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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Gemahlin, noch den Papst, mithin ganz andere, als jene von
Sulzer angegebenen Gegenstände. Meinem Berichtgeber schien
im Heiland der altchristliche Typus in großer Reinheit hervor-
zutreten; die mechanische oder technische Behandlung billigte
er, wie schon Sulzer, wenn dieser anders dasselbe Denkmal
im Sinne hatte.

In Bezug auf dessen frühere Bestimmung schließt sich
mein Berichtgeber der Meinung der mayländischen Kenner an,
und hält dieses kleine Denkmal entweder für eine bewegliche
Altartafel, oder auch für einen ehemaligen Bücherdeckel. Er-
wägen wir aber, daß unsere Tafel nur einen schlichten unver-
zierten Rand hat, während in den bekannteren Deckeln dieser
Zeit, wie in den bambergischen der münchener Hofbibliothek
die Randverzierung meist mit dem Bilde aus einem Stücke,
geschnitzt ist; so wird es näher liegen, sie für ein Bruchstück
zu halten. Und da ihre Gegenstände, über welche die beyge-
fügten Inschriften keinen Zweifel zulassen, durchhin mit der
Bestimmung jenes Marienkästleins, dem Geschenke Ottos des
Großen
an seinen Schutzheiligen, Mauritius, zusammenfallen;
so spreche ich mit Zuversicht noch einmal die Vermuthung aus,
daß sie vormals diesem Reliquiar müsse angehört haben. Die
Plünderung Magdeburgs im dreyßigjährigen Kriege, vornehm-
lich die fremden Völker im kaiserlichen Dienste, dürften die
Versetzung dieses Bruchstückes in eine italienische Sammlung
zur Genüge erklären.

Ein Denkmal der Calligraphie unter Otto II. besitzen wir
in der herrlichen Bekräftigung des Leibgedinges der Kaiserin
Theophanu, welche zu Gandersheim aufbewahrt wird; wenn
sie anders von Cassel, wohin sie unter der westphälischen Re-
gierung gelangt war, den rechtmäßigen Eigenthümern zurück-

Gemahlin, noch den Papſt, mithin ganz andere, als jene von
Sulzer angegebenen Gegenſtaͤnde. Meinem Berichtgeber ſchien
im Heiland der altchriſtliche Typus in großer Reinheit hervor-
zutreten; die mechaniſche oder techniſche Behandlung billigte
er, wie ſchon Sulzer, wenn dieſer anders daſſelbe Denkmal
im Sinne hatte.

In Bezug auf deſſen fruͤhere Beſtimmung ſchließt ſich
mein Berichtgeber der Meinung der maylaͤndiſchen Kenner an,
und haͤlt dieſes kleine Denkmal entweder fuͤr eine bewegliche
Altartafel, oder auch fuͤr einen ehemaligen Buͤcherdeckel. Er-
waͤgen wir aber, daß unſere Tafel nur einen ſchlichten unver-
zierten Rand hat, waͤhrend in den bekannteren Deckeln dieſer
Zeit, wie in den bambergiſchen der muͤnchener Hofbibliothek
die Randverzierung meiſt mit dem Bilde aus einem Stuͤcke,
geſchnitzt iſt; ſo wird es naͤher liegen, ſie fuͤr ein Bruchſtuͤck
zu halten. Und da ihre Gegenſtaͤnde, uͤber welche die beyge-
fuͤgten Inſchriften keinen Zweifel zulaſſen, durchhin mit der
Beſtimmung jenes Marienkaͤſtleins, dem Geſchenke Ottos des
Großen
an ſeinen Schutzheiligen, Mauritius, zuſammenfallen;
ſo ſpreche ich mit Zuverſicht noch einmal die Vermuthung aus,
daß ſie vormals dieſem Reliquiar muͤſſe angehoͤrt haben. Die
Pluͤnderung Magdeburgs im dreyßigjaͤhrigen Kriege, vornehm-
lich die fremden Voͤlker im kaiſerlichen Dienſte, duͤrften die
Verſetzung dieſes Bruchſtuͤckes in eine italieniſche Sammlung
zur Genuͤge erklaͤren.

Ein Denkmal der Calligraphie unter Otto II. beſitzen wir
in der herrlichen Bekraͤftigung des Leibgedinges der Kaiſerin
Theophanu, welche zu Gandersheim aufbewahrt wird; wenn
ſie anders von Caſſel, wohin ſie unter der weſtphaͤliſchen Re-
gierung gelangt war, den rechtmaͤßigen Eigenthuͤmern zuruͤck-

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[230/0248] Gemahlin, noch den Papſt, mithin ganz andere, als jene von Sulzer angegebenen Gegenſtaͤnde. Meinem Berichtgeber ſchien im Heiland der altchriſtliche Typus in großer Reinheit hervor- zutreten; die mechaniſche oder techniſche Behandlung billigte er, wie ſchon Sulzer, wenn dieſer anders daſſelbe Denkmal im Sinne hatte. In Bezug auf deſſen fruͤhere Beſtimmung ſchließt ſich mein Berichtgeber der Meinung der maylaͤndiſchen Kenner an, und haͤlt dieſes kleine Denkmal entweder fuͤr eine bewegliche Altartafel, oder auch fuͤr einen ehemaligen Buͤcherdeckel. Er- waͤgen wir aber, daß unſere Tafel nur einen ſchlichten unver- zierten Rand hat, waͤhrend in den bekannteren Deckeln dieſer Zeit, wie in den bambergiſchen der muͤnchener Hofbibliothek die Randverzierung meiſt mit dem Bilde aus einem Stuͤcke, geſchnitzt iſt; ſo wird es naͤher liegen, ſie fuͤr ein Bruchſtuͤck zu halten. Und da ihre Gegenſtaͤnde, uͤber welche die beyge- fuͤgten Inſchriften keinen Zweifel zulaſſen, durchhin mit der Beſtimmung jenes Marienkaͤſtleins, dem Geſchenke Ottos des Großen an ſeinen Schutzheiligen, Mauritius, zuſammenfallen; ſo ſpreche ich mit Zuverſicht noch einmal die Vermuthung aus, daß ſie vormals dieſem Reliquiar muͤſſe angehoͤrt haben. Die Pluͤnderung Magdeburgs im dreyßigjaͤhrigen Kriege, vornehm- lich die fremden Voͤlker im kaiſerlichen Dienſte, duͤrften die Verſetzung dieſes Bruchſtuͤckes in eine italieniſche Sammlung zur Genuͤge erklaͤren. Ein Denkmal der Calligraphie unter Otto II. beſitzen wir in der herrlichen Bekraͤftigung des Leibgedinges der Kaiſerin Theophanu, welche zu Gandersheim aufbewahrt wird; wenn ſie anders von Caſſel, wohin ſie unter der weſtphaͤliſchen Re- gierung gelangt war, den rechtmaͤßigen Eigenthuͤmern zuruͤck-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/248>, abgerufen am 22.11.2024.