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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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sich bewegt hatte. Daher vornehmlich erkläre ich mir, daß
Arcagno und andere Meister des vierzehnten Jahrhundertes,
welche in der Richtung des Giotto weiter gestrebt und beson-
ders der menschlichen Gesichtsbildung bis dahin unbenutzte
Züge und Zeichen abgewonnen haben, weder die volle Aner-
kennung, die ihnen gebührte *), noch selbst die Nachfolge fan-

*) S. Franco Sacchetti, nov. 196., wo auf die Frage: "wer
mit Vorbehalt des Giotto (da Giotto in fuori) der größeste Maler
gewesen sey," dieser den Cimabue, jener den Stefano, der dritte
Bernardo, ein anderer den Buffalmacco nennt, wobey es dem Er-
zähler offenbar nicht auf Namen ankommt. Darauf sagt Taddeo
Gaddi
: "gewiß hat es sehr große Künstler gegeben, welche das
Unerreichbare geleistet haben; indeß ist diese Kunst in Abnahme
gerathen und noch immer im Sinken (ma questa arte e venuta e
viene mancando tutto di).
"
Bey so deutlichem Bewußtseyn eines hülflosen Rückschreitens
zeigen sich nirgend Spuren des Nachdenkens über dessen innere Ur-
sachen, oder äußere Veranlassungen. Wie es scheint, ließ man sich
gehn. Die alten Meister mochten auf ihren Lorbeern ruhn und
mit einer gewissen Selbstgefälligkeit auf das Unvermögen ihrer
Nachfolger herabsehn, über das Weiterstreben der Besseren verblen-
det seyn, wie es sich täglich wiederholt.
Ich habe oben (IX.) gezeigt, wie jenes Vorurtheil der Trecen-
tisten gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes in dem städtischen
Patriotismus der Florentiner sich verjüngt habe. Doch versäumte
ich, an ein altes Gedicht zu erinnern, Francesso Lancillotti, Fio-
rentino
, pitt., trattato della pittura etc. (Roma 1508.
und Lettere pit-
toriche To. VI. p. 299.
und 347.) in welchem die Malerey spricht.
Jo era quasi del Mondo fuggita,
Quand' un, che fu in me piu d'altri dotto
Pur mi ritenne, e rendemmi la vita.
Questi fu Fiorentin, questi fu Giotto,
Questo e colui, che m'ha risuscitata,
Quest' ha 'l bel nome mio fra voi ridotto.
Ob übrigens dieser Giotto, den seine florentin. Zeitgenossen
und Nachkommen langezeit für unerreichbar gehalten, jemals jener

ſich bewegt hatte. Daher vornehmlich erklaͤre ich mir, daß
Arcagno und andere Meiſter des vierzehnten Jahrhundertes,
welche in der Richtung des Giotto weiter geſtrebt und beſon-
ders der menſchlichen Geſichtsbildung bis dahin unbenutzte
Zuͤge und Zeichen abgewonnen haben, weder die volle Aner-
kennung, die ihnen gebuͤhrte *), noch ſelbſt die Nachfolge fan-

*) S. Franco Sacchetti, nov. 196., wo auf die Frage: „wer
mit Vorbehalt des Giotto (da Giotto in fuori) der groͤßeſte Maler
geweſen ſey,“ dieſer den Cimabue, jener den Stefano, der dritte
Bernardo, ein anderer den Buffalmacco nennt, wobey es dem Er-
zaͤhler offenbar nicht auf Namen ankommt. Darauf ſagt Taddeo
Gaddi
: „gewiß hat es ſehr große Kuͤnſtler gegeben, welche das
Unerreichbare geleiſtet haben; indeß iſt dieſe Kunſt in Abnahme
gerathen und noch immer im Sinken (ma questa arte é venuta e
viene mancando tutto di).

