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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Rom war unter den Kaisern die Möglichkeit entstanden, die
Launen der Gewalt und des Reichthumes mit erstaunenswer-
ther Schnelligkeit zu befriedigen. Allerdings dürfen wir auch
hierin die hohe, leider nicht umständlich bekannte, Ausbildung
der bildnerischen Technik des Alterthumes bewundern. Allein,
daß diese Arbeiten sämmtlich Werke des Geistes gewesen, kön-
nen wir schon deßhalb nicht annehmen, weil sie unter den
Zeitgenossen keine Achtung erlangt haben. Und wenn es theils,
wie bey den Verzierungen der Villa Hadrians, gewiß, theils
doch wahrscheinlich ist, daß die große Ueberzahl zu Rom und
in dessen Umgebungen, aufgefundener Bildwerke, aus den Werk-
stätten römischer marmorarii, wie Seneca *) sie gering-
schätzig benennt, hervorgegangen, welche zur lebendigen und
eigenthümlichen Kunst des Alterthumes etwa in dem Verhält-
niß stehen mögen, als die modernen italienischen Marmisten
zu mehr eigenthümlichen Bildnern ihrer Zeit: so wird es un-

und technische Kunstvortheile fortzupflanzen, doch eben nicht, um
zum Copiren zu veranlassen. Der Copist regnet überall in die Welt,
wie ein Meteorstein. Nur wo alle wirkliche Tradition abgerissen
worden, wie in den neuesten Zeiten, wie in Bezug auf eingenthüm-
lich Griechisches, wahrscheinlich auch zu Rom unter den Cäsarn
(denen eine der Kunst verderbliche Epoche voranging, welche bis
jetzt nicht hinreichend untersucht worden) verfällt die Geistesar-
muth auf stumpfsinniges Nachbilden vorhandener Kunstwerke. Die
Gelehrten indeß sehen die Kunst im Ganzen nicht genug auf die
Kunst an; es genügt ihnen, auf Ideen zu stoßen, welche ihnen be-
reits durch Vermittelung des Begriffes befreundet sind; das Leben,
welches vom Künstler ausströmt, ist ihnen gleichgültiger, daher die
Copie minder verhaßt, als dem Kunstfreunde. Aber auch darin
scheint Herder fehl zu greifen, daß er das eigenthümliche Leben
der macedonisch- und römisch-griechischen Kunst ganz überspringt.
*) ep. 88.
I. 8

Rom war unter den Kaiſern die Moͤglichkeit entſtanden, die
Launen der Gewalt und des Reichthumes mit erſtaunenswer-
ther Schnelligkeit zu befriedigen. Allerdings duͤrfen wir auch
hierin die hohe, leider nicht umſtaͤndlich bekannte, Ausbildung
der bildneriſchen Technik des Alterthumes bewundern. Allein,
daß dieſe Arbeiten ſaͤmmtlich Werke des Geiſtes geweſen, koͤn-
nen wir ſchon deßhalb nicht annehmen, weil ſie unter den
Zeitgenoſſen keine Achtung erlangt haben. Und wenn es theils,
wie bey den Verzierungen der Villa Hadrians, gewiß, theils
doch wahrſcheinlich iſt, daß die große Ueberzahl zu Rom und
in deſſen Umgebungen, aufgefundener Bildwerke, aus den Werk-
ſtaͤtten roͤmiſcher marmorarii, wie Seneca *) ſie gering-
ſchaͤtzig benennt, hervorgegangen, welche zur lebendigen und
eigenthuͤmlichen Kunſt des Alterthumes etwa in dem Verhaͤlt-
niß ſtehen moͤgen, als die modernen italieniſchen Marmiſten
zu mehr eigenthuͤmlichen Bildnern ihrer Zeit: ſo wird es un-

