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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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fer Gelehrsamkeit und ächter Weisheit sich ein bequemes und
sicheres Nest zu betten, erkläre ich mir auf folgende Weise.
Winckelmann, dem wir die meisten unserer gangbaren
Kunstbegriffe, wenn nicht vielmehr unsere ganze Kunstsprache
verdanken, brachte nach altem Schrot und Korn eine gewisse
Ehrfurcht für den Gegenstand hinzu, dem er in schon vorge-
rücktem Lebensalter seine Anstrengungen widmen wollte. Da-
her nahm er die Belehrungen der ihn umgebenden Künstler-
und Kennerwelt, deren historisch-technische Kunstkenntnisse den
seinigen überlegen waren, mit Dank und Achtung entgegen *).
In der Kunstwelt, die er vorfand, war indeß, wie wir mit
Sicherheit wissen, jener manieristische Vorbegriff tief einge-
wurzelt **) und seiner selbst so sicher, daß die letzten Spröß-
linge der holländischen Richtung auf illusorische Natürlichkeit,
ein Ditricy und Aehnliche, nicht wegen ihres Schlimmen,
sondern ihres Guten willen, welches noch immer einigen An-
theil erweckt, von Allem, was Stimme hatte und zur großen

*) Winckelmann beschließt seine Gedanken über die
Nachahmung
mit Anerkennung dessen, was er darin seinen Un-
terredungen
mit dem Maler Friedrich Oeser verdanke.
**) Möser, der Winckelmann's Schriften wahrscheinlich
nicht gelesen hatte, sagt, patr. Phantas. Bd. 2. No. 2. S. 15. f.
(Ed. 776.) "An den griechischen Künstlern lobt man es, daß
sie ihre Werke nach einzelnen schönen Gegenständen in der Natur
ausgearbeitet und es nicht gewagt haben, eine allgemeine Regel
des Schönen festzusetzen. -- Man spricht täglich davon -- wie sehr
die neueren durch einige wenige Ideale gehindert werden, sich
über das Mittelmäßige zu erheben." Noch so spät also ward,
Ideal, selbst von deutsch gebildeten Männern in dem niedrigen
Sinne gebraucht, den ihm die Manieristen beygelegt hatten, daher
der Natur und den Werken der griechischen Bildner entgegen-
gesetzt.

fer Gelehrſamkeit und aͤchter Weisheit ſich ein bequemes und
ſicheres Neſt zu betten, erklaͤre ich mir auf folgende Weiſe.
Winckelmann, dem wir die meiſten unſerer gangbaren
Kunſtbegriffe, wenn nicht vielmehr unſere ganze Kunſtſprache
verdanken, brachte nach altem Schrot und Korn eine gewiſſe
Ehrfurcht fuͤr den Gegenſtand hinzu, dem er in ſchon vorge-
ruͤcktem Lebensalter ſeine Anſtrengungen widmen wollte. Da-
her nahm er die Belehrungen der ihn umgebenden Kuͤnſtler-
und Kennerwelt, deren hiſtoriſch-techniſche Kunſtkenntniſſe den
ſeinigen uͤberlegen waren, mit Dank und Achtung entgegen *).
In der Kunſtwelt, die er vorfand, war indeß, wie wir mit
Sicherheit wiſſen, jener manieriſtiſche Vorbegriff tief einge-
wurzelt **) und ſeiner ſelbſt ſo ſicher, daß die letzten Sproͤß-
linge der hollaͤndiſchen Richtung auf illuſoriſche Natuͤrlichkeit,
ein Ditricy und Aehnliche, nicht wegen ihres Schlimmen,
ſondern ihres Guten willen, welches noch immer einigen An-
theil erweckt, von Allem, was Stimme hatte und zur großen

*) Winckelmann beſchließt ſeine Gedanken uͤber die
Nachahmung
mit Anerkennung deſſen, was er darin ſeinen Un-
terredungen
mit dem Maler Friedrich Oeſer verdanke.
**) Moͤſer, der Winckelmann’s Schriften wahrſcheinlich
nicht geleſen hatte, ſagt, patr. Phantaſ. Bd. 2. No. 2. S. 15. f.
(Ed. 776.) „An den griechiſchen Kuͤnſtlern lobt man es, daß
ſie ihre Werke nach einzelnen ſchoͤnen Gegenſtaͤnden in der Natur
ausgearbeitet und es nicht gewagt haben, eine allgemeine Regel
des Schoͤnen feſtzuſetzen. — Man ſpricht taͤglich davon — wie ſehr
die neueren durch einige wenige Ideale gehindert werden, ſich
uͤber das Mittelmaͤßige zu erheben.“ Noch ſo ſpaͤt alſo ward,
Ideal, ſelbſt von deutſch gebildeten Maͤnnern in dem niedrigen
Sinne gebraucht, den ihm die Manieriſten beygelegt hatten, daher
der Natur und den Werken der griechiſchen Bildner entgegen-
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[43/0061] fer Gelehrſamkeit und aͤchter Weisheit ſich ein bequemes und ſicheres Neſt zu betten, erklaͤre ich mir auf folgende Weiſe. Winckelmann, dem wir die meiſten unſerer gangbaren Kunſtbegriffe, wenn nicht vielmehr unſere ganze Kunſtſprache verdanken, brachte nach altem Schrot und Korn eine gewiſſe Ehrfurcht fuͤr den Gegenſtand hinzu, dem er in ſchon vorge- ruͤcktem Lebensalter ſeine Anſtrengungen widmen wollte. Da- her nahm er die Belehrungen der ihn umgebenden Kuͤnſtler- und Kennerwelt, deren hiſtoriſch-techniſche Kunſtkenntniſſe den ſeinigen uͤberlegen waren, mit Dank und Achtung entgegen *). In der Kunſtwelt, die er vorfand, war indeß, wie wir mit Sicherheit wiſſen, jener manieriſtiſche Vorbegriff tief einge- wurzelt **) und ſeiner ſelbſt ſo ſicher, daß die letzten Sproͤß- linge der hollaͤndiſchen Richtung auf illuſoriſche Natuͤrlichkeit, ein Ditricy und Aehnliche, nicht wegen ihres Schlimmen, ſondern ihres Guten willen, welches noch immer einigen An- theil erweckt, von Allem, was Stimme hatte und zur großen *) Winckelmann beſchließt ſeine Gedanken uͤber die Nachahmung mit Anerkennung deſſen, was er darin ſeinen Un- terredungen mit dem Maler Friedrich Oeſer verdanke. **) Moͤſer, der Winckelmann’s Schriften wahrſcheinlich nicht geleſen hatte, ſagt, patr. Phantaſ. Bd. 2. No. 2. S. 15. f. (Ed. 776.) „An den griechiſchen Kuͤnſtlern lobt man es, daß ſie ihre Werke nach einzelnen ſchoͤnen Gegenſtaͤnden in der Natur ausgearbeitet und es nicht gewagt haben, eine allgemeine Regel des Schoͤnen feſtzuſetzen. — Man ſpricht taͤglich davon — wie ſehr die neueren durch einige wenige Ideale gehindert werden, ſich uͤber das Mittelmaͤßige zu erheben.“ Noch ſo ſpaͤt alſo ward, Ideal, ſelbſt von deutſch gebildeten Maͤnnern in dem niedrigen Sinne gebraucht, den ihm die Manieriſten beygelegt hatten, daher der Natur und den Werken der griechiſchen Bildner entgegen- geſetzt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/61>, abgerufen am 24.11.2024.