Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

zur florentinischen desselben Zeitraumes in ein helleres Licht
zu setzen.

Obwohl Vasari in dem Abschnitte, den er das Leben
des Duccio genannt, ganz ungewöhnlich enthaltsam ist und
kaum über die Andeutungen des Ghiberti hinausgeht, *)
so entschlüpften ihm doch selbst an dieser Stelle einige erweis-
lich unbegründete Angaben, welche er entweder von Anderen
entlehnt, oder aus eigenen Vermuthungen hervorgesponnen hat.

Unter den Versäumnissen und Mißgriffen der Geschichts-
forscher sind diejenigen, welche nur ein Einzelnes angehn, meist
von geringem Belang; wichtig und folgenreich aber nur solche,
welche in allgemeinere Verhältnisse eingreifen, die Zeitfolge der
größeren Abstufungen im Fortschritte menschlicher Anliegenhei-
ten in Verwirrung bringen, und falsche Voraussetzungen ein-
führen. Zu letzteren gehöret die von allen Neueren gläubig
nachgeschriebene Angabe des Vasari: daß Duccio **) jene
Fußbodenverzierungen aus mehrfarbigem Marmor erfunden
habe, welche zu den Merkwürdigkeiten des sienesischen Domes
gehören.

Aus verschiedenfarbigem Marmor musivische Muster zu-
sammenpassen, den Umriß menschlicher oder thierischer Gestal-
ten durch dunkleres Gestein auf hellerem Grunde ausfüllen,
war seit den ältesten Zeiten bekannt, und seit dem eilften
Jahrhundert, wie Vasari sich erinnern mußte, in Toscana so

*) S. Vas. vita di Duccio. (Ed. c. p. 204.) wo: in questa ta-
vola secondoche scrive Lorenzo di Bartolo Ghiberti etc.
**) Vas. l. c. -- havendo nei pavimenti del Duomo di Siena
dato principio ai rimessi di marmo delle figure di chiaro e seuro
--
und weiter unten: Egli di sua mano imitando le pitture di
chiaroscuro
ordino e disegno i principj di detto pavimento
.

zur florentiniſchen deſſelben Zeitraumes in ein helleres Licht
zu ſetzen.

Obwohl Vaſari in dem Abſchnitte, den er das Leben
des Duccio genannt, ganz ungewoͤhnlich enthaltſam iſt und
kaum uͤber die Andeutungen des Ghiberti hinausgeht, *)
ſo entſchluͤpften ihm doch ſelbſt an dieſer Stelle einige erweis-
lich unbegruͤndete Angaben, welche er entweder von Anderen
entlehnt, oder aus eigenen Vermuthungen hervorgeſponnen hat.

Unter den Verſaͤumniſſen und Mißgriffen der Geſchichts-
forſcher ſind diejenigen, welche nur ein Einzelnes angehn, meiſt
von geringem Belang; wichtig und folgenreich aber nur ſolche,
welche in allgemeinere Verhaͤltniſſe eingreifen, die Zeitfolge der
groͤßeren Abſtufungen im Fortſchritte menſchlicher Anliegenhei-
ten in Verwirrung bringen, und falſche Vorausſetzungen ein-
fuͤhren. Zu letzteren gehoͤret die von allen Neueren glaͤubig
nachgeſchriebene Angabe des Vaſari: daß Duccio **) jene
Fußbodenverzierungen aus mehrfarbigem Marmor erfunden
habe, welche zu den Merkwuͤrdigkeiten des ſieneſiſchen Domes
gehoͤren.

Aus verſchiedenfarbigem Marmor muſiviſche Muſter zu-
ſammenpaſſen, den Umriß menſchlicher oder thieriſcher Geſtal-
ten durch dunkleres Geſtein auf hellerem Grunde ausfuͤllen,
war ſeit den aͤlteſten Zeiten bekannt, und ſeit dem eilften
Jahrhundert, wie Vaſari ſich erinnern mußte, in Toscana ſo

*) S. Vas. vita di Duccio. (Ed. c. p. 204.) wo: in questa ta-
vola secondoché scrive Lorenzo di Bartolo Ghiberti etc.
**) Vas. l. c. — havendo nei pavimenti del Duomo di Siena
dato principio ai rimessi di marmo delle figure di chiaro e seuro

