wie Subjectives vom Objectiven. Dem Alterthumsforscher nemlich heißt ideal, was Ideen darstellt, welche meist, schon ehe der Künstler die Hand erhoben, eine gewisse geistige In- dividualität, oder Abgeschlossenheit innerhalb ihrer selbst er- langt hatten. Die Idee ist demnach in diesem Falle das Ob- ject der künstlerischen Auffassung und der gelehrte Sprachge- brauch gestattet, auch da von Idealen zu reden, wo die Dar- stellung, oder nur die Andeutung von außerhalb des Künst- lers vorgebildeten Ideen durch bloß mechanischen Fleiß (wie in Copien und Nachahmungen) hervorgebracht worden. Dem consequenten Idealisten indeß darf in Kunstwerken nur Sol- ches ideal heißen, welches, was es auch darstelle, oder von aussen herbeyziehe, doch immer von jener inneren Belebung des Geistes ausgegangen, welche ganz der Subjectivität des Künstlers angehört. Oftmals daher wird er sich bewogen füh- len Manches, was dem Alterthumsforscher ideal heißt, als geistlos zu verwerfen, und umgekehrt vieles, was jenem als individuell oder bildnißartig den geradesten Gegensatz des Idea- len zu bilden scheint, wenn es, gleich raphaelischen, oder an- tiken Bildnissen, von dem ganzen Lebensgeiste der Künstler durchdrungen ist, für idealer zu halten, als den größten Theil alles dessen, was schon vorgebildete Ideen durch mechanische Mittel auszudrücken, oder anzudeuten bezweckt.
Bis dahin dürften wir dem Idealbegriffe idealistischer Kunstphilosophen unsere Zustimmung geben. Allein, wenn solche Denker, nicht zufrieden sich der Grundlage versichert zu haben, nun auch weiter bauen und die Gesetze bestimmen wol- len, nach welchen Kunstwerke sich nach außen entfalten: so ergiebt es sich nicht selten, daß sie dem künstlerischen Aus- druck des Geistigen eine ungleich freyere, entbundenere Bewe-
wie Subjectives vom Objectiven. Dem Alterthumsforſcher nemlich heißt ideal, was Ideen darſtellt, welche meiſt, ſchon ehe der Kuͤnſtler die Hand erhoben, eine gewiſſe geiſtige In- dividualitaͤt, oder Abgeſchloſſenheit innerhalb ihrer ſelbſt er- langt hatten. Die Idee iſt demnach in dieſem Falle das Ob- ject der kuͤnſtleriſchen Auffaſſung und der gelehrte Sprachge- brauch geſtattet, auch da von Idealen zu reden, wo die Dar- ſtellung, oder nur die Andeutung von außerhalb des Kuͤnſt- lers vorgebildeten Ideen durch bloß mechaniſchen Fleiß (wie in Copien und Nachahmungen) hervorgebracht worden. Dem conſequenten Idealiſten indeß darf in Kunſtwerken nur Sol- ches ideal heißen, welches, was es auch darſtelle, oder von auſſen herbeyziehe, doch immer von jener inneren Belebung des Geiſtes ausgegangen, welche ganz der Subjectivitaͤt des Kuͤnſtlers angehoͤrt. Oftmals daher wird er ſich bewogen fuͤh- len Manches, was dem Alterthumsforſcher ideal heißt, als geiſtlos zu verwerfen, und umgekehrt vieles, was jenem als individuell oder bildnißartig den geradeſten Gegenſatz des Idea- len zu bilden ſcheint, wenn es, gleich raphaeliſchen, oder an- tiken Bildniſſen, von dem ganzen Lebensgeiſte der Kuͤnſtler durchdrungen iſt, fuͤr idealer zu halten, als den groͤßten Theil alles deſſen, was ſchon vorgebildete Ideen durch mechaniſche Mittel auszudruͤcken, oder anzudeuten bezweckt.
Bis dahin duͤrften wir dem Idealbegriffe idealiſtiſcher Kunſtphiloſophen unſere Zuſtimmung geben. Allein, wenn ſolche Denker, nicht zufrieden ſich der Grundlage verſichert zu haben, nun auch weiter bauen und die Geſetze beſtimmen wol- len, nach welchen Kunſtwerke ſich nach außen entfalten: ſo ergiebt es ſich nicht ſelten, daß ſie dem kuͤnſtleriſchen Aus- druck des Geiſtigen eine ungleich freyere, entbundenere Bewe-
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wie Subjectives vom Objectiven. Dem Alterthumsforſcher
nemlich heißt ideal, was Ideen darſtellt, welche meiſt, ſchon
ehe der Kuͤnſtler die Hand erhoben, eine gewiſſe geiſtige In-
dividualitaͤt, oder Abgeſchloſſenheit innerhalb ihrer ſelbſt er-
langt hatten. Die Idee iſt demnach in dieſem Falle das Ob-
ject der kuͤnſtleriſchen Auffaſſung und der gelehrte Sprachge-
brauch geſtattet, auch da von Idealen zu reden, wo die Dar-
ſtellung, oder nur die Andeutung von außerhalb des Kuͤnſt-
lers vorgebildeten Ideen durch bloß mechaniſchen Fleiß (wie
in Copien und Nachahmungen) hervorgebracht worden. Dem
conſequenten Idealiſten indeß darf in Kunſtwerken nur Sol-
ches ideal heißen, welches, was es auch darſtelle, oder von
auſſen herbeyziehe, doch immer von jener inneren Belebung
des Geiſtes ausgegangen, welche ganz der Subjectivitaͤt des
Kuͤnſtlers angehoͤrt. Oftmals daher wird er ſich bewogen fuͤh-
len Manches, was dem Alterthumsforſcher ideal heißt, als
geiſtlos zu verwerfen, und umgekehrt vieles, was jenem als
individuell oder bildnißartig den geradeſten Gegenſatz des Idea-
len zu bilden ſcheint, wenn es, gleich raphaeliſchen, oder an-
tiken Bildniſſen, von dem ganzen Lebensgeiſte der Kuͤnſtler
durchdrungen iſt, fuͤr idealer zu halten, als den groͤßten Theil
alles deſſen, was ſchon vorgebildete Ideen durch mechaniſche
Mittel auszudruͤcken, oder anzudeuten bezweckt.
Bis dahin duͤrften wir dem Idealbegriffe idealiſtiſcher
Kunſtphiloſophen unſere Zuſtimmung geben. Allein, wenn
ſolche Denker, nicht zufrieden ſich der Grundlage verſichert zu
haben, nun auch weiter bauen und die Geſetze beſtimmen wol-
len, nach welchen Kunſtwerke ſich nach außen entfalten: ſo
ergiebt es ſich nicht ſelten, daß ſie dem kuͤnſtleriſchen Aus-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/68>, abgerufen am 25.11.2024.
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