Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.ein solches haben sie unstreitig der glorwürdigen Kunstepoche, *) Und schon ungleich früher vornehmlich auf die Italiener eingewirkt. S. Petrarcae ep. fam. Lib. II. ep. XIX. (alter Aus- gaben) und Ghiberti a. a. O. **) "Aber, sagen die Herausg. Winckelmanns (Thl. IV.
Anm. 477.), wenn einst die in den letzten funfzig bis sechzig Jah- ren entstandenen Kunstwerke aller Art unpartheyisch betrachtet und mit den früheren verglichen werden; wird man alsdann unserer Zeit gegen jene (von Maratti bis auf Winkelmann) auch den Vorzug geist- und gehaltvollerer Erfindung, belebterer Darstel- lungen, mehrerer Eigenthümlichkeit und im ganzen herrschender Harmonie zugestehn? es ist viel zu fürchten." -- Demnach dürfte nach diesen Zweifeln eifriger Begünstiger der Nachahmung antiker Statuen das Ergebniß dieser Nachahmung nicht einmal den Ver- gleich mit der verwerflichsten Epoche moderner Kunst ertragen können. ein ſolches haben ſie unſtreitig der glorwuͤrdigen Kunſtepoche, *) Und ſchon ungleich fruͤher vornehmlich auf die Italiener eingewirkt. S. Petrarcae ep. fam. Lib. II. ep. XIX. (alter Aus- gaben) und Ghiberti a. a. O. **) „Aber, ſagen die Herausg. Winckelmanns (Thl. IV.
Anm. 477.), wenn einſt die in den letzten funfzig bis ſechzig Jah- ren entſtandenen Kunſtwerke aller Art unpartheyiſch betrachtet und mit den fruͤheren verglichen werden; wird man alsdann unſerer Zeit gegen jene (von Maratti bis auf Winkelmann) auch den Vorzug geiſt- und gehaltvollerer Erfindung, belebterer Darſtel- lungen, mehrerer Eigenthuͤmlichkeit und im ganzen herrſchender Harmonie zugeſtehn? es iſt viel zu fuͤrchten.“ — Demnach duͤrfte nach dieſen Zweifeln eifriger Beguͤnſtiger der Nachahmung antiker Statuen das Ergebniß dieſer Nachahmung nicht einmal den Ver- gleich mit der verwerflichſten Epoche moderner Kunſt ertragen koͤnnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="117"/> ein ſolches haben ſie unſtreitig der glorwuͤrdigen Kunſtepoche,<lb/> aus welcher <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName></hi> hervorgegangen, weſentlich genuͤtzt <note place="foot" n="*)">Und ſchon ungleich fruͤher vornehmlich auf die Italiener<lb/> eingewirkt. S. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118593234">Petrarcae</persName> ep. fam. Lib. II. ep. XIX.</hi> (alter Aus-<lb/> gaben) und <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName></hi> a. a. O.</note>.<lb/> Allein, daß man damals ſchon geſtrebt, in ihre Aeußerlichkei-<lb/> ten, in ihre Formen ſich hineinzugießen, iſt eine hiſtoriſche Luͤge,<lb/> welche man ſich am Ende ſelbſt geglaubt. Die Schule <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Ra-<lb/> phaels</persName></hi> hat allerdings mancherley Motive, Verzierungen, Be-<lb/> kleidungen vornehmlich aus untergeordneten Werken des Al-<lb/> terthumes frey ergriffen und in ihr eignes Gebiet uͤbertragen.<lb/> Doch von jenen Nachaͤffungen des Habituellen und Aeußerli-<lb/> chen der Antike, welche in den letzten 60 Jahren mit ſo vie-<lb/> lem Eifer, als geringem Erfolge <note place="foot" n="**)">„Aber, ſagen die Herausg. