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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Disputa, die Annäherung an das Hochalterthümliche gestat-
tete. Denn Gegenstände der Kunst, welche um Vieles später
aufgekommen, gleich den Madonnen, gleich der Leidensge-
schichte, gleich den Lebensereignissen neuerer Heiligen, beruhen,
wie sie denn schon aus einer ganz anderen Stimmung und
Ansicht hervorgegangen, so auch auf ihren eigenen Vorbildern,
welche ungleich später, im vorgerückten Mittelalter, ihre Wur-
zeln verbreiten.

Wäre es überhaupt meine Absicht, die ältesten Kunstver-
suche der Christen bis in das Einzelne zu verfolgen, so würde
ich doch dem Stoffe nach kaum über die weitläuftigen, aber
geistlosen Werke des Bosius und Ciampini, über Fu-
rietti's
Musive und Gori's Diptycha, über die Compilation
des Molanus und die Topographen von Ravenna, wie end-
lich über Buonaroti's treffliche Monographien *) hinausge-
hen können. Eine fruchtbare Bemühung um diesen Gegenstand
erheischt aber einestheils eine eigene, in unseren Tagen unter
Kunstfreunden seltene Gelehrsamkeit, die Kenntniß der Väter
und der Concilien, anderntheils eine genaue Durchforschung
weit verstreueter Alterthümer, welche nicht mit Erfolg anzu-

*) Osservazioni sopra alcuni frammenti di vasi antichi di vetro
ornati di figure, trovati ne cimister di Roma. Firenze
1716. 4.
Der größte Theil der oben bezeichneten Bücher ist überall bekannt.
Die Topographie von Ravenna, welche am Agnellus eine wich-
tige Quelle besitzt, und nach ihm schon von Rubeus und Fabri
bearbeitet worden, hat noch im achtzehnten Jahrh. große Nachhülfe
erhalten. -- Molanus wird durch Ayala, pictor. Christ. erudi-
tus
unterstützt, und wenn beide nur als Vorarbeit genügen können,
so giebt Kopp, Ulrich Friedr., Bilder und Schriften der Vorzeit,
Mannheim 1819. 8., ein Buch, welches ich leider nur aus einer
günstigen Beurtheilung kenne, wahrscheinlich die nöthige Aushülfe.

Disputa, die Annaͤherung an das Hochalterthuͤmliche geſtat-
tete. Denn Gegenſtaͤnde der Kunſt, welche um Vieles ſpaͤter
aufgekommen, gleich den Madonnen, gleich der Leidensge-
ſchichte, gleich den Lebensereigniſſen neuerer Heiligen, beruhen,
wie ſie denn ſchon aus einer ganz anderen Stimmung und
Anſicht hervorgegangen, ſo auch auf ihren eigenen Vorbildern,
welche ungleich ſpaͤter, im vorgeruͤckten Mittelalter, ihre Wur-
zeln verbreiten.

Waͤre es uͤberhaupt meine Abſicht, die aͤlteſten Kunſtver-
ſuche der Chriſten bis in das Einzelne zu verfolgen, ſo wuͤrde
ich doch dem Stoffe nach kaum uͤber die weitlaͤuftigen, aber
geiſtloſen Werke des Boſius und Ciampini, uͤber Fu-
rietti’s
Muſive und Gori’s Diptycha, uͤber die Compilation
des Molanus und die Topographen von Ravenna, wie end-
lich uͤber Buonaroti’s treffliche Monographien *) hinausge-
hen koͤnnen. Eine fruchtbare Bemuͤhung um dieſen Gegenſtand
erheiſcht aber einestheils eine eigene, in unſeren Tagen unter
Kunſtfreunden ſeltene Gelehrſamkeit, die Kenntniß der Vaͤter
und der Concilien, anderntheils eine genaue Durchforſchung
weit verſtreueter Alterthuͤmer, welche nicht mit Erfolg anzu-

*) Osservazioni sopra alcuni frammenti di vasi antichi di vetro
ornati di figure, trovati né cimister di Roma. Firenze
1716. 4.
Der groͤßte Theil der oben bezeichneten Buͤcher iſt uͤberall bekannt.
Die Topographie von Ravenna, welche am Agnellus eine wich-
tige Quelle beſitzt, und nach ihm ſchon von Rubeus und Fabri
bearbeitet worden, hat noch im achtzehnten Jahrh. große Nachhuͤlfe
erhalten. — Molanus wird durch Ayala, pictor. Christ. erudi-
tus
unterſtuͤtzt, und wenn beide nur als Vorarbeit genuͤgen koͤnnen,
ſo giebt Kopp, Ulrich Friedr., Bilder und Schriften der Vorzeit,
Mannheim 1819. 8., ein Buch, welches ich leider nur aus einer
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[173/0191] Disputa, die Annaͤherung an das Hochalterthuͤmliche geſtat- tete. Denn Gegenſtaͤnde der Kunſt, welche um Vieles ſpaͤter aufgekommen, gleich den Madonnen, gleich der Leidensge- ſchichte, gleich den Lebensereigniſſen neuerer Heiligen, beruhen, wie ſie denn ſchon aus einer ganz anderen Stimmung und Anſicht hervorgegangen, ſo auch auf ihren eigenen Vorbildern, welche ungleich ſpaͤter, im vorgeruͤckten Mittelalter, ihre Wur- zeln verbreiten. Waͤre es uͤberhaupt meine Abſicht, die aͤlteſten Kunſtver- ſuche der Chriſten bis in das Einzelne zu verfolgen, ſo wuͤrde ich doch dem Stoffe nach kaum uͤber die weitlaͤuftigen, aber geiſtloſen Werke des Boſius und Ciampini, uͤber Fu- rietti’s Muſive und Gori’s Diptycha, uͤber die Compilation des Molanus und die Topographen von Ravenna, wie end- lich uͤber Buonaroti’s treffliche Monographien *) hinausge- hen koͤnnen. Eine fruchtbare Bemuͤhung um dieſen Gegenſtand erheiſcht aber einestheils eine eigene, in unſeren Tagen unter Kunſtfreunden ſeltene Gelehrſamkeit, die Kenntniß der Vaͤter und der Concilien, anderntheils eine genaue Durchforſchung weit verſtreueter Alterthuͤmer, welche nicht mit Erfolg anzu- *) Osservazioni sopra alcuni frammenti di vasi antichi di vetro ornati di figure, trovati né cimister di Roma. Firenze 1716. 4. Der groͤßte Theil der oben bezeichneten Buͤcher iſt uͤberall bekannt. Die Topographie von Ravenna, welche am Agnellus eine wich- tige Quelle beſitzt, und nach ihm ſchon von Rubeus und Fabri bearbeitet worden, hat noch im achtzehnten Jahrh. große Nachhuͤlfe erhalten. — Molanus wird durch Ayala, pictor. Christ. erudi- tus unterſtuͤtzt, und wenn beide nur als Vorarbeit genuͤgen koͤnnen, ſo giebt Kopp, Ulrich Friedr., Bilder und Schriften der Vorzeit, Mannheim 1819. 8., ein Buch, welches ich leider nur aus einer guͤnſtigen Beurtheilung kenne, wahrſcheinlich die noͤthige Aushuͤlfe.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/191>, abgerufen am 28.11.2024.