zogene Actenstück ihn nicht nennt, höchst wahrscheinlich dem sienesischen Gemeinwesen fremd war. In dieser Stadt hatte der neue florentinische Geschmack bis um die Mitte des funf- zehnten Jahrhundertes den gothischen noch nicht so ganz un- terdrücken können. In den Bildnerarbeiten des Jacob della Guercia, in den Pfeilern der Loggia di san Paolo und in anderen, nach damaligem Stande des Gemeinwohles, wenig bedeutenden Unternehmungen dieser Zeit mischt sich der neu- aufkommende antike Stoff noch durchhin mit gothischen Re- miniscenzen. Nachdem die Richtung des Brunellesco endlich auch Siena ergriffen hatte, bildeten sich, doch immer um De- cennien später, als die Bauwerke Pius II., einige Baumeister in der neueren Manier. Doch blieben auch diese bis auf den Baldassare Peruzzi in den Verhältnissen ungleich willkührlicher, als die Florentiner. Der Palast Spannocchi in der Haupt- straße, ein kleinerer in der Gegend des römischen Thores, scheinen dem Hause der Katharina Piccoluomini nachgeahmt zu seyn. Hingegen giebt es zu Siena und in dessen Gebiete viele in Backstein ausgeführte Gebäude von einem nur dieser Ge- gend eigenthümlichen Charakter. Dahin gehört das Haus Bartali in der Hauptstraße, die Kappelle neben dem Palazzo de' Turchi vor dem florentinischen Thore, das Kloster Monte Uliveto maggiore bey Chiusuri und Anderes. Diese Gebäude zeigen in ihren Thür- und Fensteröffnungen eine größere Breite und Niedrigkeit der Anlage, als überhaupt lobenswerth ist, und unterscheiden sich hiedurch insbesondere von den florenti- nischen Bauwerken des funfzehnten Jahrhundertes, bei denen schlanke Verhältnisse beliebt waren. Mit Sicherheit kann ich von keinem einzigen dieser eigenthümlich sienesischen Bauwerke den Meister angeben; doch werden sie wahrscheinlich dem Coz-
zogene Actenſtuͤck ihn nicht nennt, hoͤchſt wahrſcheinlich dem ſieneſiſchen Gemeinweſen fremd war. In dieſer Stadt hatte der neue florentiniſche Geſchmack bis um die Mitte des funf- zehnten Jahrhundertes den gothiſchen noch nicht ſo ganz un- terdruͤcken koͤnnen. In den Bildnerarbeiten des Jacob della Guercia, in den Pfeilern der Loggia di ſan Paolo und in anderen, nach damaligem Stande des Gemeinwohles, wenig bedeutenden Unternehmungen dieſer Zeit miſcht ſich der neu- aufkommende antike Stoff noch durchhin mit gothiſchen Re- miniscenzen. Nachdem die Richtung des Brunellesco endlich auch Siena ergriffen hatte, bildeten ſich, doch immer um De- cennien ſpaͤter, als die Bauwerke Pius II., einige Baumeiſter in der neueren Manier. Doch blieben auch dieſe bis auf den Baldaſſare Peruzzi in den Verhaͤltniſſen ungleich willkuͤhrlicher, als die Florentiner. Der Palaſt Spannocchi in der Haupt- ſtraße, ein kleinerer in der Gegend des roͤmiſchen Thores, ſcheinen dem Hauſe der Katharina Piccoluomini nachgeahmt zu ſeyn. Hingegen giebt es zu Siena und in deſſen Gebiete viele in Backſtein ausgefuͤhrte Gebaͤude von einem nur dieſer Ge- gend eigenthuͤmlichen Charakter. Dahin gehoͤrt das Haus Bartali in der Hauptſtraße, die Kappelle neben dem Palazzo de’ Turchi vor dem florentiniſchen Thore, das Kloſter Monte Uliveto maggiore bey Chiuſuri und Anderes. Dieſe Gebaͤude zeigen in ihren Thuͤr- und Fenſteroͤffnungen eine groͤßere Breite und Niedrigkeit der Anlage, als uͤberhaupt lobenswerth iſt, und unterſcheiden ſich hiedurch insbeſondere von den florenti- niſchen Bauwerken des funfzehnten Jahrhundertes, bei denen ſchlanke Verhaͤltniſſe beliebt waren. Mit Sicherheit kann ich von keinem einzigen dieſer eigenthuͤmlich ſieneſiſchen Bauwerke den Meiſter angeben; doch werden ſie wahrſcheinlich dem Coz-
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zogene Actenſtuͤck ihn nicht nennt, hoͤchſt wahrſcheinlich dem
ſieneſiſchen Gemeinweſen fremd war. In dieſer Stadt hatte
der neue florentiniſche Geſchmack bis um die Mitte des funf-
zehnten Jahrhundertes den gothiſchen noch nicht ſo ganz un-
terdruͤcken koͤnnen. In den Bildnerarbeiten des Jacob della
Guercia, in den Pfeilern der Loggia di ſan Paolo und in
anderen, nach damaligem Stande des Gemeinwohles, wenig
bedeutenden Unternehmungen dieſer Zeit miſcht ſich der neu-
aufkommende antike Stoff noch durchhin mit gothiſchen Re-
miniscenzen. Nachdem die Richtung des Brunellesco endlich
auch Siena ergriffen hatte, bildeten ſich, doch immer um De-
cennien ſpaͤter, als die Bauwerke Pius II., einige Baumeiſter
in der neueren Manier. Doch blieben auch dieſe bis auf den
Baldaſſare Peruzzi in den Verhaͤltniſſen ungleich willkuͤhrlicher,
als die Florentiner. Der Palaſt Spannocchi in der Haupt-
ſtraße, ein kleinerer in der Gegend des roͤmiſchen Thores,
ſcheinen dem Hauſe der Katharina Piccoluomini nachgeahmt zu
ſeyn. Hingegen giebt es zu Siena und in deſſen Gebiete viele
in Backſtein ausgefuͤhrte Gebaͤude von einem nur dieſer Ge-
gend eigenthuͤmlichen Charakter. Dahin gehoͤrt das Haus
Bartali in der Hauptſtraße, die Kappelle neben dem Palazzo
de’ Turchi vor dem florentiniſchen Thore, das Kloſter Monte
Uliveto maggiore bey Chiuſuri und Anderes. Dieſe Gebaͤude
zeigen in ihren Thuͤr- und Fenſteroͤffnungen eine groͤßere Breite
und Niedrigkeit der Anlage, als uͤberhaupt lobenswerth iſt,
und unterſcheiden ſich hiedurch insbeſondere von den florenti-
niſchen Bauwerken des funfzehnten Jahrhundertes, bei denen
ſchlanke Verhaͤltniſſe beliebt waren. Mit Sicherheit kann ich
von keinem einzigen dieſer eigenthuͤmlich ſieneſiſchen Bauwerke
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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