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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Doch, nachdem die fränkische Herrschaft über alle gallischen
Provinzen ausgebreitet, das herrschende Haus in sich zerfallen,
die Sitten gänzlich verwildert waren, erlitt jene Nachwirkung
römisch-christlicher Kunstbestrebungen eine sichtbare Unterbre-
chung; und todte Vorbilder sind, wie die vielfältigsten Erfah-
rungen zeigen, unzureichend, einseitig auf kriegerische oder po-
litische Größe, oder bloß auf Ueberfluß an Nothdürftigem ge-
richtete Völker zur Kunst anzuleiten. Ueberhaupt sind die
Franken, in Bezug auf Fähigkeit und Sinn der Kunst, nicht
wohl mit den Anwohnern des Rheins *) oder mit den Gothen
zu vergleichen, welche an den östlichen Grenzen des Reiches,
in fruchtbaren Wohnsitzen **), früh den Werth der Gesittung
kennen gelernt. Schon wo sie zuerst in der Geschichte auftreten,
erscheinen die Franken als kriegerisch verwilderte, rauhe Völ-
ker, welche vielleicht eben daher früh die Sittenlosigkeit der
letzten Römer in sich aufnahmen, sehr spät aber jene Grund-
lagen guter Ordnung und fruchtbarer Sitte erkannten und
würdigten, welche in den Trümmern der römischen, in den
Keimen der christlichen Bildung verborgen lagen. Die dürf-
tige Geschichte der Könige des ersten Stammes zeigt keinen
Fürsten auf, welcher das Andenken Roms geehrt und gestrebt
hätte, sich mit römischem Glanze zu umgeben ***), oder aus

*) Von den Anwohnern des Mittelrheins erwähnt Ammian
(lib. XVII.) "domicilia -- curatius ritu Romano constructa."
**) Ds. (lib. XXXI.). -- "Ermenrichi late patentes e uberes
pagos."
***) Verschiedentlich wird aus Gregor von Tours (lib. V.
c.
18.) angeführt, Chilperich habe einen Circus auf antike Weise
erbauen lassen. Sehen wir indeß die Quelle selbst: Chilperich
wird durch Gesandte drohend angemahnt, herauszugeben, was er

Doch, nachdem die fraͤnkiſche Herrſchaft uͤber alle galliſchen
Provinzen ausgebreitet, das herrſchende Haus in ſich zerfallen,
die Sitten gaͤnzlich verwildert waren, erlitt jene Nachwirkung
roͤmiſch-chriſtlicher Kunſtbeſtrebungen eine ſichtbare Unterbre-
chung; und todte Vorbilder ſind, wie die vielfaͤltigſten Erfah-
rungen zeigen, unzureichend, einſeitig auf kriegeriſche oder po-
litiſche Groͤße, oder bloß auf Ueberfluß an Nothduͤrftigem ge-
richtete Voͤlker zur Kunſt anzuleiten. Ueberhaupt ſind die
Franken, in Bezug auf Faͤhigkeit und Sinn der Kunſt, nicht
wohl mit den Anwohnern des Rheins *) oder mit den Gothen
zu vergleichen, welche an den oͤſtlichen Grenzen des Reiches,
in fruchtbaren Wohnſitzen **), fruͤh den Werth der Geſittung
kennen gelernt. Schon wo ſie zuerſt in der Geſchichte auftreten,
erſcheinen die Franken als kriegeriſch verwilderte, rauhe Voͤl-
ker, welche vielleicht eben daher fruͤh die Sittenloſigkeit der
letzten Roͤmer in ſich aufnahmen, ſehr ſpaͤt aber jene Grund-
lagen guter Ordnung und fruchtbarer Sitte erkannten und
wuͤrdigten, welche in den Truͤmmern der roͤmiſchen, in den
Keimen der chriſtlichen Bildung verborgen lagen. Die duͤrf-
tige Geſchichte der Koͤnige des erſten Stammes zeigt keinen
Fuͤrſten auf, welcher das Andenken Roms geehrt und geſtrebt
haͤtte, ſich mit roͤmiſchem Glanze zu umgeben ***), oder aus

*) Von den Anwohnern des Mittelrheins erwaͤhnt Ammian
(lib. XVII.) „domicilia — curatius ritu Romano constructa.“
**) Dſ. (lib. XXXI.). — „Ermenrichi late patentes e uberes
pagos.“
***) Verſchiedentlich wird aus Gregor von Tours (lib. V.
c.
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erbauen laſſen. Sehen wir indeß die Quelle ſelbſt: Chilperich
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[207/0225] Doch, nachdem die fraͤnkiſche Herrſchaft uͤber alle galliſchen Provinzen ausgebreitet, das herrſchende Haus in ſich zerfallen, die Sitten gaͤnzlich verwildert waren, erlitt jene Nachwirkung roͤmiſch-chriſtlicher Kunſtbeſtrebungen eine ſichtbare Unterbre- chung; und todte Vorbilder ſind, wie die vielfaͤltigſten Erfah- rungen zeigen, unzureichend, einſeitig auf kriegeriſche oder po- litiſche Groͤße, oder bloß auf Ueberfluß an Nothduͤrftigem ge- richtete Voͤlker zur Kunſt anzuleiten. Ueberhaupt ſind die Franken, in Bezug auf Faͤhigkeit und Sinn der Kunſt, nicht wohl mit den Anwohnern des Rheins *) oder mit den Gothen zu vergleichen, welche an den oͤſtlichen Grenzen des Reiches, in fruchtbaren Wohnſitzen **), fruͤh den Werth der Geſittung kennen gelernt. Schon wo ſie zuerſt in der Geſchichte auftreten, erſcheinen die Franken als kriegeriſch verwilderte, rauhe Voͤl- ker, welche vielleicht eben daher fruͤh die Sittenloſigkeit der letzten Roͤmer in ſich aufnahmen, ſehr ſpaͤt aber jene Grund- lagen guter Ordnung und fruchtbarer Sitte erkannten und wuͤrdigten, welche in den Truͤmmern der roͤmiſchen, in den Keimen der chriſtlichen Bildung verborgen lagen. Die duͤrf- tige Geſchichte der Koͤnige des erſten Stammes zeigt keinen Fuͤrſten auf, welcher das Andenken Roms geehrt und geſtrebt haͤtte, ſich mit roͤmiſchem Glanze zu umgeben ***), oder aus *) Von den Anwohnern des Mittelrheins erwaͤhnt Ammian (lib. XVII.) „domicilia — curatius ritu Romano constructa.“ **) Dſ. (lib. XXXI.). — „Ermenrichi late patentes e uberes pagos.“ ***) Verſchiedentlich wird aus Gregor von Tours (lib. V. c. 18.) angefuͤhrt, Chilperich habe einen Circus auf antike Weiſe erbauen laſſen. Sehen wir indeß die Quelle ſelbſt: Chilperich wird durch Geſandte drohend angemahnt, herauszugeben, was er

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/225>, abgerufen am 26.11.2024.