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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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können, daß sie nur in seltenen Fällen gemeinschaftlich in An-
wendung kommen, weil die eine Ausdauer und Verstand, die
andere Lebendigkeit der Empfindung und Behendigkeit der
Wahrnehmung voraussetzt; Fähigkeiten, welche theils nicht
jederzeit in derselben Persönlichkeit zusammentreffen, theils, wo
sie gemeinschaftlich vorkommen, doch nicht wohl in demselben
Momente, in derselben Handlung gemeinschaftlich in Kraft
treten können. Es wird daher unumgänglich seyn, jene Be-
ziehungen der künstlerischen Wirksamkeit, sowohl im Begriffe
zu trennen, als vornehmlich sie in der Ausübung möglichst
getrennt zu halten.

Benutzen wir diese Unterscheidung auf der Stelle, um
jenes vornehmlich seit dem siebzehnten Jahrhunderte beliebte
Modell oder Actzeichnen in sein wahres Licht zu setzen. Daß
Uebungen dieser Art unter allen Umständen dem Geiste nicht
Mannichfaltiges, sondern einzig Allgemeines zuführen können,
erhellt, wie wir bereits bemerkt haben, schon aus sich selbst.
Demungeachtet geschieht es häufig, daß man die Aufmerksam-
keit des Lehrlings durch allerley malerische Tändeleyen, wie
durch wunderbare Stellungen, effectvolle Beleuchtungen und
Anderes, zerstreut und von jenem einzig erreichbaren Zwecke
ablenkt; oder daß man ihn absichtlich auf Solches zu lenken
sucht, was man eben für das Erforderniß einer schönen und
geschmackvollen Darstellung hält. Doch wenn man auch, wie
hie und da wirklich geschieht, diesen althergebrachten Zerstreu-
ungen der Aufmerksamkeit auf die Gesetze natürlicher Bildung
ausweichen wollte, so würde doch das Modellzeichnen für sich
allein nicht ausreichen, weil die voraussetzlich bezweckte Ein-
sicht in allgemeinere Gesetze der menschlichen Bildung durch
ein bloß äußerliches Beschauen des Nackten nicht wohl kann

koͤnnen, daß ſie nur in ſeltenen Faͤllen gemeinſchaftlich in An-
wendung kommen, weil die eine Ausdauer und Verſtand, die
andere Lebendigkeit der Empfindung und Behendigkeit der
Wahrnehmung vorausſetzt; Faͤhigkeiten, welche theils nicht
jederzeit in derſelben Perſoͤnlichkeit zuſammentreffen, theils, wo
ſie gemeinſchaftlich vorkommen, doch nicht wohl in demſelben
Momente, in derſelben Handlung gemeinſchaftlich in Kraft
treten koͤnnen. Es wird daher unumgaͤnglich ſeyn, jene Be-
ziehungen der kuͤnſtleriſchen Wirkſamkeit, ſowohl im Begriffe
zu trennen, als vornehmlich ſie in der Ausuͤbung moͤglichſt
getrennt zu halten.

Benutzen wir dieſe Unterſcheidung auf der Stelle, um
jenes vornehmlich ſeit dem ſiebzehnten Jahrhunderte beliebte
Modell oder Actzeichnen in ſein wahres Licht zu ſetzen. Daß
Uebungen dieſer Art unter allen Umſtaͤnden dem Geiſte nicht
Mannichfaltiges, ſondern einzig Allgemeines zufuͤhren koͤnnen,
erhellt, wie wir bereits bemerkt haben, ſchon aus ſich ſelbſt.
Demungeachtet geſchieht es haͤufig, daß man die Aufmerkſam-
keit des Lehrlings durch allerley maleriſche Taͤndeleyen, wie
durch wunderbare Stellungen, effectvolle Beleuchtungen und
Anderes, zerſtreut und von jenem einzig erreichbaren Zwecke
ablenkt; oder daß man ihn abſichtlich auf Solches zu lenken
ſucht, was man eben fuͤr das Erforderniß einer ſchoͤnen und
geſchmackvollen Darſtellung haͤlt. Doch wenn man auch, wie
hie und da wirklich geſchieht, dieſen althergebrachten Zerſtreu-
ungen der Aufmerkſamkeit auf die Geſetze natuͤrlicher Bildung
ausweichen wollte, ſo wuͤrde doch das Modellzeichnen fuͤr ſich
allein nicht ausreichen, weil die vorausſetzlich bezweckte Ein-
ſicht in allgemeinere Geſetze der menſchlichen Bildung durch
ein bloß aͤußerliches Beſchauen des Nackten nicht wohl kann

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[68/0086] koͤnnen, daß ſie nur in ſeltenen Faͤllen gemeinſchaftlich in An- wendung kommen, weil die eine Ausdauer und Verſtand, die andere Lebendigkeit der Empfindung und Behendigkeit der Wahrnehmung vorausſetzt; Faͤhigkeiten, welche theils nicht jederzeit in derſelben Perſoͤnlichkeit zuſammentreffen, theils, wo ſie gemeinſchaftlich vorkommen, doch nicht wohl in demſelben Momente, in derſelben Handlung gemeinſchaftlich in Kraft treten koͤnnen. Es wird daher unumgaͤnglich ſeyn, jene Be- ziehungen der kuͤnſtleriſchen Wirkſamkeit, ſowohl im Begriffe zu trennen, als vornehmlich ſie in der Ausuͤbung moͤglichſt getrennt zu halten. Benutzen wir dieſe Unterſcheidung auf der Stelle, um jenes vornehmlich ſeit dem ſiebzehnten Jahrhunderte beliebte Modell oder Actzeichnen in ſein wahres Licht zu ſetzen. Daß Uebungen dieſer Art unter allen Umſtaͤnden dem Geiſte nicht Mannichfaltiges, ſondern einzig Allgemeines zufuͤhren koͤnnen, erhellt, wie wir bereits bemerkt haben, ſchon aus ſich ſelbſt. Demungeachtet geſchieht es haͤufig, daß man die Aufmerkſam- keit des Lehrlings durch allerley maleriſche Taͤndeleyen, wie durch wunderbare Stellungen, effectvolle Beleuchtungen und Anderes, zerſtreut und von jenem einzig erreichbaren Zwecke ablenkt; oder daß man ihn abſichtlich auf Solches zu lenken ſucht, was man eben fuͤr das Erforderniß einer ſchoͤnen und geſchmackvollen Darſtellung haͤlt. Doch wenn man auch, wie hie und da wirklich geſchieht, dieſen althergebrachten Zerſtreu- ungen der Aufmerkſamkeit auf die Geſetze natuͤrlicher Bildung ausweichen wollte, ſo wuͤrde doch das Modellzeichnen fuͤr ſich allein nicht ausreichen, weil die vorausſetzlich bezweckte Ein- ſicht in allgemeinere Geſetze der menſchlichen Bildung durch ein bloß aͤußerliches Beſchauen des Nackten nicht wohl kann

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/86>, abgerufen am 26.11.2024.