Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

scheint, daß man die Leistungen seines früheren und frischeren
Lebens nicht genug von den späteren unterschieden hat, in de-
nen leere Fertigkeit und einseitiges Absehn auf Gewinn vor-
waltet; in welchen vielleicht eben das Schlechtere von hand-
werksmäßigen Gehülfen beschafft seyn mag. Seine frühesten
Arbeiten sind mir unbekannt; hingegen sah ich ein Werk sei-
ner mittleren Jahre, das Gemälde, welches zu Perugia im
Jahre 1819. noch den Hauptaltar der Kirche s. Anna
schmückte, seitdem aber in die Sammlung der Akademie ge-
langt ist. Diese Tafel enthält nach Art des Niccolo di Fu-
ligno
, nächst dem Hauptbilde, der Madonna auf dem Throne,
zu den Seiten s. Augustin und Hieronymus, eine in zwey
Bilder vertheilte Verkündigung, in dem Giebel ein Ecce
homo,
in den Postamenten der abtheilenden Pilaster vier
kleine köstliche Halbfiguren, und ward dem Pinturicchio
im Jahre 1495. den 14. Februar mit umständlicher Angabe
der oben verzeichneten Theile verdungen. Bis auf die Altar-
staffel, deren Heilige ebenfalls aufgegeben worden, enthielt
das Bild, als ich dasselbe untersuchte, alle in jener Verstif-
tungsurkunde vorausbestimmte Abtheilungen.

In keinem Bilde der umbrischen Schulen, nicht einmal
in den besten und frischesten Arbeiten des Pietro, fand ich
das eigenthümlich tiefe und reine Gefühl des Niccolo so
glücklich mit besserer Formenkenntniß und schönerer Manier
verschmolzen, als in den einzelnen Stücken dieser mehrfältig
zusammengesetzten Tafel. Der Kopf der Madonna ist unge-
achtet der Aufmalung einer späteren Hand noch immer schön,
das Christuskind lieblich; die Hll. zu den Seiten lobenswerth,
die Landschaft im Hintergrunde trefflich. In der Verkündi-
gung übertrifft die Madonna sowohl den Engel, als ihr

ſcheint, daß man die Leiſtungen ſeines fruͤheren und friſcheren
Lebens nicht genug von den ſpaͤteren unterſchieden hat, in de-
nen leere Fertigkeit und einſeitiges Abſehn auf Gewinn vor-
waltet; in welchen vielleicht eben das Schlechtere von hand-
werksmaͤßigen Gehuͤlfen beſchafft ſeyn mag. Seine fruͤheſten
Arbeiten ſind mir unbekannt; hingegen ſah ich ein Werk ſei-
ner mittleren Jahre, das Gemaͤlde, welches zu Perugia im
Jahre 1819. noch den Hauptaltar der Kirche ſ. Anna
ſchmuͤckte, ſeitdem aber in die Sammlung der Akademie ge-
langt iſt. Dieſe Tafel enthaͤlt nach Art des Niccolò di Fu-
ligno
, naͤchſt dem Hauptbilde, der Madonna auf dem Throne,
zu den Seiten ſ. Auguſtin und Hieronymus, eine in zwey
Bilder vertheilte Verkuͤndigung, in dem Giebel ein Ecce
homo,
in den Poſtamenten der abtheilenden Pilaſter vier
kleine koͤſtliche Halbfiguren, und ward dem Pinturicchio
im Jahre 1495. den 14. Februar mit umſtaͤndlicher Angabe
der oben verzeichneten Theile verdungen. Bis auf die Altar-
ſtaffel, deren Heilige ebenfalls aufgegeben worden, enthielt
das Bild, als ich daſſelbe unterſuchte, alle in jener Verſtif-
tungsurkunde vorausbeſtimmte Abtheilungen.

