Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

können, die fragliche Umwandlung der italienischen, wenigstens
der toscanischen Malerey sey das Werk der früheren Decen-
nien des dreyzehnten Jahrhunderts.

Die unumgängliche Voraussetzung eines gedeihlichen Wir-
kens in den Vortheilen, Handhabungen, Formen der neuen
italienisch-griechischen Kunstart war denn nun allerdings die
eben damals eingetretene, zunehmende Empfänglichkeit für
technische Förderung oder geistige Steigerung der bildenden
Künste. Unter den äußeren Veranlassungen, welche hier, wie
überall, hinzugewirkt haben, war indeß die Eroberung von
Constantinopel durch Franken und Italiener offenkundig und
einleuchtend die wichtigste. -- Die Venezianer scheinen auf
die Köstlichkeit kirchlicher Kunstschätze der Byzantiner sich besser
verstanden zu haben, als die kriegerischen Prälaten und muthi-
gen Ritter der Franken. Villehardouin enthält, bey viel
allgemeiner Bewunderung der Pracht byzantinischer Baukunst
und Lebenseinrichtung, durchaus keine in das Einzelne gehende
Kunstnachricht *). Dagegen haben wir lange Verzeichnisse von
Büchern, Kleinoden, Geräthen, welche die Venezianer aus den
Kirchen der Hauptstadt sollen entnommen haben **). Ueber-

*) Villehardouin, Geoffroy de, hist. de la conquete de
Constantinople. Paris 1657. fo. p. 81.
-- Vom Brande, welcher
der Eroberung voranging. -- "Les barons de l'armee eaurent grande
compassion, de voir ces hautes Eglises et ces riches palais "fondre
et abaissier." -- Et les grandes rues marchandes avec des riches-
ses inestimables toutes au feu."
**) S. Alter, Fr. C., philologisch-krit. Miscellaneen. Wien
1799. XVII. (S. 234). Wo "über eine lit. artistische Plünderung
zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts" die wichtige Stelle der
Chronik des Dorotheus (Venet. 1778. 4. p. 397 f.) durch Ver-
gleichungen und schätzbare Bemerkungen erläutert wird.

koͤnnen, die fragliche Umwandlung der italieniſchen, wenigſtens
der toscaniſchen Malerey ſey das Werk der fruͤheren Decen-
nien des dreyzehnten Jahrhunderts.

Die unumgaͤngliche Vorausſetzung eines gedeihlichen Wir-
kens in den Vortheilen, Handhabungen, Formen der neuen
italieniſch-griechiſchen Kunſtart war denn nun allerdings die
eben damals eingetretene, zunehmende Empfaͤnglichkeit fuͤr
techniſche Foͤrderung oder geiſtige Steigerung der bildenden
Kuͤnſte. Unter den aͤußeren Veranlaſſungen, welche hier, wie
uͤberall, hinzugewirkt haben, war indeß die Eroberung von
Conſtantinopel durch Franken und Italiener offenkundig und
einleuchtend die wichtigſte. — Die Venezianer ſcheinen auf
die Koͤſtlichkeit kirchlicher Kunſtſchaͤtze der Byzantiner ſich beſſer
verſtanden zu haben, als die kriegeriſchen Praͤlaten und muthi-
gen Ritter der Franken. Villehardouin enthaͤlt, bey viel
allgemeiner Bewunderung der Pracht byzantiniſcher Baukunſt
und Lebenseinrichtung, durchaus keine in das Einzelne gehende
Kunſtnachricht *). Dagegen haben wir lange Verzeichniſſe von
Buͤchern, Kleinoden, Geraͤthen, welche die Venezianer aus den
Kirchen der Hauptſtadt ſollen entnommen haben **). Ueber-