und techniſche Kunſtvortheile fortzupflanzen, doch eben nicht, um
zum Copiren zu veranlaſſen. Der Copiſt regnet uͤberall in die Welt,
wie ein Meteorſtein. Nur wo alle wirkliche Tradition abgeriſſen
worden, wie in den neueſten Zeiten, wie in Bezug auf eingenthuͤm-
lich Griechiſches, wahrſcheinlich auch zu Rom unter den Caͤſarn
(denen eine der Kunſt verderbliche Epoche voranging, welche bis
jetzt nicht hinreichend unterſucht worden) verfaͤllt die Geiſtesar-
muth auf ſtumpfſinniges Nachbilden vorhandener Kunſtwerke. Die
Gelehrten indeß ſehen die Kunſt im Ganzen nicht genug auf die
Kunſt an; es genuͤgt ihnen, auf Ideen zu ſtoßen, welche ihnen be-
reits durch Vermittelung des Begriffes befreundet ſind; das Leben,
welches vom Kuͤnſtler ausſtroͤmt, iſt ihnen gleichguͤltiger, daher die
Copie minder verhaßt, als dem Kunſtfreunde. Aber auch darin
ſcheint Herder fehl zu greifen, daß er das eigenthuͤmliche Leben
der macedoniſch- und roͤmiſch-griechiſchen Kunſt ganz uͤberſpringt.
*) ep. 88.
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[113/0131] Rom war unter den Kaiſern die Moͤglichkeit entſtanden, die Launen der Gewalt und des Reichthumes mit erſtaunenswer- ther Schnelligkeit zu befriedigen. Allerdings duͤrfen wir auch hierin die hohe, leider nicht umſtaͤndlich bekannte, Ausbildung der bildneriſchen Technik des Alterthumes bewundern. Allein, daß dieſe Arbeiten ſaͤmmtlich Werke des Geiſtes geweſen, koͤn- nen wir ſchon deßhalb nicht annehmen, weil ſie unter den Zeitgenoſſen keine Achtung erlangt haben. Und wenn es theils, wie bey den Verzierungen der Villa Hadrians, gewiß, theils doch wahrſcheinlich iſt, daß die große Ueberzahl zu Rom und in deſſen Umgebungen, aufgefundener Bildwerke, aus den Werk- ſtaͤtten roͤmiſcher marmorarii, wie Seneca *) ſie gering- ſchaͤtzig benennt, hervorgegangen, welche zur lebendigen und eigenthuͤmlichen Kunſt des Alterthumes etwa in dem Verhaͤlt- niß ſtehen moͤgen, als die modernen italieniſchen Marmiſten zu mehr eigenthuͤmlichen Bildnern ihrer Zeit: ſo wird es un- *) *) ep. 88. *) und techniſche Kunſtvortheile fortzupflanzen, doch eben nicht, um zum Copiren zu veranlaſſen. Der Copiſt regnet uͤberall in die Welt, wie ein Meteorſtein. Nur wo alle wirkliche Tradition abgeriſſen worden, wie in den neueſten Zeiten, wie in Bezug auf eingenthuͤm- lich Griechiſches, wahrſcheinlich auch zu Rom unter den Caͤſarn (denen eine der Kunſt verderbliche Epoche voranging, welche bis jetzt nicht hinreichend unterſucht worden) verfaͤllt die Geiſtesar- muth auf ſtumpfſinniges Nachbilden vorhandener Kunſtwerke. Die Gelehrten indeß ſehen die Kunſt im Ganzen nicht genug auf die Kunſt an; es genuͤgt ihnen, auf Ideen zu ſtoßen, welche ihnen be- reits durch Vermittelung des Begriffes befreundet ſind; das Leben, welches vom Kuͤnſtler ausſtroͤmt, iſt ihnen gleichguͤltiger, daher die Copie minder verhaßt, als dem Kunſtfreunde. Aber auch darin ſcheint Herder fehl zu greifen, daß er das eigenthuͤmliche Leben der macedoniſch- und roͤmiſch-griechiſchen Kunſt ganz uͤberſpringt. I. 8

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/131>, abgerufen am 26.11.2024.