearbeitet haben. Indeß werden wir, von den Neigungen und Bedürfnissen der Künstler absehend, in Betrachtung ziehen können, ob die Wünsche und Foderun- gen unserer Zeitgenossen, besonders der Kunstfreunde, durch einseitige Auffassung von Gegenständen der einen, oder der anderen Art durchaus befriedigt werden können.
Es ist wohl ausgemacht, daß unter allen sich darbieten- den Gegenständen der Kunst die christlichen der allgemeineren Volksbildung besonders nahe stehn, daher der Menge verständ- licher sind, als Solches, so schon eine gewisse Höhe der Bil- dung voraussetzt. Wäre nun die Kunst unter allen Formen der geistigen Mittheilung die zugänglichste, weil ihre Darstel- lung nicht auf willkührlichen Zeichen beruht, sondern auf ur- sprünglichen, von Haus aus jedem offenen Sinne verständli- chen; so wäre sie auch durch ihren Beruf darauf angewiesen, durch ihren Vortheil aufgefordert, einen wichtigen Theil ihrer Kräfte und Anstrengungen der Darstellung populärer, also christlicher Aufgaben zu widmen. Aus früheren Untersuchun-
vielleicht ſelbſt an einem inneren Beduͤrfniſſe fehlte, die kuͤnſt- lich und abſichtlich Erzogenen in der Folge auch zu beſchaͤfti- gen. Derſelbe Geiſt der Theorie, welcher die Errichtung und Weiterung der Lehranſtalten wichtiger erſcheinen laͤßt, als die Entwickelung, Foͤrderung, entſchloſſene Benutzung der Jugend- kraft großer Talente, verleitet uns auch, uͤber den Werth oder Unwerth von Kunſtaufgaben zu ſtreiten, deren Aufloͤſung wir kuͤnftigen Zeiten uͤberlaſſen. Gewiß duͤrfte, wer in die Wirk- ſamkeit ſeiner Zeitgenoſſen einzugreifen wuͤnſcht, auf naͤherem Wege ſein Ziel erreichen, indem er begehrte, was ihn erfreut, und auf dieſe Weiſe ein Recht erwuͤrbe, mit Kuͤnſtlern zu ha- dern, welche ihm Verſprochenes und Wohlbelohntes nicht ſo ganz, wie ſie ſollten, gearbeitet haben. Indeß werden wir, von den Neigungen und Beduͤrfniſſen der Kuͤnſtler abſehend, in Betrachtung ziehen koͤnnen, ob die Wuͤnſche und Foderun- gen unſerer Zeitgenoſſen, beſonders der Kunſtfreunde, durch einſeitige Auffaſſung von Gegenſtaͤnden der einen, oder der anderen Art durchaus befriedigt werden koͤnnen.
Es iſt wohl ausgemacht, daß unter allen ſich darbieten- den Gegenſtaͤnden der Kunſt die chriſtlichen der allgemeineren Volksbildung beſonders nahe ſtehn, daher der Menge verſtaͤnd- licher ſind, als Solches, ſo ſchon eine gewiſſe Hoͤhe der Bil- dung vorausſetzt. Waͤre nun die Kunſt unter allen Formen der geiſtigen Mittheilung die zugaͤnglichſte, weil ihre Darſtel- lung nicht auf willkuͤhrlichen Zeichen beruht, ſondern auf ur- ſpruͤnglichen, von Haus aus jedem offenen Sinne verſtaͤndli- chen; ſo waͤre ſie auch durch ihren Beruf darauf angewieſen, durch ihren Vortheil aufgefordert, einen wichtigen Theil ihrer Kraͤfte und Anſtrengungen der Darſtellung populaͤrer, alſo chriſtlicher Aufgaben zu widmen. Aus fruͤheren Unterſuchun-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0409"n="391"/>
vielleicht ſelbſt an einem inneren Beduͤrfniſſe fehlte, die kuͤnſt-<lb/>
lich und abſichtlich Erzogenen in der Folge auch zu beſchaͤfti-<lb/>
gen. Derſelbe Geiſt der Theorie, welcher die Errichtung und<lb/>
Weiterung der Lehranſtalten wichtiger erſcheinen laͤßt, als die<lb/>
Entwickelung, Foͤrderung, entſchloſſene Benutzung der Jugend-<lb/>
kraft großer Talente, verleitet uns auch, uͤber den Werth oder<lb/>
Unwerth von Kunſtaufgaben zu ſtreiten, deren Aufloͤſung wir<lb/>