und weiter unten: Egli di sua mano imitando le pitture di
chiaroscuro
ordinò e disegnò i principj di detto pavimento
.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="5"/>
zur florentini&#x017F;chen de&#x017F;&#x017F;elben Zeitraumes in ein helleres Licht<lb/>
zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Obwohl <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName></hi> in dem Ab&#x017F;chnitte, den er das Leben<lb/>
des <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118527711">Duccio</persName></hi> genannt, ganz ungewo&#x0364;hnlich enthalt&#x017F;am i&#x017F;t und<lb/>
kaum u&#x0364;ber die Andeutungen des <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName></hi> hinausgeht, <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq">Vas. vita di <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118527711">Duccio</persName>. (Ed. c. p.</hi> 204.) wo: <hi rendition="#aq">in questa ta-<lb/>
vola secondoché scrive <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Lorenzo di Bartolo Ghiberti</persName> etc.</hi></note><lb/>
&#x017F;o ent&#x017F;chlu&#x0364;pften ihm doch &#x017F;elb&#x017F;t an die&#x017F;er Stelle einige erweis-<lb/>
lich unbegru&#x0364;ndete Angaben, welche er entweder von Anderen<lb/>
entlehnt, oder aus eigenen Vermuthungen hervorge&#x017F;ponnen hat.</p><lb/>
          <p>Unter den Ver&#x017F;a&#x0364;umni&#x017F;&#x017F;en und Mißgriffen der Ge&#x017F;chichts-<lb/>
for&#x017F;cher &#x017F;ind diejenigen, welche nur ein Einzelnes angehn, mei&#x017F;t<lb/>
von geringem Belang; wichtig und folgenreich aber nur &#x017F;olche,<lb/>
welche in allgemeinere Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e eingreifen, die Zeitfolge der<lb/>
gro&#x0364;ßeren Ab&#x017F;tufungen im Fort&#x017F;chritte men&#x017F;chlicher Anliegenhei-<lb/>
ten in Verwirrung bringen, und fal&#x017F;che Voraus&#x017F;etzungen ein-<lb/>
fu&#x0364;hren. Zu letzteren geho&#x0364;ret die von allen Neueren gla&#x0364;ubig<lb/>
nachge&#x017F;chriebene Angabe des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName>: daß <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118527711">Duccio</persName></hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Vas. l. c. &#x2014; havendo nei pavimenti del Duomo di <placeName>Siena</placeName><lb/>
dato principio ai rimessi di marmo delle figure di chiaro e seuro</hi> &#x2014;<lb/>
und weiter unten: <hi rendition="#aq">Egli di sua mano <hi rendition="#g">imitando le pitture di<lb/>
chiaroscuro</hi> ordinò e disegnò i principj di detto pavimento</hi>.</note> jene<lb/>
Fußbodenverzierungen aus mehrfarbigem Marmor erfunden<lb/>
habe, welche zu den Merkwu&#x0364;rdigkeiten des &#x017F;iene&#x017F;i&#x017F;chen Domes<lb/>
geho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Aus ver&#x017F;chiedenfarbigem Marmor mu&#x017F;ivi&#x017F;che Mu&#x017F;ter zu-<lb/>
&#x017F;ammenpa&#x017F;&#x017F;en, den Umriß men&#x017F;chlicher oder thieri&#x017F;cher Ge&#x017F;tal-<lb/>
ten durch dunkleres Ge&#x017F;tein auf hellerem Grunde ausfu&#x0364;llen,<lb/>
war &#x017F;eit den a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten bekannt, und &#x017F;eit dem eilften<lb/>
Jahrhundert, wie <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> &#x017F;ich erinnern mußte, in <placeName>Toscana</placeName> &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0023] zur florentiniſchen deſſelben Zeitraumes in ein helleres Licht zu ſetzen. Obwohl Vaſari in dem Abſchnitte, den er das Leben des Duccio genannt, ganz ungewoͤhnlich enthaltſam iſt und kaum uͤber die Andeutungen des Ghiberti hinausgeht, *) ſo entſchluͤpften ihm doch ſelbſt an dieſer Stelle einige erweis- lich unbegruͤndete Angaben, welche er entweder von Anderen entlehnt, oder aus eigenen Vermuthungen hervorgeſponnen hat. Unter den Verſaͤumniſſen und Mißgriffen der Geſchichts- forſcher ſind diejenigen, welche nur ein Einzelnes angehn, meiſt von geringem Belang; wichtig und folgenreich aber nur ſolche, welche in allgemeinere Verhaͤltniſſe eingreifen, die Zeitfolge der groͤßeren Abſtufungen im Fortſchritte menſchlicher Anliegenhei- ten in Verwirrung bringen, und falſche Vorausſetzungen ein- fuͤhren. Zu letzteren gehoͤret die von allen Neueren glaͤubig nachgeſchriebene Angabe des Vaſari: daß Duccio **) jene Fußbodenverzierungen aus mehrfarbigem Marmor erfunden habe, welche zu den Merkwuͤrdigkeiten des ſieneſiſchen Domes gehoͤren. Aus verſchiedenfarbigem Marmor muſiviſche Muſter zu- ſammenpaſſen, den Umriß menſchlicher oder thieriſcher Geſtal- ten durch dunkleres Geſtein auf hellerem Grunde ausfuͤllen, war ſeit den aͤlteſten Zeiten bekannt, und ſeit dem eilften Jahrhundert, wie Vaſari ſich erinnern mußte, in Toscana ſo *) S. Vas. vita di Duccio. (Ed. c. p. 204.) wo: in questa ta- vola secondoché scrive Lorenzo di Bartolo Ghiberti etc. **) Vas. l. c. — havendo nei pavimenti del Duomo di Siena dato principio ai rimessi di marmo delle figure di chiaro e seuro — und weiter unten: Egli di sua mano imitando le pitture di chiaroscuro ordinò e disegnò i principj di detto pavimento.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/23
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/23>, abgerufen am 24.11.2024.