damals kaum halbverstandene Formen des Körpers zu thun, wie der Hl. Sebastian des Pollajuolo in der Kappelle Pucci (Vorhof der florentinischen Servitenkirche) an den Tag legt, dessen Vasari mit übertriebenem Lobe erwähnt. Hingegen ge- lang dem Piero del Pollajuolo die Verkündigte der Kappelle s. Jacopo in s. Miniato a Monte, welche nach Angabe des Vasari in Oel gemalt ist, gewiß einen eigenen Ueberzug erhalten hat, da sie einen den Mauergemälden ungewöhnlichen, rauchigen Ton angenommen. Die Kappelle ward, nach der Inschrift im Bogen, den eilften October 1466. eingeweiht; wenn ihre Malereyen damals schon vollendet waren, so dürfte Piero die meisten Maler seiner Zeit in der Auffassung und Durchbil- dung der Formen übertroffen haben. Uebrigens entbehrte er, gleich seinem Bruder und den übrigen Voranbezeichneten so- wohl jener Mannichfaltigkeit malerischer Wahrnehmungen, welche der Schule des Cosimo anheim fiel, als andererseits auch jener Stärke im Ausdruck der Affecte, welche der sinnlich-leidenschaft- liche Fra Filippo auf seinen Schüler, den Sandro Botticelli, fortpflanzte.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gehörte Fra Filippo, den Vasari, obwohl ohne Andeutung seiner Ge- währ, als einen regellos leidenschaftlichen, sinnlich berauschten Menschen schildert, unstreitig zu den bedeutenderen Malern der florentinischen Schule. In seinen Tafeln ist er nicht selten schwach, bisweilen derb und gemein, was nicht immer zur Zartheit seiner Aufgaben stimmt. Doch in seinen größeren Frescomalereyen, wo der Gegenstand häufig Handlung und entschlossenes Wirken begehrte, erwachte seine Seele, war seine Derbheit unter allen Umständen mehr an ihrer Stelle. In der Chorkappelle des Domes zu Spoleto, worin die Geburt
damals kaum halbverſtandene Formen des Koͤrpers zu thun, wie der Hl. Sebaſtian des Pollajuolo in der Kappelle Pucci (Vorhof der florentiniſchen Servitenkirche) an den Tag legt, deſſen Vaſari mit uͤbertriebenem Lobe erwaͤhnt. Hingegen ge- lang dem Piero del Pollajuolo die Verkuͤndigte der Kappelle ſ. Jacopo in ſ. Miniato a Monte, welche nach Angabe des Vaſari in Oel gemalt iſt, gewiß einen eigenen Ueberzug erhalten hat, da ſie einen den Mauergemaͤlden ungewoͤhnlichen, rauchigen Ton angenommen. Die Kappelle ward, nach der Inſchrift im Bogen, den eilften October 1466. eingeweiht; wenn ihre Malereyen damals ſchon vollendet waren, ſo duͤrfte Piero die meiſten Maler ſeiner Zeit in der Auffaſſung und Durchbil- dung der Formen uͤbertroffen haben. Uebrigens entbehrte er, gleich ſeinem Bruder und den uͤbrigen Voranbezeichneten ſo- wohl jener Mannichfaltigkeit maleriſcher Wahrnehmungen, welche der Schule des Coſimo anheim fiel, als andererſeits auch jener Staͤrke im Ausdruck der Affecte, welche der ſinnlich-leidenſchaft- liche Fra Filippo auf ſeinen Schuͤler, den Sandro Botticelli, fortpflanzte.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gehoͤrte Fra Filippo, den Vaſari, obwohl ohne Andeutung ſeiner Ge- waͤhr, als einen regellos leidenſchaftlichen, ſinnlich berauſchten Menſchen ſchildert, unſtreitig zu den bedeutenderen Malern der florentiniſchen Schule. In ſeinen Tafeln iſt er nicht ſelten ſchwach, bisweilen derb und gemein, was nicht immer zur Zartheit ſeiner Aufgaben ſtimmt. Doch in ſeinen groͤßeren Frescomalereyen, wo der Gegenſtand haͤufig Handlung und entſchloſſenes Wirken begehrte, erwachte ſeine Seele, war ſeine Derbheit unter allen Umſtaͤnden mehr an ihrer Stelle. In der Chorkappelle des Domes zu Spoleto, worin die Geburt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0287"n="269"/>
damals kaum halbverſtandene Formen des Koͤrpers zu thun,<lb/>
wie der Hl. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118612492">Sebaſtian</persName> des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118638696">Pollajuolo</persName> in der Kappelle Pucci<lb/>
(Vorhof der florentiniſchen Servitenkirche) an den Tag legt,<lb/>
deſſen <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> mit uͤbertriebenem Lobe erwaͤhnt. Hingegen ge-<lb/>
