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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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nur zur Schau trug; gewiß aber ward die Verachtung der
Manieristen und ihrer Hervorbringungen bey weitem nicht so
schnell allgemeine Gesinnung, als man nach Winckelmann's
entschlossenem Durchgreifen *) erwarten konnte. Giebt es doch
noch gegenwärtig höchst ehrenwerthe, in der Kunst nicht un-
bewanderte Männer, welche sich nicht scheuen, die matte, leere
Manier eines Maratta und anderer als lieblich und an-
muthsvoll zu preisen; da man doch offenbar sogar den streng-
sten Forderungen der Billigkeit schon genügen würde, wenn
man die großen Talente, die achtenswerthe Geschicklichkeit und
Rüstigkeit, welche sich inmitten der modernen Verkehrtheiten
überall in beklagenswerther Fülle gezeigt, von dem Urtheil
ausnehmen wollte, welches ihre Richtung im Ganzen ver-
dammt. Wenn aber der Eindruck classischer Vorbilder nicht
vermocht, den Geschmack durchhin vom Schlechten abzulenken,
so mußten viele Künstler und Kunstfreunde nicht minder ge-
neigt bleiben, auch eine irrige Vorstellung festzuhalten, welche
die Frechheit der Manieren erzeugt, und so lange genährt und
gepflegt hatte. Gewiß verband sich diese manieristische Vor-
stellung von einer gewissen Unentbehrlichkeit oder Auserlesen-
heit menschlich willkührlicher, von der Natur abweichender,
oder wenigstens sie übertreffender Formen nunmehr fast un-
ablöslich mit allem Wahren und Richtigen, welches in der
Richtung, die Winckelmann und Lessing angegeben, über
die Kunst überhaupt, oder über einzelne Seiten und Verhält-
nisse derselben gedacht und geschrieben worden.

Wie dieser Vorbegriff dazu gelangt, inmitten so viel tie-

*) Kunstgeschichte B. 5. S. 3. §. 27. und an anderen Stellen;
hätte Mengs nicht bisweilen sein Urtheil gemäßigt, wie ich zu
erkennen glaube, so würde er vielleicht noch weiter gegangen seyn.

nur zur Schau trug; gewiß aber ward die Verachtung der
Manieriſten und ihrer Hervorbringungen bey weitem nicht ſo
ſchnell allgemeine Geſinnung, als man nach Winckelmann’s
entſchloſſenem Durchgreifen *) erwarten konnte. Giebt es doch
noch gegenwaͤrtig hoͤchſt ehrenwerthe, in der Kunſt nicht un-
bewanderte Maͤnner, welche ſich nicht ſcheuen, die matte, leere
Manier eines Maratta und anderer als lieblich und an-
muthsvoll zu preiſen; da man doch offenbar ſogar den ſtreng-
ſten Forderungen der Billigkeit ſchon genuͤgen wuͤrde, wenn
man die großen Talente, die achtenswerthe Geſchicklichkeit und
Ruͤſtigkeit, welche ſich inmitten der modernen Verkehrtheiten
uͤberall in beklagenswerther Fuͤlle gezeigt, von dem Urtheil
ausnehmen wollte, welches ihre Richtung im Ganzen ver-
dammt. Wenn aber der Eindruck claſſiſcher Vorbilder nicht
vermocht, den Geſchmack durchhin vom Schlechten abzulenken,
ſo mußten viele Kuͤnſtler und Kunſtfreunde nicht minder ge-
neigt bleiben, auch eine irrige Vorſtellung feſtzuhalten, welche
die Frechheit der Manieren erzeugt, und ſo lange genaͤhrt und
gepflegt hatte. Gewiß verband ſich dieſe manieriſtiſche Vor-
ſtellung von einer gewiſſen Unentbehrlichkeit oder Auserleſen-
heit menſchlich willkuͤhrlicher, von der Natur abweichender,
oder wenigſtens ſie uͤbertreffender Formen nunmehr faſt un-
abloͤslich mit allem Wahren und Richtigen, welches in der
Richtung, die Winckelmann und Leſſing angegeben, uͤber
die Kunſt uͤberhaupt, oder uͤber einzelne Seiten und Verhaͤlt-
niſſe derſelben gedacht und geſchrieben worden.

Wie dieſer Vorbegriff dazu gelangt, inmitten ſo viel tie-

*) Kunſtgeſchichte B. 5. S. 3. §. 27. und an anderen Stellen;
haͤtte Mengs nicht bisweilen ſein Urtheil gemaͤßigt, wie ich zu
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[42/0060] nur zur Schau trug; gewiß aber ward die Verachtung der Manieriſten und ihrer Hervorbringungen bey weitem nicht ſo ſchnell allgemeine Geſinnung, als man nach Winckelmann’s entſchloſſenem Durchgreifen *) erwarten konnte. Giebt es doch noch gegenwaͤrtig hoͤchſt ehrenwerthe, in der Kunſt nicht un- bewanderte Maͤnner, welche ſich nicht ſcheuen, die matte, leere Manier eines Maratta und anderer als lieblich und an- muthsvoll zu preiſen; da man doch offenbar ſogar den ſtreng- ſten Forderungen der Billigkeit ſchon genuͤgen wuͤrde, wenn man die großen Talente, die achtenswerthe Geſchicklichkeit und Ruͤſtigkeit, welche ſich inmitten der modernen Verkehrtheiten uͤberall in beklagenswerther Fuͤlle gezeigt, von dem Urtheil ausnehmen wollte, welches ihre Richtung im Ganzen ver- dammt. Wenn aber der Eindruck claſſiſcher Vorbilder nicht vermocht, den Geſchmack durchhin vom Schlechten abzulenken, ſo mußten viele Kuͤnſtler und Kunſtfreunde nicht minder ge- neigt bleiben, auch eine irrige Vorſtellung feſtzuhalten, welche die Frechheit der Manieren erzeugt, und ſo lange genaͤhrt und gepflegt hatte. Gewiß verband ſich dieſe manieriſtiſche Vor- ſtellung von einer gewiſſen Unentbehrlichkeit oder Auserleſen- heit menſchlich willkuͤhrlicher, von der Natur abweichender, oder wenigſtens ſie uͤbertreffender Formen nunmehr faſt un- abloͤslich mit allem Wahren und Richtigen, welches in der Richtung, die Winckelmann und Leſſing angegeben, uͤber die Kunſt uͤberhaupt, oder uͤber einzelne Seiten und Verhaͤlt- niſſe derſelben gedacht und geſchrieben worden. Wie dieſer Vorbegriff dazu gelangt, inmitten ſo viel tie- *) Kunſtgeſchichte B. 5. S. 3. §. 27. und an anderen Stellen; haͤtte Mengs nicht bisweilen ſein Urtheil gemaͤßigt, wie ich zu erkennen glaube, ſo wuͤrde er vielleicht noch weiter gegangen ſeyn.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/60>, abgerufen am 24.11.2024.