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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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vorzüglich, sind die Figuren des Reliefs am Architrav der
Seitenthüre, in welchem ein Heiliger mit Nimbus nackt, so-
gar die Geschlechtstheile entblößt, in einem Gefäße steht; zwey
Männer halten, oder lassen ihn an beiden aufgehobenen Ar-
men in das Gefäß hinab, worin er wahrscheinlich gesotten
werden soll. Auf dem Gefäße lieset sich:
BIDVINO ME
FECIT HOC.

Morrona setzt ein opus hinzu, welches ich weder gese-
hen, noch den Raum gefunden habe, wo es etwa hätte ange-
bracht seyn können. Im Felde aber steht: S. NICH., der
Name des Heiligen; ferner: OLAVI. PSBR., offenbar der
Name des Pfarrers, welcher das Bild angeordnet. Ich würde
solches, nach der Beschaffenheit der Arbeit, wie selbst nach
dem beygeschriebenen Namen des Heiligen, für eine Arbeit
des eilften Jahrhunderts halten. Morrona indeß giebt aus
der vorstädtischen Kirche S. Cassiano bey Pisa eine zweyte
Inschrift, welche ich nicht gesehen oder verglichen habe, deren
Ausdruck indeß unverdächtig ist *). Dieser zufolge wäre Bi-
duinus
ein kläglicher Meister des zwölften Jahrhunderts, wel-
cher Morrona's pisanischer Schule, wenn er ihr zuzugeben
wäre, doch nur geringe Ehre bringen dürfte.

Am Taufstein der alten Kirche S. Frediano zu Lucca be-
findet sich eine leider beschädigte Inschrift, welche die meisten
Forscher dieser Gegend übersehen haben. Die einfache Anlage
des Werkes, mancherley altchristliche Reminiscenzen, die Wap-
penung und Bekleidung der Figuren -- Reiter in gestrickten

*) Das. Hoc opus, quod cernis, Biduinus docte peregit Un-
decies Centum et octoginta post anni etc. etc.

vorzuͤglich, ſind die Figuren des Reliefs am Architrav der
Seitenthuͤre, in welchem ein Heiliger mit Nimbus nackt, ſo-
gar die Geſchlechtstheile entbloͤßt, in einem Gefaͤße ſteht; zwey
Maͤnner halten, oder laſſen ihn an beiden aufgehobenen Ar-
men in das Gefaͤß hinab, worin er wahrſcheinlich geſotten
werden ſoll. Auf dem Gefaͤße lieſet ſich:
BIDVINO ME
FECIT HOC.

Morrona ſetzt ein opus hinzu, welches ich weder geſe-
hen, noch den Raum gefunden habe, wo es etwa haͤtte ange-
bracht ſeyn koͤnnen. Im Felde aber ſteht: S. NICH., der
Name des Heiligen; ferner: OLAVI. PSBR., offenbar der
Name des Pfarrers, welcher das Bild angeordnet. Ich wuͤrde
ſolches, nach der Beſchaffenheit der Arbeit, wie ſelbſt nach
dem beygeſchriebenen Namen des Heiligen, fuͤr eine Arbeit
des eilften Jahrhunderts halten. Morrona indeß giebt aus
der vorſtaͤdtiſchen Kirche S. Caſſiano bey Piſa eine zweyte
Inſchrift, welche ich nicht geſehen oder verglichen habe, deren
Ausdruck indeß unverdaͤchtig iſt *). Dieſer zufolge waͤre Bi-
duinus
ein klaͤglicher Meiſter des zwoͤlften Jahrhunderts, wel-
cher Morrona’s piſaniſcher Schule, wenn er ihr zuzugeben
waͤre, doch nur geringe Ehre bringen duͤrfte.

Am Taufſtein der alten Kirche S. Frediano zu Lucca be-
findet ſich eine leider beſchaͤdigte Inſchrift, welche die meiſten
Forſcher dieſer Gegend uͤberſehen haben. Die einfache Anlage
des Werkes, mancherley altchriſtliche Reminiſcenzen, die Wap-
penung und Bekleidung der Figuren — Reiter in geſtrickten

*) Daſ. Hoc opus, quod cernis, Biduinus docte peregit Un-
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[261/0279] vorzuͤglich, ſind die Figuren des Reliefs am Architrav der Seitenthuͤre, in welchem ein Heiliger mit Nimbus nackt, ſo- gar die Geſchlechtstheile entbloͤßt, in einem Gefaͤße ſteht; zwey Maͤnner halten, oder laſſen ihn an beiden aufgehobenen Ar- men in das Gefaͤß hinab, worin er wahrſcheinlich geſotten werden ſoll. Auf dem Gefaͤße lieſet ſich: BIDVINO ME FECIT HOC. Morrona ſetzt ein opus hinzu, welches ich weder geſe- hen, noch den Raum gefunden habe, wo es etwa haͤtte ange- bracht ſeyn koͤnnen. Im Felde aber ſteht: S. NICH., der Name des Heiligen; ferner: OLAVI. PSBR., offenbar der Name des Pfarrers, welcher das Bild angeordnet. Ich wuͤrde ſolches, nach der Beſchaffenheit der Arbeit, wie ſelbſt nach dem beygeſchriebenen Namen des Heiligen, fuͤr eine Arbeit des eilften Jahrhunderts halten. Morrona indeß giebt aus der vorſtaͤdtiſchen Kirche S. Caſſiano bey Piſa eine zweyte Inſchrift, welche ich nicht geſehen oder verglichen habe, deren Ausdruck indeß unverdaͤchtig iſt *). Dieſer zufolge waͤre Bi- duinus ein klaͤglicher Meiſter des zwoͤlften Jahrhunderts, wel- cher Morrona’s piſaniſcher Schule, wenn er ihr zuzugeben waͤre, doch nur geringe Ehre bringen duͤrfte. Am Taufſtein der alten Kirche S. Frediano zu Lucca be- findet ſich eine leider beſchaͤdigte Inſchrift, welche die meiſten Forſcher dieſer Gegend uͤberſehen haben. Die einfache Anlage des Werkes, mancherley altchriſtliche Reminiſcenzen, die Wap- penung und Bekleidung der Figuren — Reiter in geſtrickten *) Daſ. Hoc opus, quod cernis, Biduinus docte peregit Un- decies Centum et octoginta post anni etc. etc.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/279>, abgerufen am 22.11.2024.