*) Villehardouin, Geoffroy de, hist. de la conquête de
Constantinople. Paris 1657. fo. p. 81.
— Vom Brande, welcher
der Eroberung voranging. — „Les barons de l’armée eûrent grande
compassion, de voir ces hautes Eglises et ces riches palais „fondre
et abaissier.“ — Et les grandes ruës marchandes avec des riches-
ses inestimables toutes au feu.“
**) S. Alter, Fr. C., philologiſch-krit. Miscellaneen. Wien
1799. XVII. (S. 234). Wo „uͤber eine lit. artiſtiſche Pluͤnderung
zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts“ die wichtige Stelle der
Chronik des Dorotheus (Venet. 1778. 4. p. 397 f.) durch Ver-
gleichungen und ſchaͤtzbare Bemerkungen erlaͤutert wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="348"/>
ko&#x0364;nnen, die fragliche Umwandlung der italieni&#x017F;chen, wenig&#x017F;tens<lb/>
der toscani&#x017F;chen Malerey &#x017F;ey das Werk der fru&#x0364;heren Decen-<lb/>
nien des dreyzehnten Jahrhunderts.</p><lb/>
          <p>Die unumga&#x0364;ngliche Voraus&#x017F;etzung eines gedeihlichen Wir-<lb/>
kens in den Vortheilen, Handhabungen, Formen der neuen<lb/>
italieni&#x017F;ch-griechi&#x017F;chen Kun&#x017F;tart war denn nun allerdings die<lb/>
eben damals eingetretene, zunehmende Empfa&#x0364;nglichkeit fu&#x0364;r<lb/>
techni&#x017F;che Fo&#x0364;rderung oder gei&#x017F;tige Steigerung der bildenden<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te. Unter den a&#x0364;ußeren Veranla&#x017F;&#x017F;ungen, welche hier, wie<lb/>
u&#x0364;berall, hinzugewirkt haben, war indeß die Eroberung von<lb/><placeName>Con&#x017F;tantinopel</placeName> durch Franken und Italiener offenkundig und<lb/>
einleuchtend die wichtig&#x017F;te. &#x2014; Die Venezianer &#x017F;cheinen auf<lb/>
die Ko&#x0364;&#x017F;tlichkeit kirchlicher Kun&#x017F;t&#x017F;cha&#x0364;tze der Byzantiner &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ver&#x017F;tanden zu haben, als die kriegeri&#x017F;chen Pra&#x0364;laten und muthi-<lb/>
gen Ritter der Franken. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118627015">Villehardouin</persName></hi> entha&#x0364;lt, bey viel<lb/>
allgemeiner Bewunderung der Pracht byzantini&#x017F;cher Baukun&#x017F;t<lb/>
und Lebenseinrichtung, durchaus keine in das Einzelne gehende<lb/>
Kun&#x017F;tnachricht <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118627015">Villehardouin</persName>,</hi> Geoffroy de, hist. de la conquête de<lb/><placeName>Constantinople</placeName>. <placeName>Paris</placeName> 1657. fo. p. 81.</hi> &#x2014; Vom Brande, welcher<lb/>
der Eroberung voranging. &#x2014; <hi rendition="#aq">&#x201E;Les barons de l&#x2019;armée eûrent grande<lb/>
compassion, de voir ces hautes Eglises et ces riches palais &#x201E;fondre<lb/>
et abaissier.&#x201C; &#x2014; <hi rendition="#i">Et les grandes ruës marchandes avec des riches-<lb/>
ses inestimables toutes au feu.&#x201C;</hi></hi></note>. Dagegen haben wir lange Verzeichni&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
Bu&#x0364;chern, Kleinoden, Gera&#x0364;then, welche die Venezianer aus den<lb/>
Kirchen der Haupt&#x017F;tadt &#x017F;ollen entnommen haben <note place="foot" n="**)">S. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100010385"><hi rendition="#g">Alter,</hi> Fr. C.</persName>, philologi&#x017F;ch-krit. Miscellaneen. <placeName>Wien</placeName><lb/>
1799. <hi rendition="#aq">XVII.</hi> (S. 234). Wo &#x201E;u&#x0364;ber eine lit. arti&#x017F;ti&#x017F;che Plu&#x0364;nderung<lb/>
zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts&#x201C; die wichtige Stelle der<lb/>
Chronik des <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Dorotheus</persName></hi> (<hi rendition="#aq"><placeName>Venet.</placeName> 1778. 4. p.</hi> 397 f.) durch Ver-<lb/>
gleichungen und &#x017F;cha&#x0364;tzbare Bemerkungen erla&#x0364;utert wird.</note>. Ueber-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0366] koͤnnen, die fragliche Umwandlung der italieniſchen, wenigſtens der toscaniſchen Malerey ſey das Werk der fruͤheren Decen- nien des dreyzehnten Jahrhunderts. Die unumgaͤngliche Vorausſetzung eines gedeihlichen Wir- kens in den Vortheilen, Handhabungen, Formen der neuen italieniſch-griechiſchen Kunſtart war denn nun allerdings die eben damals eingetretene, zunehmende Empfaͤnglichkeit fuͤr techniſche Foͤrderung oder geiſtige Steigerung der bildenden Kuͤnſte. Unter den aͤußeren Veranlaſſungen, welche hier, wie uͤberall, hinzugewirkt haben, war indeß die Eroberung von Conſtantinopel durch Franken und Italiener offenkundig und einleuchtend die wichtigſte. — Die Venezianer ſcheinen auf die Koͤſtlichkeit kirchlicher Kunſtſchaͤtze der Byzantiner ſich beſſer verſtanden zu haben, als die kriegeriſchen Praͤlaten und muthi- gen Ritter der Franken. Villehardouin enthaͤlt, bey viel allgemeiner Bewunderung der Pracht byzantiniſcher Baukunſt und Lebenseinrichtung, durchaus keine in das Einzelne gehende Kunſtnachricht *). Dagegen haben wir lange Verzeichniſſe von Buͤchern, Kleinoden, Geraͤthen, welche die Venezianer aus den Kirchen der Hauptſtadt ſollen entnommen haben **). Ueber- *) Villehardouin, Geoffroy de, hist. de la conquête de Constantinople. Paris 1657. fo. p. 81. — Vom Brande, welcher der Eroberung voranging. — „Les barons de l’armée eûrent grande compassion, de voir ces hautes Eglises et ces riches palais „fondre et abaissier.“ — Et les grandes ruës marchandes avec des riches- ses inestimables toutes au feu.“ **) S. Alter, Fr. C., philologiſch-krit. Miscellaneen. Wien 1799. XVII. (S. 234). Wo „uͤber eine lit. artiſtiſche Pluͤnderung zu Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts“ die wichtige Stelle der Chronik des Dorotheus (Venet. 1778. 4. p. 397 f.) durch Ver- gleichungen und ſchaͤtzbare Bemerkungen erlaͤutert wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/366
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/366>, abgerufen am 24.11.2024.