Gestalten gehen, welche mithin sogar unter byzantinischen Ar- beiten durch Hagerkeit sich auszeichneten.
Wenn wir nun diese roheren Fabrikate ausnehmen, und zugleich von allen bildnerischen Versuchen der Byzantiner im Allgemeinen voraussetzen, daß sie den malerischen durchhin um einige Stufen nachgestanden; so werden wir uns unbedenklich der Bewunderung ihrer älteren Malereyen hingeben können. Größere musivische Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann ich allerdings nicht anführen, noch weniger genau bezeichnen; kleinere indeß die Fülle, deren Erhaltung wir höchst wahr- scheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in gesittete Länder zu verdanken haben.
Unbedenklich gebe ich unter diesen, da jene Rolle der Vaticana, mit geistreichen Zeichnungen aus der Geschichte des Josua, schon oben berührt worden, dem musivischen Kalenda- rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr- hunderts von einer venetianischen Dame, der Wittwe eines byzantinischen Kämmerlings, dem Schatze der Johanniskirche zu Florenz gegen eine ansehnliche Leibrente überlassen wor- den *). Es besteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichstem Musiv, welches in ästhetischer, wie in kunsthistorischer Bezie- hung für uns von höchster Wichtigkeit ist. In ästhetischer, weil es in solchen Theilen, wo hochalterthümliche Vorbilder dem Künstler zu Hülfe kommen, Vortheile der Anordnung und der Charakteristik zeigt, welche in der neueren Malerey
erst
*) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war früher des Joh. Kantacuzenus Kämmerling gewesen. Das Kunstwerk soll er aus der kais. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins Blaue hinein behauptet.
Geſtalten gehen, welche mithin ſogar unter byzantiniſchen Ar- beiten durch Hagerkeit ſich auszeichneten.
Wenn wir nun dieſe roheren Fabrikate ausnehmen, und zugleich von allen bildneriſchen Verſuchen der Byzantiner im Allgemeinen vorausſetzen, daß ſie den maleriſchen durchhin um einige Stufen nachgeſtanden; ſo werden wir uns unbedenklich der Bewunderung ihrer aͤlteren Malereyen hingeben koͤnnen. Groͤßere muſiviſche Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann ich allerdings nicht anfuͤhren, noch weniger genau bezeichnen; kleinere indeß die Fuͤlle, deren Erhaltung wir hoͤchſt wahr- ſcheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in geſittete Laͤnder zu verdanken haben.
Unbedenklich gebe ich unter dieſen, da jene Rolle der Vaticana, mit geiſtreichen Zeichnungen aus der Geſchichte des Joſua, ſchon oben beruͤhrt worden, dem muſiviſchen Kalenda- rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr- hunderts von einer venetianiſchen Dame, der Wittwe eines byzantiniſchen Kaͤmmerlings, dem Schatze der Johanniskirche zu Florenz gegen eine anſehnliche Leibrente uͤberlaſſen wor- den *). Es beſteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichſtem Muſiv, welches in aͤſthetiſcher, wie in kunſthiſtoriſcher Bezie- hung fuͤr uns von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. In aͤſthetiſcher, weil es in ſolchen Theilen, wo hochalterthuͤmliche Vorbilder dem Kuͤnſtler zu Huͤlfe kommen, Vortheile der Anordnung und der Charakteriſtik zeigt, welche in der neueren Malerey
erſt
*) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war fruͤher des Joh. Kantacuzenus Kaͤmmerling geweſen. Das Kunſtwerk ſoll er aus der kaiſ. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins Blaue hinein behauptet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0322"n="304"/>
Geſtalten gehen, welche mithin ſogar unter byzantiniſchen Ar-<lb/>
beiten durch Hagerkeit ſich auszeichneten.</p><lb/><p>Wenn wir nun dieſe roheren Fabrikate ausnehmen, und<lb/>
zugleich von allen bildneriſchen Verſuchen der Byzantiner im<lb/>
Allgemeinen vorausſetzen, daß ſie den maleriſchen durchhin um<lb/>
einige Stufen nachgeſtanden; ſo werden wir uns unbedenklich<lb/>
