ringsum mit wohlvergliedertem Holzwerke bekleidet; dieses giebt bis zum Getäfel der Decke einem Friise Raum, welcher den Genien des Donatello unter der einen Orgel des Domes frey nachgebildet ist. Die Wöchnerin liegt längs der Fensterwand in einem Halbdunkel, da das Licht durch die hochbelegenen klei- nen Fenster über sie hin auf eine Gruppe in das Gemach ein- tretender Weiber fällt, welche nach bekannten Schönheiten der Stadt gemalt und gar sittig und wohl geschmückt sind. Die- sem Bilde gegenüber, dessen geschlossene Lichtwirkung unüber- trefflich gelungen ist, muß man dem Vasari beypflichten, wo er rundhin erklärt, daß Niemand in der Handhabung der Malerey a fresco dem Domenico Ghirlandajo gleichgekom- men sey. Bewundernswürdig modelliren und verschmelzen sich hier die Lichter und Reflexe mit den nahen Halbtönen; un- vergleichlich hielt der Meister hier in den hohen und vollen Lichtern den Localton fest, was diese späteren von seinen frü- heren Arbeiten unterscheidet, in denen, wie wir uns erinnern, die Lichter, obwohl an ihrer Stelle, doch kalt und kreidig an- gedeutet sind.
Das bezeichnete Mauergemälde enthält auch eine urkund- liche Merkwürdigkeit, einige Namen, welche sich auf den Künst- ler zu beziehen scheinen. Denn in ungleicher Höhe und auf ganz verschiedenen Füllungen jener Wandbekleidung liest man: BIGHORDI. = GRILLANDAI. Der römische Heraus- geber des Vasari, welcher seinerseits so viel beygetragen hat, das schöne, nur urkundlicher Berichtigungen bedürftige Buch durch Unausgemachtes, Halbwahres und Falsches zu überhäu- fen, meldet hingegen, daß man auf diesem Bilde Domenico Bigordi lese, worin er dem Ansehn nach dem Baldinucci ge- folgt ist, welcher unseren Domenico, von Tommaso di Cur-
ringsum mit wohlvergliedertem Holzwerke bekleidet; dieſes giebt bis zum Getaͤfel der Decke einem Friiſe Raum, welcher den Genien des Donatello unter der einen Orgel des Domes frey nachgebildet iſt. Die Woͤchnerin liegt laͤngs der Fenſterwand in einem Halbdunkel, da das Licht durch die hochbelegenen klei- nen Fenſter uͤber ſie hin auf eine Gruppe in das Gemach ein- tretender Weiber faͤllt, welche nach bekannten Schoͤnheiten der Stadt gemalt und gar ſittig und wohl geſchmuͤckt ſind. Die- ſem Bilde gegenuͤber, deſſen geſchloſſene Lichtwirkung unuͤber- trefflich gelungen iſt, muß man dem Vaſari beypflichten, wo er rundhin erklaͤrt, daß Niemand in der Handhabung der Malerey a fresco dem Domenico Ghirlandajo gleichgekom- men ſey. Bewundernswuͤrdig modelliren und verſchmelzen ſich hier die Lichter und Reflexe mit den nahen Halbtoͤnen; un- vergleichlich hielt der Meiſter hier in den hohen und vollen Lichtern den Localton feſt, was dieſe ſpaͤteren von ſeinen fruͤ- heren Arbeiten unterſcheidet, in denen, wie wir uns erinnern, die Lichter, obwohl an ihrer Stelle, doch kalt und kreidig an- gedeutet ſind.
Das bezeichnete Mauergemaͤlde enthaͤlt auch eine urkund- liche Merkwuͤrdigkeit, einige Namen, welche ſich auf den Kuͤnſt- ler zu beziehen ſcheinen. Denn in ungleicher Hoͤhe und auf ganz verſchiedenen Fuͤllungen jener Wandbekleidung lieſt man: BIGHORDI. = GRILLANDAI. Der roͤmiſche Heraus- geber des Vaſari, welcher ſeinerſeits ſo viel beygetragen hat, das ſchoͤne, nur urkundlicher Berichtigungen beduͤrftige Buch durch Unausgemachtes, Halbwahres und Falſches zu uͤberhaͤu- fen, meldet hingegen, daß man auf dieſem Bilde Domenico Bigordi leſe, worin er dem Anſehn nach dem Baldinucci ge- folgt iſt, welcher unſeren Domenico, von Tommaſo di Cur-
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ringsum mit wohlvergliedertem Holzwerke bekleidet; dieſes giebt
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nachgebildet iſt. Die Woͤchnerin liegt laͤngs der Fenſterwand
in einem Halbdunkel, da das Licht durch die hochbelegenen klei-
nen Fenſter uͤber ſie hin auf eine Gruppe in das Gemach ein-
tretender Weiber faͤllt, welche nach bekannten Schoͤnheiten der
Stadt gemalt und gar ſittig und wohl geſchmuͤckt ſind. Die-
ſem Bilde gegenuͤber, deſſen geſchloſſene Lichtwirkung unuͤber-
trefflich gelungen iſt, muß man dem Vaſari beypflichten, wo
er rundhin erklaͤrt, daß Niemand in der Handhabung der
Malerey a fresco dem Domenico Ghirlandajo gleichgekom-
men ſey. Bewundernswuͤrdig modelliren und verſchmelzen ſich
hier die Lichter und Reflexe mit den nahen Halbtoͤnen; un-
vergleichlich hielt der Meiſter hier in den hohen und vollen
Lichtern den Localton feſt, was dieſe ſpaͤteren von ſeinen fruͤ-
heren Arbeiten unterſcheidet, in denen, wie wir uns erinnern,
die Lichter, obwohl an ihrer Stelle, doch kalt und kreidig an-
gedeutet ſind.
Das bezeichnete Mauergemaͤlde enthaͤlt auch eine urkund-
liche Merkwuͤrdigkeit, einige Namen, welche ſich auf den Kuͤnſt-
ler zu beziehen ſcheinen. Denn in ungleicher Hoͤhe und auf
ganz verſchiedenen Fuͤllungen jener Wandbekleidung lieſt man:
BIGHORDI. = GRILLANDAI. Der roͤmiſche Heraus-
geber des Vaſari, welcher ſeinerſeits ſo viel beygetragen hat,
das ſchoͤne, nur urkundlicher Berichtigungen beduͤrftige Buch
durch Unausgemachtes, Halbwahres und Falſches zu uͤberhaͤu-
fen, meldet hingegen, daß man auf dieſem Bilde Domenico
Bigordi leſe, worin er dem Anſehn nach dem Baldinucci ge-
folgt iſt, welcher unſeren Domenico, von Tommaſo di Cur-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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