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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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erst von Raphael wiederum genutzt, und allerdings unendlich
gefördert worden. Namentlich in der Wendung der Augen,
im Benutzen des weißen Localtons in den Winkeln seitwärts
gerichteter Augensterne, ist es dem Künstler gelungen, Betrof-
fenheit, Schauer und innere Bewegung des Gemüths bey viel
äußerer Ruhe auszudrücken. In kunsthistorischer und typolo-
gischer Beziehung ist es wichtig, theils weil das Kreuz und
die Geburt des Heilands, Vorstellungen und Erfindungen bar-
barischer Zeiten, den Aufdruck derselben auch hier nicht ver-
läugnen; theils weil in anderen hochalterthümlichen Vorstel-
lungen, etwa in der Wiederbelebung des Lazarus, der allge-
meine Charakter bey weitem classischer ist, als irgend in ita-
lienischen Denkmalen des vierten und fünften Jahrhunderts;
theils endlich, weil die Glorie in der Transfiguration, ich
weiß nicht durch welches Mittelglied, dieselbe ist, welche Ra-
phael
dem Entwurf nach in sein berühmtes Altargemälde
aufgenommen.

Gori hält dieses Werk in Ansehung seiner freilich nicht
so durchgehenden Aehnlichkeit mit dem bekannten Menologio
des Basilius Porphyrogennetos, für Arbeit des zehnten Jahr-
hunderts. Wir werden annehmen dürfen, es sey unter allen
Umständen nicht so gar viel jünger. Denn der Beschlag von
getriebenem, vergoldetem Silber ist in einem rohen, zum
Orientalischen sich hinneigenden Geschmacke verziert und email-
lirt; dieser indeß hat auch im östlichen Reiche schwerlich den
vorgothischen und gothischen Baugeschmack überdauert, welcher
bekanntlich im dreyzehnten und folgenden Jahrhundert auch in
den Orient eingedrungen. Aus dem Alter der Einfassung
würden wir auf ein verhältnißmäßiges Alter des Musives zu-
rückschließen dürfen, da jenes sicher für dieses gemacht wor-

I. 20

erſt von Raphael wiederum genutzt, und allerdings unendlich
gefoͤrdert worden. Namentlich in der Wendung der Augen,
im Benutzen des weißen Localtons in den Winkeln ſeitwaͤrts
gerichteter Augenſterne, iſt es dem Kuͤnſtler gelungen, Betrof-
fenheit, Schauer und innere Bewegung des Gemuͤths bey viel
aͤußerer Ruhe auszudruͤcken. In kunſthiſtoriſcher und typolo-
giſcher Beziehung iſt es wichtig, theils weil das Kreuz und
die Geburt des Heilands, Vorſtellungen und Erfindungen bar-
bariſcher Zeiten, den Aufdruck derſelben auch hier nicht ver-
laͤugnen; theils weil in anderen hochalterthuͤmlichen Vorſtel-
lungen, etwa in der Wiederbelebung des Lazarus, der allge-
meine Charakter bey weitem claſſiſcher iſt, als irgend in ita-
lieniſchen Denkmalen des vierten und fuͤnften Jahrhunderts;
theils endlich, weil die Glorie in der Transfiguration, ich
weiß nicht durch welches Mittelglied, dieſelbe iſt, welche Ra-
phael
dem Entwurf nach in ſein beruͤhmtes Altargemaͤlde
aufgenommen.

Gori haͤlt dieſes Werk in Anſehung ſeiner freilich nicht
ſo durchgehenden Aehnlichkeit mit dem bekannten Menologio
des Baſilius Porphyrogennetos, fuͤr Arbeit des zehnten Jahr-
hunderts. Wir werden annehmen duͤrfen, es ſey unter allen
Umſtaͤnden nicht ſo gar viel juͤnger. Denn der Beſchlag von
getriebenem, vergoldetem Silber iſt in einem rohen, zum
Orientaliſchen ſich hinneigenden Geſchmacke verziert und email-
lirt; dieſer indeß hat auch im oͤſtlichen Reiche ſchwerlich den
vorgothiſchen und gothiſchen Baugeſchmack uͤberdauert, welcher
bekanntlich im dreyzehnten und folgenden Jahrhundert auch in
den Orient eingedrungen. Aus dem Alter der Einfaſſung
wuͤrden wir auf ein verhaͤltnißmaͤßiges Alter des Muſives zu-
ruͤckſchließen duͤrfen, da jenes ſicher fuͤr dieſes gemacht wor-

I. 20
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[305/0323] erſt von Raphael wiederum genutzt, und allerdings unendlich gefoͤrdert worden. Namentlich in der Wendung der Augen, im Benutzen des weißen Localtons in den Winkeln ſeitwaͤrts gerichteter Augenſterne, iſt es dem Kuͤnſtler gelungen, Betrof- fenheit, Schauer und innere Bewegung des Gemuͤths bey viel aͤußerer Ruhe auszudruͤcken. In kunſthiſtoriſcher und typolo- giſcher Beziehung iſt es wichtig, theils weil das Kreuz und die Geburt des Heilands, Vorſtellungen und Erfindungen bar- bariſcher Zeiten, den Aufdruck derſelben auch hier nicht ver- laͤugnen; theils weil in anderen hochalterthuͤmlichen Vorſtel- lungen, etwa in der Wiederbelebung des Lazarus, der allge- meine Charakter bey weitem claſſiſcher iſt, als irgend in ita- lieniſchen Denkmalen des vierten und fuͤnften Jahrhunderts; theils endlich, weil die Glorie in der Transfiguration, ich weiß nicht durch welches Mittelglied, dieſelbe iſt, welche Ra- phael dem Entwurf nach in ſein beruͤhmtes Altargemaͤlde aufgenommen. Gori haͤlt dieſes Werk in Anſehung ſeiner freilich nicht ſo durchgehenden Aehnlichkeit mit dem bekannten Menologio des Baſilius Porphyrogennetos, fuͤr Arbeit des zehnten Jahr- hunderts. Wir werden annehmen duͤrfen, es ſey unter allen Umſtaͤnden nicht ſo gar viel juͤnger. Denn der Beſchlag von getriebenem, vergoldetem Silber iſt in einem rohen, zum Orientaliſchen ſich hinneigenden Geſchmacke verziert und email- lirt; dieſer indeß hat auch im oͤſtlichen Reiche ſchwerlich den vorgothiſchen und gothiſchen Baugeſchmack uͤberdauert, welcher bekanntlich im dreyzehnten und folgenden Jahrhundert auch in den Orient eingedrungen. Aus dem Alter der Einfaſſung wuͤrden wir auf ein verhaͤltnißmaͤßiges Alter des Muſives zu- ruͤckſchließen duͤrfen, da jenes ſicher fuͤr dieſes gemacht wor- I. 20

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/323>, abgerufen am 25.11.2024.