lang dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118638696">Piero del Pollajuolo</persName> die Verkuͤndigte der Kappelle ſ.<lb/>
Jacopo in ſ. Miniato a Monte, welche nach Angabe des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName><lb/>
in Oel gemalt iſt, gewiß einen eigenen Ueberzug erhalten hat,<lb/>
da ſie einen den Mauergemaͤlden ungewoͤhnlichen, rauchigen<lb/>
Ton angenommen. Die Kappelle ward, nach der Inſchrift<lb/>
im Bogen, den eilften October 1466. eingeweiht; wenn ihre<lb/>
Malereyen damals ſchon vollendet waren, ſo duͤrfte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118638696">Piero</persName> die<lb/>
meiſten Maler ſeiner Zeit in der Auffaſſung und Durchbil-<lb/>
dung der Formen uͤbertroffen haben. Uebrigens entbehrte er,<lb/>
gleich ſeinem Bruder und den uͤbrigen Voranbezeichneten ſo-<lb/>
wohl jener Mannichfaltigkeit maleriſcher Wahrnehmungen, welche<lb/>
der Schule des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119404559">Coſimo</persName> anheim fiel, als andererſeits auch jener<lb/>
Staͤrke im Ausdruck der Affecte, welche der ſinnlich-leidenſchaft-<lb/>
liche <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118728539">Fra Filippo</persName> auf ſeinen Schuͤler, den <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118514008">Sandro Botticelli</persName>,<lb/>
fortpflanzte.</p><lb/><p>Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gehoͤrte<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118728539">Fra Filippo</persName>, den <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, obwohl ohne Andeutung ſeiner Ge-<lb/>
waͤhr, als einen regellos leidenſchaftlichen, ſinnlich berauſchten<lb/>
Menſchen ſchildert, unſtreitig zu den bedeutenderen Malern der<lb/>
florentiniſchen Schule. In ſeinen Tafeln iſt er nicht ſelten<lb/>ſchwach, bisweilen derb und gemein, was nicht immer zur<lb/>
Zartheit ſeiner Aufgaben ſtimmt. Doch in ſeinen groͤßeren<lb/>
Frescomalereyen, wo der Gegenſtand haͤufig Handlung und<lb/>
entſchloſſenes Wirken begehrte, erwachte ſeine Seele, war ſeine<lb/>
Derbheit unter allen Umſtaͤnden mehr an ihrer Stelle. In<lb/>
der Chorkappelle des Domes zu <placeName>Spoleto</placeName>, worin die Geburt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[269/0287]
damals kaum halbverſtandene Formen des Koͤrpers zu thun,
wie der Hl. Sebaſtian des Pollajuolo in der Kappelle Pucci
(Vorhof der florentiniſchen Servitenkirche) an den Tag legt,
deſſen Vaſari mit uͤbertriebenem Lobe erwaͤhnt. Hingegen ge-
lang dem Piero del Pollajuolo die Verkuͤndigte der Kappelle ſ.
Jacopo in ſ. Miniato a Monte, welche nach Angabe des Vaſari
in Oel gemalt iſt, gewiß einen eigenen Ueberzug erhalten hat,
da ſie einen den Mauergemaͤlden ungewoͤhnlichen, rauchigen
Ton angenommen. Die Kappelle ward, nach der Inſchrift
im Bogen, den eilften October 1466. eingeweiht; wenn ihre
Malereyen damals ſchon vollendet waren, ſo duͤrfte Piero die
meiſten Maler ſeiner Zeit in der Auffaſſung und Durchbil-
dung der Formen uͤbertroffen haben. Uebrigens entbehrte er,
gleich ſeinem Bruder und den uͤbrigen Voranbezeichneten ſo-
wohl jener Mannichfaltigkeit maleriſcher Wahrnehmungen, welche
der Schule des Coſimo anheim fiel, als andererſeits auch jener
Staͤrke im Ausdruck der Affecte, welche der ſinnlich-leidenſchaft-
liche Fra Filippo auf ſeinen Schuͤler, den Sandro Botticelli,
fortpflanzte.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhundertes gehoͤrte
Fra Filippo, den Vaſari, obwohl ohne Andeutung ſeiner Ge-
waͤhr, als einen regellos leidenſchaftlichen, ſinnlich berauſchten
Menſchen ſchildert, unſtreitig zu den bedeutenderen Malern der
florentiniſchen Schule. In ſeinen Tafeln iſt er nicht ſelten
ſchwach, bisweilen derb und gemein, was nicht immer zur
Zartheit ſeiner Aufgaben ſtimmt. Doch in ſeinen groͤßeren
Frescomalereyen, wo der Gegenſtand haͤufig Handlung und
entſchloſſenes Wirken begehrte, erwachte ſeine Seele, war ſeine
Derbheit unter allen Umſtaͤnden mehr an ihrer Stelle. In
der Chorkappelle des Domes zu Spoleto, worin die Geburt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.