nach seiner Vaterstadt Mayland zurückgehn, um dort sein Leben zu beschließen; er deutete demnach den zweyten und ab- hängigen Namen nicht, wie es näher liegt, auf den Vater, sondern auf die Vaterstadt. Seine Deutung erhält durch die Inschrift einer kleinen Tafel Wahrscheinlichkeit, welche vor einigen Jahren in der Gallerie der florentinischen Academie, vielmehr im Magazin derselben, im Kloster sta Caterina (sala delle macehine) gezeigt wurde. Am Sockel dieses Gemäl- des lieset man in zierlich auf rothem Grunde mit Gold ge- zeichneten, gothischen Buchstaben:
Jo Giovanni da Melano depinsi questa tavola in MCCCLXV.
Das Wörtchen da (aus, von-her) läßt sich nach der Regel allerdings nur auf das Vaterland des Künstlers deu- ten; doch ist andererseits zu erwägen, daß Melano und Mi- lano auch persönliche Namen sind, die Künstler aber, beson- ders zu jener Zeit, die Sprache meist ziemlich willkührlich be- handelt haben.
Wäre es ausgemacht, daß Giovanni aus Mayland ge- bürtig war, so würde ich geneigt seyn, die Vollendung und Zierlichkeit seiner Manier aus einer möglichen Berührung mit den niederdeutschen Malern des vierzehnten Jahrhundertes ab- zuleiten, welche, da Johannes und Hubert van Eyck aus ihren Schulen hervorgegangen sind, höchst wahrscheinlich schon da- mals die gleichzeitigen Italiener in technischen Vorzügen über- troffen haben. *)
*) Allerdings sind die Vorgänger jener größesten Maler ihrer Zeit fast unbekannt. Die ältesten Denkmale sind durch die leb- hafte Betriebsamkeit der Künstler des funfzehnten und sechzehnten Jahrhundertes beynahe verdrängt worden, oder durch den Bilder-
nach ſeiner Vaterſtadt Mayland zuruͤckgehn, um dort ſein Leben zu beſchließen; er deutete demnach den zweyten und ab- haͤngigen Namen nicht, wie es naͤher liegt, auf den Vater, ſondern auf die Vaterſtadt. Seine Deutung erhaͤlt durch die Inſchrift einer kleinen Tafel Wahrſcheinlichkeit, welche vor einigen Jahren in der Gallerie der florentiniſchen Academie, vielmehr im Magazin derſelben, im Kloſter ſta Caterina (sala delle macehine) gezeigt wurde. Am Sockel dieſes Gemaͤl- des lieſet man in zierlich auf rothem Grunde mit Gold ge- zeichneten, gothiſchen Buchſtaben:
Jo Giovanni da Melano depinsi questa tavola in MCCCLXV.
Das Woͤrtchen da (aus, von-her) laͤßt ſich nach der Regel allerdings nur auf das Vaterland des Kuͤnſtlers deu- ten; doch iſt andererſeits zu erwaͤgen, daß Melano und Mi- lano auch perſoͤnliche Namen ſind, die Kuͤnſtler aber, beſon- ders zu jener Zeit, die Sprache meiſt ziemlich willkuͤhrlich be- handelt haben.
Waͤre es ausgemacht, daß Giovanni aus Mayland ge- buͤrtig war, ſo wuͤrde ich geneigt ſeyn, die Vollendung und Zierlichkeit ſeiner Manier aus einer moͤglichen Beruͤhrung mit den niederdeutſchen Malern des vierzehnten Jahrhundertes ab- zuleiten, welche, da Johannes und Hubert van Eyck aus ihren Schulen hervorgegangen ſind, hoͤchſt wahrſcheinlich ſchon da- mals die gleichzeitigen Italiener in techniſchen Vorzuͤgen uͤber- troffen haben. *)
*) Allerdings ſind die Vorgaͤnger jener groͤßeſten Maler ihrer Zeit faſt unbekannt. Die aͤlteſten Denkmale ſind durch die leb- hafte Betriebſamkeit der Kuͤnſtler des funfzehnten und ſechzehnten Jahrhundertes beynahe verdraͤngt worden, oder durch den Bilder-
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nach ſeiner Vaterſtadt Mayland zuruͤckgehn, um dort ſein
Leben zu beſchließen; er deutete demnach den zweyten und ab-
haͤngigen Namen nicht, wie es naͤher liegt, auf den Vater,
ſondern auf die Vaterſtadt. Seine Deutung erhaͤlt durch die
Inſchrift einer kleinen Tafel Wahrſcheinlichkeit, welche vor
einigen Jahren in der Gallerie der florentiniſchen Academie,
vielmehr im Magazin derſelben, im Kloſter ſta Caterina (sala
delle macehine) gezeigt wurde. Am Sockel dieſes Gemaͤl-
des lieſet man in zierlich auf rothem Grunde mit Gold ge-
zeichneten, gothiſchen Buchſtaben:
Jo Giovanni da Melano depinsi questa tavola in
MCCCLXV.
Das Woͤrtchen da (aus, von-her) laͤßt ſich nach der
Regel allerdings nur auf das Vaterland des Kuͤnſtlers deu-
ten; doch iſt andererſeits zu erwaͤgen, daß Melano und Mi-
lano auch perſoͤnliche Namen ſind, die Kuͤnſtler aber, beſon-
ders zu jener Zeit, die Sprache meiſt ziemlich willkuͤhrlich be-
handelt haben.
Waͤre es ausgemacht, daß Giovanni aus Mayland ge-
buͤrtig war, ſo wuͤrde ich geneigt ſeyn, die Vollendung und
Zierlichkeit ſeiner Manier aus einer moͤglichen Beruͤhrung mit
den niederdeutſchen Malern des vierzehnten Jahrhundertes ab-
zuleiten, welche, da Johannes und Hubert van Eyck aus ihren
Schulen hervorgegangen ſind, hoͤchſt wahrſcheinlich ſchon da-
mals die gleichzeitigen Italiener in techniſchen Vorzuͤgen uͤber-
troffen haben. *)
*) Allerdings ſind die Vorgaͤnger jener groͤßeſten Maler ihrer
Zeit faſt unbekannt. Die aͤlteſten Denkmale ſind durch die leb-
hafte Betriebſamkeit der Kuͤnſtler des funfzehnten und ſechzehnten
Jahrhundertes beynahe verdraͤngt worden, oder durch den Bilder-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/102>, abgerufen am 27.07.2024.
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