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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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gegen haben wir oben gesehen, daß Francesco erst nach dem
Jahre 1475 in die Dienste dieses Fürsten eingetreten ist. Die-
ser letzte aber hinterließ seinen Palast vollendet, als er 1482.
das Zeitliche gesegnete. Wenn nun diese Zeitangaben auf der
einen Seite sehr wohl zulassen, daß Francesco, wie er selbst
angiebt, den Bau durch einen Marstall -- nach der Beschrei-
bung vielmehr durch eine Caserne für die Reiterey des Her-
zogs -- ergänzte, so schließen sie doch die Möglichkeit aus,
daß er den Palast selbst erbaut habe. Allein selbst von die-
sen Gründen abgesehen, fehlt es auch hier, eben wie zu Pienza,
nicht an berühmten Künstlern, welche jenen Bau in Anspruch
nehmen, deren Wirksamkeit ungleich genauer mit der Zeit des
Baues selbst zusammentrifft. Der eine ist ein gewisser Lu-
cian
, aus Laurana in Dalmatien, der auch sonst als Ma-
ler und Baukünstler Ruhm erworben hat. Baldi *) behaup-
tet das Diplom gesehen zu haben, welches Herzog Friedrich
diesem Lucian mit ausdrücklicher Beziehung auf den Bau sei-
nes Palastes ausgestellt hatte. Der andere ist Baccio Pon-
tello
, bey Vasari: Pintelli, dessen Grabschrift in der
Kirche S. Domenico zu Urbino, wie Baldi behauptet, seiner
Mitwirkung zum Baue des herzoglichen Palastes erwähnt.
Beide Nachrichten, welche doch nicht wohl ersonnen seyn kön-
nen, weil sie so speciell sind, und weil hier gar keine Ursache
des Betruges ersinnlich ist, lassen sich sehr gut vereinigen.
Denn bey so großen Bauunternehmungen ist es nicht unge-
wöhnlich, daß verschiedene Meister einander in der Leitung
des Baues nachfolgen; wir haben oben gesehen, daß selbst
dem Francesco di Giorgio noch ein Zusatz zum Hauptgebäude

*) A. a. O.

gegen haben wir oben geſehen, daß Francesco erſt nach dem
Jahre 1475 in die Dienſte dieſes Fuͤrſten eingetreten iſt. Die-
ſer letzte aber hinterließ ſeinen Palaſt vollendet, als er 1482.
das Zeitliche geſegnete. Wenn nun dieſe Zeitangaben auf der
einen Seite ſehr wohl zulaſſen, daß Francesco, wie er ſelbſt
angiebt, den Bau durch einen Marſtall — nach der Beſchrei-
bung vielmehr durch eine Caſerne fuͤr die Reiterey des Her-
zogs — ergaͤnzte, ſo ſchließen ſie doch die Moͤglichkeit aus,
daß er den Palaſt ſelbſt erbaut habe. Allein ſelbſt von die-
ſen Gruͤnden abgeſehen, fehlt es auch hier, eben wie zu Pienza,
nicht an beruͤhmten Kuͤnſtlern, welche jenen Bau in Anſpruch
nehmen, deren Wirkſamkeit ungleich genauer mit der Zeit des
Baues ſelbſt zuſammentrifft. Der eine iſt ein gewiſſer Lu-
cian
, aus Laurana in Dalmatien, der auch ſonſt als Ma-
ler und Baukuͤnſtler Ruhm erworben hat. Baldi *) behaup-
tet das Diplom geſehen zu haben, welches Herzog Friedrich
dieſem Lucian mit ausdruͤcklicher Beziehung auf den Bau ſei-
nes Palaſtes ausgeſtellt hatte. Der andere iſt Baccio Pon-
tello
, bey Vaſari: Pintelli, deſſen Grabſchrift in der
Kirche S. Domenico zu Urbino, wie Baldi behauptet, ſeiner
Mitwirkung zum Baue des herzoglichen Palaſtes erwaͤhnt.
Beide Nachrichten, welche doch nicht wohl erſonnen ſeyn koͤn-
nen, weil ſie ſo ſpeciell ſind, und weil hier gar keine Urſache
des Betruges erſinnlich iſt, laſſen ſich ſehr gut vereinigen.
Denn bey ſo großen Bauunternehmungen iſt es nicht unge-
woͤhnlich, daß verſchiedene Meiſter einander in der Leitung
des Baues nachfolgen; wir haben oben geſehen, daß ſelbſt
dem Francesco di Giorgio noch ein Zuſatz zum Hauptgebaͤude

*) A. a. O.
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[190/0208] gegen haben wir oben geſehen, daß Francesco erſt nach dem Jahre 1475 in die Dienſte dieſes Fuͤrſten eingetreten iſt. Die- ſer letzte aber hinterließ ſeinen Palaſt vollendet, als er 1482. das Zeitliche geſegnete. Wenn nun dieſe Zeitangaben auf der einen Seite ſehr wohl zulaſſen, daß Francesco, wie er ſelbſt angiebt, den Bau durch einen Marſtall — nach der Beſchrei- bung vielmehr durch eine Caſerne fuͤr die Reiterey des Her- zogs — ergaͤnzte, ſo ſchließen ſie doch die Moͤglichkeit aus, daß er den Palaſt ſelbſt erbaut habe. Allein ſelbſt von die- ſen Gruͤnden abgeſehen, fehlt es auch hier, eben wie zu Pienza, nicht an beruͤhmten Kuͤnſtlern, welche jenen Bau in Anſpruch nehmen, deren Wirkſamkeit ungleich genauer mit der Zeit des Baues ſelbſt zuſammentrifft. Der eine iſt ein gewiſſer Lu- cian, aus Laurana in Dalmatien, der auch ſonſt als Ma- ler und Baukuͤnſtler Ruhm erworben hat. Baldi *) behaup- tet das Diplom geſehen zu haben, welches Herzog Friedrich dieſem Lucian mit ausdruͤcklicher Beziehung auf den Bau ſei- nes Palaſtes ausgeſtellt hatte. Der andere iſt Baccio Pon- tello, bey Vaſari: Pintelli, deſſen Grabſchrift in der Kirche S. Domenico zu Urbino, wie Baldi behauptet, ſeiner Mitwirkung zum Baue des herzoglichen Palaſtes erwaͤhnt. Beide Nachrichten, welche doch nicht wohl erſonnen ſeyn koͤn- nen, weil ſie ſo ſpeciell ſind, und weil hier gar keine Urſache des Betruges erſinnlich iſt, laſſen ſich ſehr gut vereinigen. Denn bey ſo großen Bauunternehmungen iſt es nicht unge- woͤhnlich, daß verſchiedene Meiſter einander in der Leitung des Baues nachfolgen; wir haben oben geſehen, daß ſelbſt dem Francesco di Giorgio noch ein Zuſatz zum Hauptgebaͤude *) A. a. O.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/208>, abgerufen am 27.11.2024.