der Bewunderung ihrer aͤlteren Malereyen hingeben koͤnnen.<lb/>
Groͤßere muſiviſche Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann<lb/>
ich allerdings nicht anfuͤhren, noch weniger genau bezeichnen;<lb/>
kleinere indeß die Fuͤlle, deren Erhaltung wir hoͤchſt wahr-<lb/>ſcheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in geſittete<lb/>
Laͤnder zu verdanken haben.</p><lb/><p>Unbedenklich gebe ich unter dieſen, da jene Rolle der<lb/>
Vaticana, mit geiſtreichen Zeichnungen aus der Geſchichte des<lb/>
Joſua, ſchon oben beruͤhrt worden, dem muſiviſchen Kalenda-<lb/>
rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr-<lb/>
hunderts von einer venetianiſchen Dame, der Wittwe eines<lb/>
byzantiniſchen Kaͤmmerlings, dem Schatze der Johanniskirche<lb/>
zu <placeName>Florenz</placeName> gegen eine anſehnliche Leibrente uͤberlaſſen wor-<lb/>
den <noteplace="foot"n="*)">S. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118964925">Gori</persName></hi>, mon. Basil. Bapt. <placeName>Flor.</placeName> p. 23. IV.</hi> 4. Die Dame<lb/>
hieß <persNameref="nognd">Nicoletta de Grionibus</persName>. Ihr Gemahl war fruͤher des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118712470">Joh.<lb/>
Kantacuzenus</persName> Kaͤmmerling geweſen. Das Kunſtwerk ſoll er aus<lb/>
der kaiſ. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins<lb/>
Blaue hinein behauptet.</note>. Es beſteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichſtem<lb/>
Muſiv, welches in aͤſthetiſcher, wie in kunſthiſtoriſcher Bezie-<lb/>
hung fuͤr uns von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. In aͤſthetiſcher,<lb/>
weil es in ſolchen Theilen, wo hochalterthuͤmliche Vorbilder<lb/>
dem Kuͤnſtler zu Huͤlfe kommen, Vortheile der Anordnung<lb/>
und der Charakteriſtik zeigt, welche in der neueren Malerey<lb/><fwplace="bottom"type="catch">erſt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[304/0322]
Geſtalten gehen, welche mithin ſogar unter byzantiniſchen Ar-
beiten durch Hagerkeit ſich auszeichneten.
Wenn wir nun dieſe roheren Fabrikate ausnehmen, und
zugleich von allen bildneriſchen Verſuchen der Byzantiner im
Allgemeinen vorausſetzen, daß ſie den maleriſchen durchhin um
einige Stufen nachgeſtanden; ſo werden wir uns unbedenklich
der Bewunderung ihrer aͤlteren Malereyen hingeben koͤnnen.
Groͤßere muſiviſche Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann
ich allerdings nicht anfuͤhren, noch weniger genau bezeichnen;
kleinere indeß die Fuͤlle, deren Erhaltung wir hoͤchſt wahr-
ſcheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in geſittete
Laͤnder zu verdanken haben.
Unbedenklich gebe ich unter dieſen, da jene Rolle der
Vaticana, mit geiſtreichen Zeichnungen aus der Geſchichte des
Joſua, ſchon oben beruͤhrt worden, dem muſiviſchen Kalenda-
rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr-
hunderts von einer venetianiſchen Dame, der Wittwe eines
byzantiniſchen Kaͤmmerlings, dem Schatze der Johanniskirche
zu Florenz gegen eine anſehnliche Leibrente uͤberlaſſen wor-
den *). Es beſteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichſtem
Muſiv, welches in aͤſthetiſcher, wie in kunſthiſtoriſcher Bezie-
hung fuͤr uns von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. In aͤſthetiſcher,
weil es in ſolchen Theilen, wo hochalterthuͤmliche Vorbilder
dem Kuͤnſtler zu Huͤlfe kommen, Vortheile der Anordnung
und der Charakteriſtik zeigt, welche in der neueren Malerey
erſt
*) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame
hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war fruͤher des Joh.
Kantacuzenus Kaͤmmerling geweſen. Das Kunſtwerk ſoll er aus
der kaiſ. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins
Blaue hinein behauptet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/322>, abgerufen am 15.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.