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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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deren Entstehung wir schon bey Benozzo und in den Jugend-
werken des Cosimo und Filippino, wahrgenommen haben,
über alle vorkommende Zweifel. Freylich werden wir beym
Anblick dieser merkwürdigen Arbeiten ausrufen müssen: wohl
der Zeit, in deren Sitten so viel Unbefangenheit und Güte
lag; wohl dem Orte, dessen häuslichen und städtischen Ein-
richtungen so viel Schönheit beywohnte, in welchem Putz,
Bekleidung und übliches sich Stellen und Gehaben so viel
malerischen Reiz besaß. Doch, würden die Künstler sich jemals
haben für eine Gegenwart begeistern können, welche nicht,
gleich jener, ihre Bildung großentheils den künstlerischen Be-
strebungen der vorangegangenen Zeit verdankte? Und, wenn
wir annehmen dürften, daß eben jene, dem höheren Mittel-
alter fremde Milde und Mäßigung der Sitte zum Theil durch
den täglichen Eindruck guter Kunstwerke hervorgebracht wor-
den, so würden wir der Kunst nicht eben vorzuwerfen haben,
daß sie die Sitte, welche aus ihren Anregungen sich hervor-
gebildet, mit Lust gesehen und wiederabgespiegelt hat.

Die Malereyen, welche diese Abschweifung veranlaßten,
erfüllen drey hohe und räumige Mauern, deren jede eine an-
dere Geschichte umfasset. An der etwas dunkelen Fensterseite
sind Ereignisse aus dem Leben der Hll. Domenico und Pietro
Martire
angebracht; in der Nähe besehen, sind diese Darstel-
lungen lebendig und voll Handlung. Zur Rechten in vielen
Abtheilungen, die herkömmlichen Darstellungen aus dem Leben
Johannes des Täufers, zur Linken aber das Leben der Ma-
donna. Unter den Abtheilungen der letztbezeichneten Wand
bildet die Geburt der Jungfrau ein besonders wohl vereinig-
tes Ganze, zugleich eine der anziehendsten Darstellungen des
häuslichen Lebens damaliger Florentiner. Das Gemach ist

deren Entſtehung wir ſchon bey Benozzo und in den Jugend-
werken des Coſimo und Filippino, wahrgenommen haben,
uͤber alle vorkommende Zweifel. Freylich werden wir beym
Anblick dieſer merkwuͤrdigen Arbeiten ausrufen muͤſſen: wohl
der Zeit, in deren Sitten ſo viel Unbefangenheit und Guͤte
lag; wohl dem Orte, deſſen haͤuslichen und ſtaͤdtiſchen Ein-
richtungen ſo viel Schoͤnheit beywohnte, in welchem Putz,
Bekleidung und uͤbliches ſich Stellen und Gehaben ſo viel
maleriſchen Reiz beſaß. Doch, wuͤrden die Kuͤnſtler ſich jemals
haben fuͤr eine Gegenwart begeiſtern koͤnnen, welche nicht,
gleich jener, ihre Bildung großentheils den kuͤnſtleriſchen Be-
ſtrebungen der vorangegangenen Zeit verdankte? Und, wenn
wir annehmen duͤrften, daß eben jene, dem hoͤheren Mittel-
alter fremde Milde und Maͤßigung der Sitte zum Theil durch
den taͤglichen Eindruck guter Kunſtwerke hervorgebracht wor-
den, ſo wuͤrden wir der Kunſt nicht eben vorzuwerfen haben,
daß ſie die Sitte, welche aus ihren Anregungen ſich hervor-
gebildet, mit Luſt geſehen und wiederabgeſpiegelt hat.

Die Malereyen, welche dieſe Abſchweifung veranlaßten,
erfuͤllen drey hohe und raͤumige Mauern, deren jede eine an-
dere Geſchichte umfaſſet. An der etwas dunkelen Fenſterſeite
ſind Ereigniſſe aus dem Leben der Hll. Domenico und Pietro
Martire
angebracht; in der Naͤhe beſehen, ſind dieſe Darſtel-
lungen lebendig und voll Handlung. Zur Rechten in vielen
Abtheilungen, die herkoͤmmlichen Darſtellungen aus dem Leben
Johannes des Taͤufers, zur Linken aber das Leben der Ma-
donna. Unter den Abtheilungen der letztbezeichneten Wand
bildet die Geburt der Jungfrau ein beſonders wohl vereinig-
tes Ganze, zugleich eine der anziehendſten Darſtellungen des
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[283/0301] deren Entſtehung wir ſchon bey Benozzo und in den Jugend- werken des Coſimo und Filippino, wahrgenommen haben, uͤber alle vorkommende Zweifel. Freylich werden wir beym Anblick dieſer merkwuͤrdigen Arbeiten ausrufen muͤſſen: wohl der Zeit, in deren Sitten ſo viel Unbefangenheit und Guͤte lag; wohl dem Orte, deſſen haͤuslichen und ſtaͤdtiſchen Ein- richtungen ſo viel Schoͤnheit beywohnte, in welchem Putz, Bekleidung und uͤbliches ſich Stellen und Gehaben ſo viel maleriſchen Reiz beſaß. Doch, wuͤrden die Kuͤnſtler ſich jemals haben fuͤr eine Gegenwart begeiſtern koͤnnen, welche nicht, gleich jener, ihre Bildung großentheils den kuͤnſtleriſchen Be- ſtrebungen der vorangegangenen Zeit verdankte? Und, wenn wir annehmen duͤrften, daß eben jene, dem hoͤheren Mittel- alter fremde Milde und Maͤßigung der Sitte zum Theil durch den taͤglichen Eindruck guter Kunſtwerke hervorgebracht wor- den, ſo wuͤrden wir der Kunſt nicht eben vorzuwerfen haben, daß ſie die Sitte, welche aus ihren Anregungen ſich hervor- gebildet, mit Luſt geſehen und wiederabgeſpiegelt hat. Die Malereyen, welche dieſe Abſchweifung veranlaßten, erfuͤllen drey hohe und raͤumige Mauern, deren jede eine an- dere Geſchichte umfaſſet. An der etwas dunkelen Fenſterſeite ſind Ereigniſſe aus dem Leben der Hll. Domenico und Pietro Martire angebracht; in der Naͤhe beſehen, ſind dieſe Darſtel- lungen lebendig und voll Handlung. Zur Rechten in vielen Abtheilungen, die herkoͤmmlichen Darſtellungen aus dem Leben Johannes des Taͤufers, zur Linken aber das Leben der Ma- donna. Unter den Abtheilungen der letztbezeichneten Wand bildet die Geburt der Jungfrau ein beſonders wohl vereinig- tes Ganze, zugleich eine der anziehendſten Darſtellungen des haͤuslichen Lebens damaliger Florentiner. Das Gemach iſt

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/301>, abgerufen am 22.11.2024.