lano vor seinen Zeitgenossen voraus hatte. Freylich mochte es behaglicher seyn, die hergebrachte giotteske Manier mit größter Fertigkeit auszuüben, als die Richtung, aus welcher sie hervorgegangen, mit Ernst und Entschiedenheit hindurch- zuführen.
Viele, theils namenlose Werke dieser späteren Epoche der (seit Lanzi) sogenannten giottesken Maler haben sich bis auf unsere Zeit erhalten; sie unterscheiden sich von ihrem ältesten Vorbilde durch größere Fertigkeit des Pinsels, durch gewisse faustmäßige Keckheiten, besonders in der Andeutung der Brüche des Gefältes. In dieser Zeit verlor sich manches große Ta- lent in der Leichtigkeit behender Ausfüllung bedeutender Mauer- flächen; auch ein Agnolo Gaddi, welcher in der Chorkappelle der Kirche sta Croce zu Florenz einen ausgezeichneten, obwohl flüchtigen Geist gezeigt, dessen reintechnisches Wollen in der Schrift seines Schülers, des Cennini, sich abgespiegelt hat.
An diesem, gewiß beachtenswerthen Beyspiele werden wir uns versinnlichen können, worin eine ächte, auf Empfäng- lichkeit für das geistig-sittliche Wollen der Vorgänger begrün- dete Befolgung des Hergebrachten von lässiger, zielloser Nach- äffung üblicher Handhabungen sich unterscheide. Wenn diese sich begnügt, Manieren und zufällige Aeußerlichkeiten sich an- zueignen, solche fertig zu handhaben und eben hiedurch sie nothwendig zu verflächen; so wird ächte, tiefbegründete Ehr- furcht vor dem Alterthümlichen dessen einwohnendes Leben in sich aufnehmen; darin verschlossene Keime pflegen und weiter entwickeln; dahin trachten, das Treffliche von seiner, nicht selten unscheinbaren Umhüllung zu befreyen, durch größere Deutlichkeit oder Schönheit der Darstellung gleichsam zu ver- jüngen. In diesem Sinne ergriff der Sieneser Thaddeo Bar-
lano vor ſeinen Zeitgenoſſen voraus hatte. Freylich mochte es behaglicher ſeyn, die hergebrachte giotteske Manier mit groͤßter Fertigkeit auszuuͤben, als die Richtung, aus welcher ſie hervorgegangen, mit Ernſt und Entſchiedenheit hindurch- zufuͤhren.
Viele, theils namenloſe Werke dieſer ſpaͤteren Epoche der (ſeit Lanzi) ſogenannten giottesken Maler haben ſich bis auf unſere Zeit erhalten; ſie unterſcheiden ſich von ihrem aͤlteſten Vorbilde durch groͤßere Fertigkeit des Pinſels, durch gewiſſe fauſtmaͤßige Keckheiten, beſonders in der Andeutung der Bruͤche des Gefaͤltes. In dieſer Zeit verlor ſich manches große Ta- lent in der Leichtigkeit behender Ausfuͤllung bedeutender Mauer- flaͤchen; auch ein Agnolo Gaddi, welcher in der Chorkappelle der Kirche ſta Croce zu Florenz einen ausgezeichneten, obwohl fluͤchtigen Geiſt gezeigt, deſſen reintechniſches Wollen in der Schrift ſeines Schuͤlers, des Cennini, ſich abgeſpiegelt hat.
An dieſem, gewiß beachtenswerthen Beyſpiele werden wir uns verſinnlichen koͤnnen, worin eine aͤchte, auf Empfaͤng- lichkeit fuͤr das geiſtig-ſittliche Wollen der Vorgaͤnger begruͤn- dete Befolgung des Hergebrachten von laͤſſiger, zielloſer Nach- aͤffung uͤblicher Handhabungen ſich unterſcheide. Wenn dieſe ſich begnuͤgt, Manieren und zufaͤllige Aeußerlichkeiten ſich an- zueignen, ſolche fertig zu handhaben und eben hiedurch ſie nothwendig zu verflaͤchen; ſo wird aͤchte, tiefbegruͤndete Ehr- furcht vor dem Alterthuͤmlichen deſſen einwohnendes Leben in ſich aufnehmen; darin verſchloſſene Keime pflegen und weiter entwickeln; dahin trachten, das Treffliche von ſeiner, nicht ſelten unſcheinbaren Umhuͤllung zu befreyen, durch groͤßere Deutlichkeit oder Schoͤnheit der Darſtellung gleichſam zu ver- juͤngen. In dieſem Sinne ergriff der Sieneſer Thaddeo Bar-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0235"n="217"/>
lano vor ſeinen Zeitgenoſſen voraus hatte. Freylich mochte<lb/>
es behaglicher ſeyn, die hergebrachte giotteske Manier mit<lb/>
groͤßter Fertigkeit auszuuͤben, als die Richtung, aus welcher<lb/>ſie hervorgegangen, mit Ernſt und Entſchiedenheit hindurch-<lb/>
zufuͤhren.</p><lb/><p>Viele, theils namenloſe Werke dieſer ſpaͤteren Epoche der<lb/>
