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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Indeß, wie wir solche auch in der Wirklichkeit nur in-
nerhalb der Grenzen in sich abgeschlossener Erscheinungen auf-
fassen; wie wir sie, etwa bei einem menschlichen Antlitz, nicht
durch Vergleichung mit einem andern, noch durch Aussonde-
rung der einzelnen Theile, vielmehr nur in dem Verhältniß
aller Theile unter sich, wie zum Ganzen, aufsuchen werden:
so ergiebt sie sich auch in Kunstwerken nicht aus der Wohl-
gestalt der einzelnen Theile, sondern einzig aus ihrem Ge-
sammtverhältniß. Wo dieses mangelhaft ist, da hilft die
Wohlgestalt der Theile nicht aus, wie solches unter anderen
die historischen Gemälde der Zeiten des Mengs und David,
so wie nicht minder gar viele Bauwerke der Neueren ins Licht
setzen. Denn, obwohl in den ersten viele einzelne Theile gu-
ten Modellen und schönen alten Statüen, in den anderen
Säulen und Gebälke den alten Bauwerken mit großer Ge-
schicklichkeit nachgemacht sind, so erscheinen sie doch von eben
jener räumlichen Harmonie, von der hier die Rede, durchaus
entblößt, was übrigens ihrem ächten Verdienste nicht etwa
im Lichte stehen soll. Wenn nun auf dieser Seite schöne
Theile für sich allein nicht hinreichen, in Kunstwerken die
Schönheit des Ebenmaßes hervorzubringen, so wird letztere
andererseits nicht selten, gleichwie in der Musik, gerade durch
weniger schöne, und sogar durch unschöne Theile zur Vollen-
dung gebracht, wie denkenden Künstlern gar wohl bekannt ist.
Wird aber die Schönheit der Eurythmie in Kunstwerken nicht
sowohl durch die selbstständige Schönheit der einzelnen Gestal-
ten und Linien, welche Kunstwerke zur Erscheinung bringen,
als vielmehr durch ihre Anordnung, Vertheilung und Stel-
lung bewirkt; so entsteht offenbar auch diese nicht, wie Einige
annehmen, schon aus der eigenen Wohlgestalt von Gegenstän-

Indeß, wie wir ſolche auch in der Wirklichkeit nur in-
nerhalb der Grenzen in ſich abgeſchloſſener Erſcheinungen auf-
faſſen; wie wir ſie, etwa bei einem menſchlichen Antlitz, nicht
durch Vergleichung mit einem andern, noch durch Ausſonde-
rung der einzelnen Theile, vielmehr nur in dem Verhaͤltniß
aller Theile unter ſich, wie zum Ganzen, aufſuchen werden:
ſo ergiebt ſie ſich auch in Kunſtwerken nicht aus der Wohl-
geſtalt der einzelnen Theile, ſondern einzig aus ihrem Ge-
ſammtverhaͤltniß. Wo dieſes mangelhaft iſt, da hilft die
Wohlgeſtalt der Theile nicht aus, wie ſolches unter anderen
die hiſtoriſchen Gemaͤlde der Zeiten des Mengs und David,
ſo wie nicht minder gar viele Bauwerke der Neueren ins Licht
ſetzen. Denn, obwohl in den erſten viele einzelne Theile gu-
ten Modellen und ſchoͤnen alten Statuͤen, in den anderen
Saͤulen und Gebaͤlke den alten Bauwerken mit großer Ge-
ſchicklichkeit nachgemacht ſind, ſo erſcheinen ſie doch von eben
jener raͤumlichen Harmonie, von der hier die Rede, durchaus
entbloͤßt, was uͤbrigens ihrem aͤchten Verdienſte nicht etwa
im Lichte ſtehen ſoll. Wenn nun auf dieſer Seite ſchoͤne
Theile fuͤr ſich allein nicht hinreichen, in Kunſtwerken die
Schoͤnheit des Ebenmaßes hervorzubringen, ſo wird letztere
andererſeits nicht ſelten, gleichwie in der Muſik, gerade durch
weniger ſchoͤne, und ſogar durch unſchoͤne Theile zur Vollen-
dung gebracht, wie denkenden Kuͤnſtlern gar wohl bekannt iſt.
Wird aber die Schoͤnheit der Eurythmie in Kunſtwerken nicht
ſowohl durch die ſelbſtſtaͤndige Schoͤnheit der einzelnen Geſtal-
ten und Linien, welche Kunſtwerke zur Erſcheinung bringen,
als vielmehr durch ihre Anordnung, Vertheilung und Stel-
lung bewirkt; ſo entſteht offenbar auch dieſe nicht, wie Einige
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[152/0170] Indeß, wie wir ſolche auch in der Wirklichkeit nur in- nerhalb der Grenzen in ſich abgeſchloſſener Erſcheinungen auf- faſſen; wie wir ſie, etwa bei einem menſchlichen Antlitz, nicht durch Vergleichung mit einem andern, noch durch Ausſonde- rung der einzelnen Theile, vielmehr nur in dem Verhaͤltniß aller Theile unter ſich, wie zum Ganzen, aufſuchen werden: ſo ergiebt ſie ſich auch in Kunſtwerken nicht aus der Wohl- geſtalt der einzelnen Theile, ſondern einzig aus ihrem Ge- ſammtverhaͤltniß. Wo dieſes mangelhaft iſt, da hilft die Wohlgeſtalt der Theile nicht aus, wie ſolches unter anderen die hiſtoriſchen Gemaͤlde der Zeiten des Mengs und David, ſo wie nicht minder gar viele Bauwerke der Neueren ins Licht ſetzen. Denn, obwohl in den erſten viele einzelne Theile gu- ten Modellen und ſchoͤnen alten Statuͤen, in den anderen Saͤulen und Gebaͤlke den alten Bauwerken mit großer Ge- ſchicklichkeit nachgemacht ſind, ſo erſcheinen ſie doch von eben jener raͤumlichen Harmonie, von der hier die Rede, durchaus entbloͤßt, was uͤbrigens ihrem aͤchten Verdienſte nicht etwa im Lichte ſtehen ſoll. Wenn nun auf dieſer Seite ſchoͤne Theile fuͤr ſich allein nicht hinreichen, in Kunſtwerken die Schoͤnheit des Ebenmaßes hervorzubringen, ſo wird letztere andererſeits nicht ſelten, gleichwie in der Muſik, gerade durch weniger ſchoͤne, und ſogar durch unſchoͤne Theile zur Vollen- dung gebracht, wie denkenden Kuͤnſtlern gar wohl bekannt iſt. Wird aber die Schoͤnheit der Eurythmie in Kunſtwerken nicht ſowohl durch die ſelbſtſtaͤndige Schoͤnheit der einzelnen Geſtal- ten und Linien, welche Kunſtwerke zur Erſcheinung bringen, als vielmehr durch ihre Anordnung, Vertheilung und Stel- lung bewirkt; ſo entſteht offenbar auch dieſe nicht, wie Einige annehmen, ſchon aus der eigenen Wohlgeſtalt von Gegenſtaͤn-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/170>, abgerufen am 24.11.2024.