kuͤnftigen Zeiten uͤberlaſſen. Gewiß duͤrfte, wer in die Wirk-<lb/>ſamkeit ſeiner Zeitgenoſſen einzugreifen wuͤnſcht, auf naͤherem<lb/>
Wege ſein Ziel erreichen, indem er begehrte, was ihn erfreut,<lb/>
und auf dieſe Weiſe ein Recht erwuͤrbe, mit Kuͤnſtlern zu ha-<lb/>
dern, welche ihm Verſprochenes und Wohlbelohntes nicht ſo<lb/>
ganz, wie ſie ſollten, gearbeitet haben. Indeß werden wir,<lb/>
von den Neigungen und Beduͤrfniſſen der Kuͤnſtler abſehend,<lb/>
in Betrachtung ziehen koͤnnen, ob die Wuͤnſche und Foderun-<lb/>
gen unſerer Zeitgenoſſen, beſonders der Kunſtfreunde, durch<lb/>
einſeitige Auffaſſung von Gegenſtaͤnden der einen, oder der<lb/>
anderen Art durchaus befriedigt werden koͤnnen.</p><lb/><p>Es iſt wohl ausgemacht, daß unter allen ſich darbieten-<lb/>
den Gegenſtaͤnden der Kunſt die chriſtlichen der allgemeineren<lb/>
Volksbildung beſonders nahe ſtehn, daher der Menge verſtaͤnd-<lb/>
licher ſind, als Solches, ſo ſchon eine gewiſſe Hoͤhe der Bil-<lb/>
dung vorausſetzt. Waͤre nun die Kunſt unter allen Formen<lb/>
der geiſtigen Mittheilung die zugaͤnglichſte, weil ihre Darſtel-<lb/>
lung nicht auf willkuͤhrlichen Zeichen beruht, ſondern auf ur-<lb/>ſpruͤnglichen, von Haus aus jedem offenen Sinne verſtaͤndli-<lb/>
chen; ſo waͤre ſie auch durch ihren Beruf darauf angewieſen,<lb/>
durch ihren Vortheil aufgefordert, einen wichtigen Theil ihrer<lb/>
Kraͤfte und Anſtrengungen der Darſtellung populaͤrer, alſo<lb/>
chriſtlicher Aufgaben zu widmen. Aus fruͤheren Unterſuchun-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[391/0409]
vielleicht ſelbſt an einem inneren Beduͤrfniſſe fehlte, die kuͤnſt-
lich und abſichtlich Erzogenen in der Folge auch zu beſchaͤfti-
gen. Derſelbe Geiſt der Theorie, welcher die Errichtung und
Weiterung der Lehranſtalten wichtiger erſcheinen laͤßt, als die
Entwickelung, Foͤrderung, entſchloſſene Benutzung der Jugend-
kraft großer Talente, verleitet uns auch, uͤber den Werth oder
Unwerth von Kunſtaufgaben zu ſtreiten, deren Aufloͤſung wir
kuͤnftigen Zeiten uͤberlaſſen. Gewiß duͤrfte, wer in die Wirk-
ſamkeit ſeiner Zeitgenoſſen einzugreifen wuͤnſcht, auf naͤherem
Wege ſein Ziel erreichen, indem er begehrte, was ihn erfreut,
und auf dieſe Weiſe ein Recht erwuͤrbe, mit Kuͤnſtlern zu ha-
dern, welche ihm Verſprochenes und Wohlbelohntes nicht ſo
ganz, wie ſie ſollten, gearbeitet haben. Indeß werden wir,
von den Neigungen und Beduͤrfniſſen der Kuͤnſtler abſehend,
in Betrachtung ziehen koͤnnen, ob die Wuͤnſche und Foderun-
gen unſerer Zeitgenoſſen, beſonders der Kunſtfreunde, durch
einſeitige Auffaſſung von Gegenſtaͤnden der einen, oder der
anderen Art durchaus befriedigt werden koͤnnen.
Es iſt wohl ausgemacht, daß unter allen ſich darbieten-
den Gegenſtaͤnden der Kunſt die chriſtlichen der allgemeineren
Volksbildung beſonders nahe ſtehn, daher der Menge verſtaͤnd-
licher ſind, als Solches, ſo ſchon eine gewiſſe Hoͤhe der Bil-
dung vorausſetzt. Waͤre nun die Kunſt unter allen Formen
der geiſtigen Mittheilung die zugaͤnglichſte, weil ihre Darſtel-
lung nicht auf willkuͤhrlichen Zeichen beruht, ſondern auf ur-
ſpruͤnglichen, von Haus aus jedem offenen Sinne verſtaͤndli-
chen; ſo waͤre ſie auch durch ihren Beruf darauf angewieſen,
durch ihren Vortheil aufgefordert, einen wichtigen Theil ihrer
Kraͤfte und Anſtrengungen der Darſtellung populaͤrer, alſo
chriſtlicher Aufgaben zu widmen. Aus fruͤheren Unterſuchun-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/409>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.