Bey ſo deutlichem Bewußtſeyn eines huͤlfloſen Ruͤckſchreitens
zeigen ſich nirgend Spuren des Nachdenkens uͤber deſſen innere Ur-
ſachen, oder aͤußere Veranlaſſungen. Wie es ſcheint, ließ man ſich
gehn. Die alten Meiſter mochten auf ihren Lorbeern ruhn und
mit einer gewiſſen Selbſtgefaͤlligkeit auf das Unvermoͤgen ihrer
Nachfolger herabſehn, uͤber das Weiterſtreben der Beſſeren verblen-
det ſeyn, wie es ſich taͤglich wiederholt.
Ich habe oben (IX.) gezeigt, wie jenes Vorurtheil der Trecen-
tiſten gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes in dem ſtaͤdtiſchen
Patriotismus der Florentiner ſich verjuͤngt habe. Doch verſaͤumte
ich, an ein altes Gedicht zu erinnern, Francesso Lancillotti, Fio-
rentino
, pitt., trattato della pittura etc. (Roma 1508.
und Lettere pit-
toriche To. VI. p. 299.
und 347.) in welchem die Malerey ſpricht.
Jo era quasi del Mondo fuggita,
Quand’ un, che fu in me più d’altri dotto
Pur mi ritenne, e rendemmi la vita.
Questi fu Fiorentin, questi fu Giotto,
Questo é colui, che m’ha risuscitata,
Quest’ ha ’l bel nome mio fra voi ridotto.
Ob uͤbrigens dieſer Giotto, den ſeine florentin. Zeitgenoſſen
und Nachkommen langezeit fuͤr unerreichbar gehalten, jemals jener
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[215/0233] ſich bewegt hatte. Daher vornehmlich erklaͤre ich mir, daß Arcagno und andere Meiſter des vierzehnten Jahrhundertes, welche in der Richtung des Giotto weiter geſtrebt und beſon- ders der menſchlichen Geſichtsbildung bis dahin unbenutzte Zuͤge und Zeichen abgewonnen haben, weder die volle Aner- kennung, die ihnen gebuͤhrte *), noch ſelbſt die Nachfolge fan- *) S. Franco Sacchetti, nov. 196., wo auf die Frage: „wer mit Vorbehalt des Giotto (da Giotto in fuori) der groͤßeſte Maler geweſen ſey,“ dieſer den Cimabue, jener den Stefano, der dritte Bernardo, ein anderer den Buffalmacco nennt, wobey es dem Er- zaͤhler offenbar nicht auf Namen ankommt. Darauf ſagt Taddeo Gaddi: „gewiß hat es ſehr große Kuͤnſtler gegeben, welche das Unerreichbare geleiſtet haben; indeß iſt dieſe Kunſt in Abnahme gerathen und noch immer im Sinken (ma questa arte é venuta e viene mancando tutto di).“ Bey ſo deutlichem Bewußtſeyn eines huͤlfloſen Ruͤckſchreitens zeigen ſich nirgend Spuren des Nachdenkens uͤber deſſen innere Ur- ſachen, oder aͤußere Veranlaſſungen. Wie es ſcheint, ließ man ſich gehn. Die alten Meiſter mochten auf ihren Lorbeern ruhn und mit einer gewiſſen Selbſtgefaͤlligkeit auf das Unvermoͤgen ihrer Nachfolger herabſehn, uͤber das Weiterſtreben der Beſſeren verblen- det ſeyn, wie es ſich taͤglich wiederholt. Ich habe oben (IX.) gezeigt, wie jenes Vorurtheil der Trecen- tiſten gegen Ende des funfzehnten Jahrhundertes in dem ſtaͤdtiſchen Patriotismus der Florentiner ſich verjuͤngt habe. Doch verſaͤumte ich, an ein altes Gedicht zu erinnern, Francesso Lancillotti, Fio- rentino, pitt., trattato della pittura etc. (Roma 1508. und Lettere pit- toriche To. VI. p. 299. und 347.) in welchem die Malerey ſpricht. Jo era quasi del Mondo fuggita, Quand’ un, che fu in me più d’altri dotto Pur mi ritenne, e rendemmi la vita. Questi fu Fiorentin, questi fu Giotto, Questo é colui, che m’ha risuscitata, Quest’ ha ’l bel nome mio fra voi ridotto. Ob uͤbrigens dieſer Giotto, den ſeine florentin. Zeitgenoſſen und Nachkommen langezeit fuͤr unerreichbar gehalten, jemals jener

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/233>, abgerufen am 24.11.2024.