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633600">Winckelmanns</persName></hi> (Thl. <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> Anm. 477.), wenn einſt die in den letzten funfzig bis ſechzig Jah-<lb/> ren entſtandenen Kunſtwerke aller Art unpartheyiſch betrachtet und<lb/> mit den fruͤheren verglichen werden; wird man alsdann unſerer<lb/> Zeit gegen jene (von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119414651">Maratti</persName></hi> bis auf <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633600">Winkelmann</persName></hi>) auch<lb/> den Vorzug geiſt- und gehaltvollerer Erfindung, belebterer Darſtel-<lb/> lungen, mehrerer Eigenthuͤmlichkeit und im ganzen herrſchender<lb/> Harmonie zugeſtehn? es iſt viel zu fuͤrchten.“ — Demnach duͤrfte<lb/> nach dieſen Zweifeln eifriger Beguͤnſtiger der Nachahmung antiker<lb/> Statuen das Ergebniß dieſer Nachahmung nicht einmal den Ver-<lb/> gleich mit der verwerflichſten Epoche moderner Kunſt ertragen<lb/> koͤnnen.</note> betrieben worden, findet<lb/> ſich unter tauſenden von Studien und Handzeichnungen der<lb/> raphaeliſchen Zeit auch nicht die geringſte Spur. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName></hi><lb/> verſchmaͤhte ſogar in der Schule von <placeName>Athen</placeName> die Statuen in<lb/> den Vertiefungen der Waͤnde zu antikiſiren, was hier vielleicht<lb/> aus einem maleriſchen Stylgefuͤhle geſchehn, auf deſſen Grund<lb/> ich oben hingedeutet. In der That muͤßte<choice><sic>,</sic><corr/></choice> ſeine Nachahmung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0135]
ein ſolches haben ſie unſtreitig der glorwuͤrdigen Kunſtepoche,
aus welcher Raphael hervorgegangen, weſentlich genuͤtzt *).
Allein, daß man damals ſchon geſtrebt, in ihre Aeußerlichkei-
ten, in ihre Formen ſich hineinzugießen, iſt eine hiſtoriſche Luͤge,
welche man ſich am Ende ſelbſt geglaubt. Die Schule Ra-
phaels hat allerdings mancherley Motive, Verzierungen, Be-
kleidungen vornehmlich aus untergeordneten Werken des Al-
terthumes frey ergriffen und in ihr eignes Gebiet uͤbertragen.
Doch von jenen Nachaͤffungen des Habituellen und Aeußerli-
chen der Antike, welche in den letzten 60 Jahren mit ſo vie-
lem Eifer, als geringem Erfolge **) betrieben worden, findet
ſich unter tauſenden von Studien und Handzeichnungen der
raphaeliſchen Zeit auch nicht die geringſte Spur. Raphael
verſchmaͤhte ſogar in der Schule von Athen die Statuen in
den Vertiefungen der Waͤnde zu antikiſiren, was hier vielleicht
aus einem maleriſchen Stylgefuͤhle geſchehn, auf deſſen Grund
ich oben hingedeutet. In der That muͤßte ſeine Nachahmung
*) Und ſchon ungleich fruͤher vornehmlich auf die Italiener
eingewirkt. S. Petrarcae ep. fam. Lib. II. ep. XIX. (alter Aus-
gaben) und Ghiberti a. a. O.
**) „Aber, ſagen die Herausg. Winckelmanns (Thl. IV.
Anm. 477.), wenn einſt die in den letzten funfzig bis ſechzig Jah-
ren entſtandenen Kunſtwerke aller Art unpartheyiſch betrachtet und
mit den fruͤheren verglichen werden; wird man alsdann unſerer
Zeit gegen jene (von Maratti bis auf Winkelmann) auch
den Vorzug geiſt- und gehaltvollerer Erfindung, belebterer Darſtel-
lungen, mehrerer Eigenthuͤmlichkeit und im ganzen herrſchender
Harmonie zugeſtehn? es iſt viel zu fuͤrchten.“ — Demnach duͤrfte
nach dieſen Zweifeln eifriger Beguͤnſtiger der Nachahmung antiker
Statuen das Ergebniß dieſer Nachahmung nicht einmal den Ver-
gleich mit der verwerflichſten Epoche moderner Kunſt ertragen
koͤnnen.
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