(ſeit <persNameref="http://d-nb.info/gnd/17414444X">Lanzi</persName>) ſogenannten giottesken Maler haben ſich bis auf<lb/>
unſere Zeit erhalten; ſie unterſcheiden ſich von ihrem aͤlteſten<lb/>
Vorbilde durch groͤßere Fertigkeit des Pinſels, durch gewiſſe<lb/>
fauſtmaͤßige Keckheiten, beſonders in der Andeutung der Bruͤche<lb/>
des Gefaͤltes. In dieſer Zeit verlor ſich manches große Ta-<lb/>
lent in der Leichtigkeit behender Ausfuͤllung bedeutender Mauer-<lb/>
flaͤchen; auch ein <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118716069">Agnolo Gaddi</persName>, welcher in der Chorkappelle<lb/>
der Kirche ſta Croce zu <placeName>Florenz</placeName> einen ausgezeichneten, obwohl<lb/>
fluͤchtigen Geiſt gezeigt, deſſen reintechniſches Wollen in der<lb/>
Schrift ſeines Schuͤlers, des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/100735797">Cennini</persName>, ſich abgeſpiegelt hat.</p><lb/><p>An dieſem, gewiß beachtenswerthen Beyſpiele werden<lb/>
wir uns verſinnlichen koͤnnen, worin eine aͤchte, auf Empfaͤng-<lb/>
lichkeit fuͤr das geiſtig-ſittliche Wollen der Vorgaͤnger begruͤn-<lb/>
dete Befolgung des Hergebrachten von laͤſſiger, zielloſer Nach-<lb/>
aͤffung uͤblicher Handhabungen ſich unterſcheide. Wenn dieſe<lb/>ſich begnuͤgt, Manieren und zufaͤllige Aeußerlichkeiten ſich an-<lb/>
zueignen, ſolche fertig zu handhaben und eben hiedurch ſie<lb/>
nothwendig zu verflaͤchen; ſo wird aͤchte, tiefbegruͤndete Ehr-<lb/>
furcht vor dem Alterthuͤmlichen deſſen einwohnendes Leben in<lb/>ſich aufnehmen; darin verſchloſſene Keime pflegen und weiter<lb/>
entwickeln; dahin trachten, das Treffliche von ſeiner, nicht<lb/>ſelten unſcheinbaren Umhuͤllung zu befreyen, durch groͤßere<lb/>
Deutlichkeit oder Schoͤnheit der Darſtellung gleichſam zu ver-<lb/>
juͤngen. In dieſem Sinne ergriff der Sieneſer <persNamexml:id="pn5a"ref="http://d-nb.info/gnd/118835734"next="#pn5b">Thaddeo Bar-</persName><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[217/0235]
lano vor ſeinen Zeitgenoſſen voraus hatte. Freylich mochte
es behaglicher ſeyn, die hergebrachte giotteske Manier mit
groͤßter Fertigkeit auszuuͤben, als die Richtung, aus welcher
ſie hervorgegangen, mit Ernſt und Entſchiedenheit hindurch-
zufuͤhren.
Viele, theils namenloſe Werke dieſer ſpaͤteren Epoche der
(ſeit Lanzi) ſogenannten giottesken Maler haben ſich bis auf
unſere Zeit erhalten; ſie unterſcheiden ſich von ihrem aͤlteſten
Vorbilde durch groͤßere Fertigkeit des Pinſels, durch gewiſſe
fauſtmaͤßige Keckheiten, beſonders in der Andeutung der Bruͤche
des Gefaͤltes. In dieſer Zeit verlor ſich manches große Ta-
lent in der Leichtigkeit behender Ausfuͤllung bedeutender Mauer-
flaͤchen; auch ein Agnolo Gaddi, welcher in der Chorkappelle
der Kirche ſta Croce zu Florenz einen ausgezeichneten, obwohl
fluͤchtigen Geiſt gezeigt, deſſen reintechniſches Wollen in der
Schrift ſeines Schuͤlers, des Cennini, ſich abgeſpiegelt hat.
An dieſem, gewiß beachtenswerthen Beyſpiele werden
wir uns verſinnlichen koͤnnen, worin eine aͤchte, auf Empfaͤng-
lichkeit fuͤr das geiſtig-ſittliche Wollen der Vorgaͤnger begruͤn-
dete Befolgung des Hergebrachten von laͤſſiger, zielloſer Nach-
aͤffung uͤblicher Handhabungen ſich unterſcheide. Wenn dieſe
ſich begnuͤgt, Manieren und zufaͤllige Aeußerlichkeiten ſich an-
zueignen, ſolche fertig zu handhaben und eben hiedurch ſie
nothwendig zu verflaͤchen; ſo wird aͤchte, tiefbegruͤndete Ehr-
furcht vor dem Alterthuͤmlichen deſſen einwohnendes Leben in
ſich aufnehmen; darin verſchloſſene Keime pflegen und weiter
entwickeln; dahin trachten, das Treffliche von ſeiner, nicht
ſelten unſcheinbaren Umhuͤllung zu befreyen, durch groͤßere
Deutlichkeit oder Schoͤnheit der Darſtellung gleichſam zu ver-
juͤngen. In dieſem Sinne ergriff der Sieneſer Thaddeo Bar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/235>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.