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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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wendet werden kann, um, wie noch immer in der modernen
Kunstsprache gebräuchlich ist, eben nur einen zufällig vorlie-
genden Gegenstand der sinnlichen Anschauung und oft genug
nur mechanischen Nachahmung zu bezeichnen. Doch nicht bloß
frevelnd, vielmehr auch abgeschmackt ist es, nur in der Kunst-
sprache das Einzelne durch den Namen des Allgemeinen zu
bezeichnen, dem es etwa unterzuordnen. Würden wir im
Leben, anstatt: ich habe einen Menschen, einen Baum, einen
Berg gesehen, einmal sagen wollen: ich habe die Natur ge-
sehen; so dürften wir, wenn überall verstanden, doch gewiß
wegen des Unbestimmten und Unschicklichen unseres Ausdrucks
mit allem Grunde verlacht werden. Weshalb denn sollte es
passender seyn, wenn man im gemeinen Kunstverkehr anstatt:
ich habe diese Gestalt nach einem bestimmten Menschen gebil-
det, zu sagen pflegt: ich habe sie nach der Natur gemacht?
Und wie häufig wird dieser thörichte Kunstausdruck nicht selbst
auf todte, von Menschenhand verarbeitete Dinge ausgedehnt,
welche der gemeine, wie der wissenschaftliche Sprachgebrauch
als künstliche den natürlichen entgegensetzt. Habe ich doch oft
von Teppichen, Stühlen, Bänken, Gebäuden und Anderem
der Art gehört, es sey nach der Natur gezeichnet oder gemalt
worden.

Indeß, wird man mir einwenden, weiß der Künstler,
wie der Kunstfreund, daß Natur ihm eben nicht Anderes be-
deute, als Modell, Vorbild, Objekt der sinnlichen Anschau-
ung oder Aehnliches; und überhaupt, wird man hinzusetzen,
komme es ja weniger darauf an, daß man ein Wort ganz
sprachgemäß gebrauche, als daß man über den Sinn einig
sey, den man ihm beylegen wolle. Es liegt nicht in meiner

wendet werden kann, um, wie noch immer in der modernen
Kunſtſprache gebraͤuchlich iſt, eben nur einen zufaͤllig vorlie-
genden Gegenſtand der ſinnlichen Anſchauung und oft genug
nur mechaniſchen Nachahmung zu bezeichnen. Doch nicht bloß
frevelnd, vielmehr auch abgeſchmackt iſt es, nur in der Kunſt-
ſprache das Einzelne durch den Namen des Allgemeinen zu
bezeichnen, dem es etwa unterzuordnen. Wuͤrden wir im
Leben, anſtatt: ich habe einen Menſchen, einen Baum, einen
Berg geſehen, einmal ſagen wollen: ich habe die Natur ge-
ſehen; ſo duͤrften wir, wenn uͤberall verſtanden, doch gewiß
wegen des Unbeſtimmten und Unſchicklichen unſeres Ausdrucks
mit allem Grunde verlacht werden. Weshalb denn ſollte es
paſſender ſeyn, wenn man im gemeinen Kunſtverkehr anſtatt:
ich habe dieſe Geſtalt nach einem beſtimmten Menſchen gebil-
det, zu ſagen pflegt: ich habe ſie nach der Natur gemacht?
Und wie haͤufig wird dieſer thoͤrichte Kunſtausdruck nicht ſelbſt
auf todte, von Menſchenhand verarbeitete Dinge ausgedehnt,
welche der gemeine, wie der wiſſenſchaftliche Sprachgebrauch
als kuͤnſtliche den natuͤrlichen entgegenſetzt. Habe ich doch oft
von Teppichen, Stuͤhlen, Baͤnken, Gebaͤuden und Anderem
der Art gehoͤrt, es ſey nach der Natur gezeichnet oder gemalt
worden.

Indeß, wird man mir einwenden, weiß der Kuͤnſtler,
wie der Kunſtfreund, daß Natur ihm eben nicht Anderes be-
deute, als Modell, Vorbild, Objekt der ſinnlichen Anſchau-
ung oder Aehnliches; und uͤberhaupt, wird man hinzuſetzen,
komme es ja weniger darauf an, daß man ein Wort ganz
ſprachgemaͤß gebrauche, als daß man uͤber den Sinn einig
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[38/0056] wendet werden kann, um, wie noch immer in der modernen Kunſtſprache gebraͤuchlich iſt, eben nur einen zufaͤllig vorlie- genden Gegenſtand der ſinnlichen Anſchauung und oft genug nur mechaniſchen Nachahmung zu bezeichnen. Doch nicht bloß frevelnd, vielmehr auch abgeſchmackt iſt es, nur in der Kunſt- ſprache das Einzelne durch den Namen des Allgemeinen zu bezeichnen, dem es etwa unterzuordnen. Wuͤrden wir im Leben, anſtatt: ich habe einen Menſchen, einen Baum, einen Berg geſehen, einmal ſagen wollen: ich habe die Natur ge- ſehen; ſo duͤrften wir, wenn uͤberall verſtanden, doch gewiß wegen des Unbeſtimmten und Unſchicklichen unſeres Ausdrucks mit allem Grunde verlacht werden. Weshalb denn ſollte es paſſender ſeyn, wenn man im gemeinen Kunſtverkehr anſtatt: ich habe dieſe Geſtalt nach einem beſtimmten Menſchen gebil- det, zu ſagen pflegt: ich habe ſie nach der Natur gemacht? Und wie haͤufig wird dieſer thoͤrichte Kunſtausdruck nicht ſelbſt auf todte, von Menſchenhand verarbeitete Dinge ausgedehnt, welche der gemeine, wie der wiſſenſchaftliche Sprachgebrauch als kuͤnſtliche den natuͤrlichen entgegenſetzt. Habe ich doch oft von Teppichen, Stuͤhlen, Baͤnken, Gebaͤuden und Anderem der Art gehoͤrt, es ſey nach der Natur gezeichnet oder gemalt worden. Indeß, wird man mir einwenden, weiß der Kuͤnſtler, wie der Kunſtfreund, daß Natur ihm eben nicht Anderes be- deute, als Modell, Vorbild, Objekt der ſinnlichen Anſchau- ung oder Aehnliches; und uͤberhaupt, wird man hinzuſetzen, komme es ja weniger darauf an, daß man ein Wort ganz ſprachgemaͤß gebrauche, als daß man uͤber den Sinn einig ſey, den man ihm beylegen wolle. Es liegt nicht in meiner

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/56>, abgerufen am 26.12.2024.