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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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spricht diese Bedeutung der, obwohl etwas willkührlichen Bil-
dung des Wortes, und in der That, wenn ihm die vielleicht
unnöthige Fremdheit seiner Wurzel auch künftig nachgesehen
werden sollte, so wüßte ich kaum, wie derselbe Sinn ohne
Umschreibung, oder gleich kurz und bündig auszudrücken wäre.
In der Künstlersprache jedoch ward dasselbe Wort (welches
diese Forscher, wie ich oben gezeigt und noch einmal in Er-
innerung bringe, weder aus dem Alterthume, noch aus latei-
nischen Compendien, sondern mittelbar aus dem Italienischen
entlehnt haben) schon lange, bevor Winckelmann gestrebt,
ihm einen vernünftigen und menschlichen Sinn beyzulegen,
bloß von einer zwecklosen Willkührlichkeit der Form verstan-
den. Es galt demnach den neuen antiquarischen Idealbegriff
von dieser Nebenvorstellung abzusondern, oder auch die Unzer-
trennlichkeit und Uebereinstimmung beider Kunstbegriffe nach-
zuweisen. Die Archäologen haben das erste unterlassen, das
zweyte versucht; die Gründe, welche sich ihnen darzubieten
schienen, beruhen auf Wahrnehmung des Typus und des Sty-
les; diese Eigenschaften der Kunst des Alterthumes erheischen
indeß eine eigene Beleuchtung, welche wir, da sie Raum er-
fordert, für jetzt verschieben, und am Schlusse dieser Betrach-
tung von Dingen der Darstellung wieder aufzunehmen denken.

Wie falsch, oder richtig demnach die Alterthumsforscher
den Hergang der Darstellung sich erklärt haben mögen, so
beruhet doch ihr Idealbegriff, noch immer auf der mehr und
minder ausgebildeten Vorstellung von einer reinkünstlerischen,
anschaulichen Auffassung selbst der geistigsten Aufgabe. Da-
**)

**) Ideal, unwandelbar in diesem Sinne zu verstehen ist. Bey ande-
ren Alterthumskundigen schwankt er meist zu den übrigen Ideal-
begriffen hinüber.

ſpricht dieſe Bedeutung der, obwohl etwas willkuͤhrlichen Bil-
dung des Wortes, und in der That, wenn ihm die vielleicht
unnoͤthige Fremdheit ſeiner Wurzel auch kuͤnftig nachgeſehen
werden ſollte, ſo wuͤßte ich kaum, wie derſelbe Sinn ohne
Umſchreibung, oder gleich kurz und buͤndig auszudruͤcken waͤre.
In der Kuͤnſtlerſprache jedoch ward daſſelbe Wort (welches
dieſe Forſcher, wie ich oben gezeigt und noch einmal in Er-
innerung bringe, weder aus dem Alterthume, noch aus latei-
niſchen Compendien, ſondern mittelbar aus dem Italieniſchen
entlehnt haben) ſchon lange, bevor Winckelmann geſtrebt,
ihm einen vernuͤnftigen und menſchlichen Sinn beyzulegen,
bloß von einer zweckloſen Willkuͤhrlichkeit der Form verſtan-
den. Es galt demnach den neuen antiquariſchen Idealbegriff
von dieſer Nebenvorſtellung abzuſondern, oder auch die Unzer-
trennlichkeit und Uebereinſtimmung beider Kunſtbegriffe nach-
zuweiſen. Die Archaͤologen haben das erſte unterlaſſen, das
zweyte verſucht; die Gruͤnde, welche ſich ihnen darzubieten
ſchienen, beruhen auf Wahrnehmung des Typus und des Sty-
les; dieſe Eigenſchaften der Kunſt des Alterthumes erheiſchen
indeß eine eigene Beleuchtung, welche wir, da ſie Raum er-
fordert, fuͤr jetzt verſchieben, und am Schluſſe dieſer Betrach-
tung von Dingen der Darſtellung wieder aufzunehmen denken.

Wie falſch, oder richtig demnach die Alterthumsforſcher
den Hergang der Darſtellung ſich erklaͤrt haben moͤgen, ſo
beruhet doch ihr Idealbegriff, noch immer auf der mehr und
minder ausgebildeten Vorſtellung von einer reinkuͤnſtleriſchen,
anſchaulichen Auffaſſung ſelbſt der geiſtigſten Aufgabe. Da-
**)

**) Ideal, unwandelbar in dieſem Sinne zu verſtehen iſt. Bey ande-
ren Alterthumskundigen ſchwankt er meiſt zu den uͤbrigen Ideal-
begriffen hinuͤber.
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[46/0064] ſpricht dieſe Bedeutung der, obwohl etwas willkuͤhrlichen Bil- dung des Wortes, und in der That, wenn ihm die vielleicht unnoͤthige Fremdheit ſeiner Wurzel auch kuͤnftig nachgeſehen werden ſollte, ſo wuͤßte ich kaum, wie derſelbe Sinn ohne Umſchreibung, oder gleich kurz und buͤndig auszudruͤcken waͤre. In der Kuͤnſtlerſprache jedoch ward daſſelbe Wort (welches dieſe Forſcher, wie ich oben gezeigt und noch einmal in Er- innerung bringe, weder aus dem Alterthume, noch aus latei- niſchen Compendien, ſondern mittelbar aus dem Italieniſchen entlehnt haben) ſchon lange, bevor Winckelmann geſtrebt, ihm einen vernuͤnftigen und menſchlichen Sinn beyzulegen, bloß von einer zweckloſen Willkuͤhrlichkeit der Form verſtan- den. Es galt demnach den neuen antiquariſchen Idealbegriff von dieſer Nebenvorſtellung abzuſondern, oder auch die Unzer- trennlichkeit und Uebereinſtimmung beider Kunſtbegriffe nach- zuweiſen. Die Archaͤologen haben das erſte unterlaſſen, das zweyte verſucht; die Gruͤnde, welche ſich ihnen darzubieten ſchienen, beruhen auf Wahrnehmung des Typus und des Sty- les; dieſe Eigenſchaften der Kunſt des Alterthumes erheiſchen indeß eine eigene Beleuchtung, welche wir, da ſie Raum er- fordert, fuͤr jetzt verſchieben, und am Schluſſe dieſer Betrach- tung von Dingen der Darſtellung wieder aufzunehmen denken. Wie falſch, oder richtig demnach die Alterthumsforſcher den Hergang der Darſtellung ſich erklaͤrt haben moͤgen, ſo beruhet doch ihr Idealbegriff, noch immer auf der mehr und minder ausgebildeten Vorſtellung von einer reinkuͤnſtleriſchen, anſchaulichen Auffaſſung ſelbſt der geiſtigſten Aufgabe. Da- **) **) Ideal, unwandelbar in dieſem Sinne zu verſtehen iſt. Bey ande- ren Alterthumskundigen ſchwankt er meiſt zu den uͤbrigen Ideal- begriffen hinuͤber.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/64>, abgerufen am 24.11.2024.