In keinem Bilde der umbriſchen Schulen, nicht einmal
in den beſten und friſcheſten Arbeiten des Pietro, fand ich
das eigenthuͤmlich tiefe und reine Gefuͤhl des Niccolò ſo
gluͤcklich mit beſſerer Formenkenntniß und ſchoͤnerer Manier
verſchmolzen, als in den einzelnen Stuͤcken dieſer mehrfaͤltig
zuſammengeſetzten Tafel. Der Kopf der Madonna iſt unge-
achtet der Aufmalung einer ſpaͤteren Hand noch immer ſchoͤn,
das Chriſtuskind lieblich; die Hll. zu den Seiten lobenswerth,
die Landſchaft im Hintergrunde trefflich. In der Verkuͤndi-
gung uͤbertrifft die Madonna ſowohl den Engel, als ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="331"/>
&#x017F;cheint, daß man die Lei&#x017F;tungen &#x017F;eines fru&#x0364;heren und fri&#x017F;cheren<lb/>
Lebens nicht genug von den &#x017F;pa&#x0364;teren unter&#x017F;chieden hat, in de-<lb/>
nen leere Fertigkeit und ein&#x017F;eitiges Ab&#x017F;ehn auf Gewinn vor-<lb/>
waltet; in welchen vielleicht eben das Schlechtere von hand-<lb/>
werksma&#x0364;ßigen Gehu&#x0364;lfen be&#x017F;chafft &#x017F;eyn mag. Seine fru&#x0364;he&#x017F;ten<lb/>
Arbeiten &#x017F;ind mir unbekannt; hingegen &#x017F;ah ich ein Werk &#x017F;ei-<lb/>
ner mittleren Jahre, das Gema&#x0364;lde, welches zu <placeName>Perugia</placeName> im<lb/>
Jahre 1819. noch den Hauptaltar der Kirche &#x017F;. Anna<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;ckte, &#x017F;eitdem aber in die Sammlung der Akademie ge-<lb/>
langt i&#x017F;t. Die&#x017F;e Tafel entha&#x0364;lt nach Art des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129222976">Niccol<hi rendition="#aq">ò</hi> di Fu-<lb/>
ligno</persName>, na&#x0364;ch&#x017F;t dem Hauptbilde, der Madonna auf dem Throne,<lb/>
zu den Seiten &#x017F;. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505114">Augu&#x017F;tin</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118550853">Hieronymus</persName>, eine in zwey<lb/>
Bilder vertheilte Verku&#x0364;ndigung, in dem Giebel ein <hi rendition="#aq">Ecce<lb/>
homo,</hi> in den Po&#x017F;tamenten der abtheilenden Pila&#x017F;ter vier<lb/>
kleine ko&#x0364;&#x017F;tliche Halbfiguren, und ward dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118792261">Pinturicchio</persName><lb/>
im Jahre 1495. den 14. Februar mit um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher Angabe<lb/>
der oben verzeichneten Theile verdungen. Bis auf die Altar-<lb/>
&#x017F;taffel, deren Heilige ebenfalls aufgegeben worden, enthielt<lb/>
das Bild, als ich da&#x017F;&#x017F;elbe unter&#x017F;uchte, alle in jener Ver&#x017F;tif-<lb/>
tungsurkunde vorausbe&#x017F;timmte Abtheilungen.</p><lb/>
          <p>In keinem Bilde der umbri&#x017F;chen Schulen, nicht einmal<lb/>
in den be&#x017F;ten und fri&#x017F;che&#x017F;ten Arbeiten des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName>, fand ich<lb/>
das eigenthu&#x0364;mlich tiefe und reine Gefu&#x0364;hl des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129222976">Niccol<hi rendition="#aq">ò</hi></persName> &#x017F;o<lb/>
glu&#x0364;cklich mit be&#x017F;&#x017F;erer Formenkenntniß und &#x017F;cho&#x0364;nerer Manier<lb/>
ver&#x017F;chmolzen, als in den einzelnen Stu&#x0364;cken die&#x017F;er mehrfa&#x0364;ltig<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Tafel. Der Kopf der Madonna i&#x017F;t unge-<lb/>
achtet der Aufmalung einer &#x017F;pa&#x0364;teren Hand noch immer &#x017F;cho&#x0364;n,<lb/>
das Chri&#x017F;tuskind lieblich; die Hll. zu den Seiten lobenswerth,<lb/>
die Land&#x017F;chaft im Hintergrunde trefflich. In der Verku&#x0364;ndi-<lb/>
gung u&#x0364;bertrifft die Madonna &#x017F;owohl den Engel, als ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0349] ſcheint, daß man die Leiſtungen ſeines fruͤheren und friſcheren Lebens nicht genug von den ſpaͤteren unterſchieden hat, in de- nen leere Fertigkeit und einſeitiges Abſehn auf Gewinn vor- waltet; in welchen vielleicht eben das Schlechtere von hand- werksmaͤßigen Gehuͤlfen beſchafft ſeyn mag. Seine fruͤheſten Arbeiten ſind mir unbekannt; hingegen ſah ich ein Werk ſei- ner mittleren Jahre, das Gemaͤlde, welches zu Perugia im Jahre 1819. noch den Hauptaltar der Kirche ſ. Anna ſchmuͤckte, ſeitdem aber in die Sammlung der Akademie ge- langt iſt. Dieſe Tafel enthaͤlt nach Art des Niccolò di Fu- ligno, naͤchſt dem Hauptbilde, der Madonna auf dem Throne, zu den Seiten ſ. Auguſtin und Hieronymus, eine in zwey Bilder vertheilte Verkuͤndigung, in dem Giebel ein Ecce homo, in den Poſtamenten der abtheilenden Pilaſter vier kleine koͤſtliche Halbfiguren, und ward dem Pinturicchio im Jahre 1495. den 14. Februar mit umſtaͤndlicher Angabe der oben verzeichneten Theile verdungen. Bis auf die Altar- ſtaffel, deren Heilige ebenfalls aufgegeben worden, enthielt das Bild, als ich daſſelbe unterſuchte, alle in jener Verſtif- tungsurkunde vorausbeſtimmte Abtheilungen. In keinem Bilde der umbriſchen Schulen, nicht einmal in den beſten und friſcheſten Arbeiten des Pietro, fand ich das eigenthuͤmlich tiefe und reine Gefuͤhl des Niccolò ſo gluͤcklich mit beſſerer Formenkenntniß und ſchoͤnerer Manier verſchmolzen, als in den einzelnen Stuͤcken dieſer mehrfaͤltig zuſammengeſetzten Tafel. Der Kopf der Madonna iſt unge- achtet der Aufmalung einer ſpaͤteren Hand noch immer ſchoͤn, das Chriſtuskind lieblich; die Hll. zu den Seiten lobenswerth, die Landſchaft im Hintergrunde trefflich. In der Verkuͤndi- gung uͤbertrifft die Madonna ſowohl den Engel, als ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/349
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/349>, abgerufen am 22.11.2024.