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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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so dürfte ich daraus schließen, daß in Italien damals bereits
ein gewisser Mangel an brauchbaren Arbeitern entstanden sey,
dessen Veranlassung in den rheinischen Unternehmungen des
Königs verborgen seyn könnte. Hadrian I. begehrte von Karl
einen geschickten Zimmermann, ihm das Bauholz zu einer
schwierigen Wiederherstellung in der S. Peterskirche auszuwäh-
len *). War es, weil die nördlichen Nationen den Holzbau
besser verstanden? Oder war es vielmehr, weil der König die
besseren Handwerker auch in diesem Kunstzweige aus Italien an
sich gezogen, in welchem Falle der Papst nur zurück begehrt
hätte, was ursprünglich Italien angehört? Diese Fragen sind
allerdings nicht übereilt zu beantworten, indeß Vermuthungen,
welche in der Folge vielleicht zu begründen seyn werden.

Vor der Hand aber liegt es uns näher, auch in Bezug
auf Sculptur und Malerey, das Daseyn und den Fortgang
einer ursprünglich römisch-altchristlichen Schule nachzuweisen,
welche am Hofe Karl des Großen aufgeblüht, und, vielleicht
durch Vermittelung Arnulphs, welcher auf der einen Seite
dem fränkischen Herrscherstamme, auf der anderen dem deut-
schen Lande verwandt war **), auch diesseit des Rheines
Wurzeln geschlagen und neue Zweige getrieben hat. Künftige
Geschichtschreiber der deutschen Kunst werden auf diese Grund-
lagen der karolingischen Zeit zu achten haben. Denn eben wie

*) Epist. Hadriani I. (ap. Bouquet. T. c. p. 559. -- "prius
nobis unum dirigite magistrum, qui considerare debeat ipsum
lignamen, quod ibidem necesse fuerit, ut sicut antiquitus fuit, ita
valeat renovari."
**) S. Zirngibl, P. Rom., von der Geburt und Wahl des
Königs Arnolf, im Bd. III. der neuen hist. Abh. der baierischen
Akad. der Wiss.

ſo duͤrfte ich daraus ſchließen, daß in Italien damals bereits
ein gewiſſer Mangel an brauchbaren Arbeitern entſtanden ſey,
deſſen Veranlaſſung in den rheiniſchen Unternehmungen des
Koͤnigs verborgen ſeyn koͤnnte. Hadrian I. begehrte von Karl
einen geſchickten Zimmermann, ihm das Bauholz zu einer
ſchwierigen Wiederherſtellung in der S. Peterskirche auszuwaͤh-
len *). War es, weil die noͤrdlichen Nationen den Holzbau
beſſer verſtanden? Oder war es vielmehr, weil der Koͤnig die
beſſeren Handwerker auch in dieſem Kunſtzweige aus Italien an
ſich gezogen, in welchem Falle der Papſt nur zuruͤck begehrt
haͤtte, was urſpruͤnglich Italien angehoͤrt? Dieſe Fragen ſind
allerdings nicht uͤbereilt zu beantworten, indeß Vermuthungen,
welche in der Folge vielleicht zu begruͤnden ſeyn werden.

Vor der Hand aber liegt es uns naͤher, auch in Bezug
auf Sculptur und Malerey, das Daſeyn und den Fortgang
einer urſpruͤnglich roͤmiſch-altchriſtlichen Schule nachzuweiſen,
welche am Hofe Karl des Großen aufgebluͤht, und, vielleicht
durch Vermittelung Arnulphs, welcher auf der einen Seite
dem fraͤnkiſchen Herrſcherſtamme, auf der anderen dem deut-
ſchen Lande verwandt war **), auch dieſſeit des Rheines
Wurzeln geſchlagen und neue Zweige getrieben hat. Kuͤnftige
Geſchichtſchreiber der deutſchen Kunſt werden auf dieſe Grund-
lagen der karolingiſchen Zeit zu achten haben. Denn eben wie

*) Epist. Hadriani I. (ap. Bouquet. T. c. p. 559. — „prius
nobis unum dirigite magistrum, qui considerare debeat ipsum
lignamen, quod ibidem necesse fuerit, ut sicut antiquitus fuit, ita
valeat renovari.“
**) S. Zirngibl, P. Rom., von der Geburt und Wahl des
Koͤnigs Arnolf, im Bd. III. der neuen hiſt. Abh. der baieriſchen
Akad. der Wiſſ.
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[216/0234] ſo duͤrfte ich daraus ſchließen, daß in Italien damals bereits ein gewiſſer Mangel an brauchbaren Arbeitern entſtanden ſey, deſſen Veranlaſſung in den rheiniſchen Unternehmungen des Koͤnigs verborgen ſeyn koͤnnte. Hadrian I. begehrte von Karl einen geſchickten Zimmermann, ihm das Bauholz zu einer ſchwierigen Wiederherſtellung in der S. Peterskirche auszuwaͤh- len *). War es, weil die noͤrdlichen Nationen den Holzbau beſſer verſtanden? Oder war es vielmehr, weil der Koͤnig die beſſeren Handwerker auch in dieſem Kunſtzweige aus Italien an ſich gezogen, in welchem Falle der Papſt nur zuruͤck begehrt haͤtte, was urſpruͤnglich Italien angehoͤrt? Dieſe Fragen ſind allerdings nicht uͤbereilt zu beantworten, indeß Vermuthungen, welche in der Folge vielleicht zu begruͤnden ſeyn werden. Vor der Hand aber liegt es uns naͤher, auch in Bezug auf Sculptur und Malerey, das Daſeyn und den Fortgang einer urſpruͤnglich roͤmiſch-altchriſtlichen Schule nachzuweiſen, welche am Hofe Karl des Großen aufgebluͤht, und, vielleicht durch Vermittelung Arnulphs, welcher auf der einen Seite dem fraͤnkiſchen Herrſcherſtamme, auf der anderen dem deut- ſchen Lande verwandt war **), auch dieſſeit des Rheines Wurzeln geſchlagen und neue Zweige getrieben hat. Kuͤnftige Geſchichtſchreiber der deutſchen Kunſt werden auf dieſe Grund- lagen der karolingiſchen Zeit zu achten haben. Denn eben wie *) Epist. Hadriani I. (ap. Bouquet. T. c. p. 559. — „prius nobis unum dirigite magistrum, qui considerare debeat ipsum lignamen, quod ibidem necesse fuerit, ut sicut antiquitus fuit, ita valeat renovari.“ **) S. Zirngibl, P. Rom., von der Geburt und Wahl des Koͤnigs Arnolf, im Bd. III. der neuen hiſt. Abh. der baieriſchen Akad. der Wiſſ.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/234>, abgerufen am 27.11.2024.