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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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umgänglich seyn, den Charakter dieser untergeordneten Kunst-
arbeiten zu ermitteln und festzustellen, damit man sie überall
mit größter Schärfe von allem Lebendigen und Eigenthümli-
chen absondern könne.

Unter den Neueren fühlte Mengs *) zuerst das Be-
dürfniß, in den Bildwerken des Alterthumes Originale[s] und
Nachgeahmtes zu unterscheiden; denn die Wahrnehmung ein-
zelner Mängel in den Verhältnissen, oder in dem Hauptent-
wurf der Formen veranlaßte ihn zu Zweifeln an der Aecht-
heit selbst berühmter Statuen. Maß und Verhältniß, sogar
die allgemeinste Andeutung der Formen, können indeß, wie
die neuesten Werkstätten zeigen, in der Bildnerkunst schon durch
geometrische und mechanische Kunstgriffe in größter Vollkom-
menheit wiederholt werden. Fehler des bloßen Maßes, welche
bisweilen aus dem Standort der Statuen zu erklären seyn
dürften, werden also in diesem Falle das Urtheil nicht be-
stimmen können. Allein in der Vollendung der äußersten
Oberfläche wird jener dem Copisten unerreichbare Hauch des
Geistes, jener volle Aufdruck künstlerischer Eigenthümlichkeit
sich ankündigen, an welchem wir, wenn solches bey so großer
Entlegenheit der Zeiten überall noch möglich ist, in den Sta-
tuen des Alterthumes, eben wie in den Malereyen der Neue-
ren, das Werk des Meisters, das Original, erkennen sollen.

Erscheint nun eben dieser Hauch des Geistes, weil er
nothwendig überall als ein Lebendiges und Wahres sich an-
kündigt, unseren ästhetischen Idealisten meist als ein verdäch-

*) Vergl. Winckelmann und sein Jahrh. S. 281., wo ein
abgeschlossenes System sich instinctmäßig gegen eine Neuerung auf-
lehnt, welche ihm allerdings verderblich werden könnte.

umgaͤnglich ſeyn, den Charakter dieſer untergeordneten Kunſt-
arbeiten zu ermitteln und feſtzuſtellen, damit man ſie uͤberall
mit groͤßter Schaͤrfe von allem Lebendigen und Eigenthuͤmli-
chen abſondern koͤnne.

Unter den Neueren fuͤhlte Mengs *) zuerſt das Be-
duͤrfniß, in den Bildwerken des Alterthumes Originale[s] und
Nachgeahmtes zu unterſcheiden; denn die Wahrnehmung ein-
zelner Maͤngel in den Verhaͤltniſſen, oder in dem Hauptent-
wurf der Formen veranlaßte ihn zu Zweifeln an der Aecht-
heit ſelbſt beruͤhmter Statuen. Maß und Verhaͤltniß, ſogar
die allgemeinſte Andeutung der Formen, koͤnnen indeß, wie
die neueſten Werkſtaͤtten zeigen, in der Bildnerkunſt ſchon durch
geometriſche und mechaniſche Kunſtgriffe in groͤßter Vollkom-
menheit wiederholt werden. Fehler des bloßen Maßes, welche
bisweilen aus dem Standort der Statuen zu erklaͤren ſeyn
duͤrften, werden alſo in dieſem Falle das Urtheil nicht be-
ſtimmen koͤnnen. Allein in der Vollendung der aͤußerſten
Oberflaͤche wird jener dem Copiſten unerreichbare Hauch des
Geiſtes, jener volle Aufdruck kuͤnſtleriſcher Eigenthuͤmlichkeit
ſich ankuͤndigen, an welchem wir, wenn ſolches bey ſo großer
Entlegenheit der Zeiten uͤberall noch moͤglich iſt, in den Sta-
tuen des Alterthumes, eben wie in den Malereyen der Neue-
ren, das Werk des Meiſters, das Original, erkennen ſollen.

Erſcheint nun eben dieſer Hauch des Geiſtes, weil er
nothwendig uͤberall als ein Lebendiges und Wahres ſich an-
kuͤndigt, unſeren aͤſthetiſchen Idealiſten meiſt als ein verdaͤch-

*) Vergl. Winckelmann und ſein Jahrh. S. 281., wo ein
abgeſchloſſenes Syſtem ſich inſtinctmaͤßig gegen eine Neuerung auf-
lehnt, welche ihm allerdings verderblich werden koͤnnte.
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[114/0132] umgaͤnglich ſeyn, den Charakter dieſer untergeordneten Kunſt- arbeiten zu ermitteln und feſtzuſtellen, damit man ſie uͤberall mit groͤßter Schaͤrfe von allem Lebendigen und Eigenthuͤmli- chen abſondern koͤnne. Unter den Neueren fuͤhlte Mengs *) zuerſt das Be- duͤrfniß, in den Bildwerken des Alterthumes Originales und Nachgeahmtes zu unterſcheiden; denn die Wahrnehmung ein- zelner Maͤngel in den Verhaͤltniſſen, oder in dem Hauptent- wurf der Formen veranlaßte ihn zu Zweifeln an der Aecht- heit ſelbſt beruͤhmter Statuen. Maß und Verhaͤltniß, ſogar die allgemeinſte Andeutung der Formen, koͤnnen indeß, wie die neueſten Werkſtaͤtten zeigen, in der Bildnerkunſt ſchon durch geometriſche und mechaniſche Kunſtgriffe in groͤßter Vollkom- menheit wiederholt werden. Fehler des bloßen Maßes, welche bisweilen aus dem Standort der Statuen zu erklaͤren ſeyn duͤrften, werden alſo in dieſem Falle das Urtheil nicht be- ſtimmen koͤnnen. Allein in der Vollendung der aͤußerſten Oberflaͤche wird jener dem Copiſten unerreichbare Hauch des Geiſtes, jener volle Aufdruck kuͤnſtleriſcher Eigenthuͤmlichkeit ſich ankuͤndigen, an welchem wir, wenn ſolches bey ſo großer Entlegenheit der Zeiten uͤberall noch moͤglich iſt, in den Sta- tuen des Alterthumes, eben wie in den Malereyen der Neue- ren, das Werk des Meiſters, das Original, erkennen ſollen. Erſcheint nun eben dieſer Hauch des Geiſtes, weil er nothwendig uͤberall als ein Lebendiges und Wahres ſich an- kuͤndigt, unſeren aͤſthetiſchen Idealiſten meiſt als ein verdaͤch- *) Vergl. Winckelmann und ſein Jahrh. S. 281., wo ein abgeſchloſſenes Syſtem ſich inſtinctmaͤßig gegen eine Neuerung auf- lehnt, welche ihm allerdings verderblich werden koͤnnte.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/132>, abgerufen am 26.11.2024.