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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Vorherrschend war in der ältesten und schönsten Epoche
der ausgebildeten Kunst des Alterthumes, wie wir nunmehr
fast urkundlich darthun können, jenes unbefangene sich Hin-
geben in ein gesundes Lebensgefühl, jene Anmuth, welche nur
aus der Unbefangenheit hervorgeht und der Absicht nimmer
gelingt. Die ernsteren und tieferen Werke dieser Zeit sind
freylich für uns verloren; doch die eine Seite, welche wir
uns noch versinnlichen können, reicht hin, die Uebereinstim-
mung des künstlerischen Wollens *) jener Zeiten mit dem ge-

Zeit bestimmt werden könnte, da das Gesetz gegeben worden. Doch
in Erwägung der mannichfaltigen und gewaltsamen Veränderungen
in der Gesetzgebung griechischer Staaten vom Anbeginn des pelo-
ponnesischen Krieges, das mazedonische Zeitalter und die Herrschaft
der Römer hindurch bis auf das Zeitalter dieses Schriftstellers,
dürfte man sich geneigt fühlen, in diesem Gesetze eine Verordnung
später (aelianischer) Zeit zu suchen, die ohnehin längst schon nicht
mehr productiv war. Dazu spricht er von Theben, welches in der
Kunstgeschichte nicht eben hervorleuchtet; wie endlich Lessings
Auslegung nicht wohl mit den Ansichten auszugleichen ist, welche
Plutarch, dem neben Aelian wohl ebenfalls eine Stimme gebührt
(de audiendis poetis; opp. ed. Reisk. Vol. VI. p. 62. sq.), auf-
gestellt.
*) Indem ich hier vorschlage, die Kunst des classischen Alter-
thumes auch einmal nach der jedesmal vorwaltenden Lebensansicht,
oder allgemeinen Stimmung des Gemüthes abzutheilen, glaube ich
keinesweges die Unterscheidung von verschiedenen Stufen der Ent-
wickelung äußerer Kunstfertigkeiten überflüssig zu machen, in wel-
cher Hr. Hofr. H. Meyer (Gesch. der bild. K. bey den Griechen
u. a. a. St.) ausgezeichneten Scharfsinn bewiesen hat; noch die
mancherley Richtungen des Sinnes auszuschließen, welche unsere
ästhetischen Archäologen mit jenen gemeinschaftlich aufzufassen und,
Style, zu benennen pflegen. -- Doch fürchte ich, daß jene nicht
selten sehr feinen Unterscheidungen der äußerlichen Merkmale der
verschiedenen Zeiten und Schulen der Kunst bisweilen irre leiten

Vorherrſchend war in der aͤlteſten und ſchoͤnſten Epoche
der ausgebildeten Kunſt des Alterthumes, wie wir nunmehr
faſt urkundlich darthun koͤnnen, jenes unbefangene ſich Hin-
geben in ein geſundes Lebensgefuͤhl, jene Anmuth, welche nur
aus der Unbefangenheit hervorgeht und der Abſicht nimmer
gelingt. Die ernſteren und tieferen Werke dieſer Zeit ſind
freylich fuͤr uns verloren; doch die eine Seite, welche wir
uns noch verſinnlichen koͤnnen, reicht hin, die Uebereinſtim-
mung des kuͤnſtleriſchen Wollens *) jener Zeiten mit dem ge-

Zeit beſtimmt werden koͤnnte, da das Geſetz gegeben worden. Doch
in Erwaͤgung der mannichfaltigen und gewaltſamen Veraͤnderungen
in der Geſetzgebung griechiſcher Staaten vom Anbeginn des pelo-
ponneſiſchen Krieges, das mazedoniſche Zeitalter und die Herrſchaft
der Roͤmer hindurch bis auf das Zeitalter dieſes Schriftſtellers,
duͤrfte man ſich geneigt fuͤhlen, in dieſem Geſetze eine Verordnung
ſpaͤter (aelianiſcher) Zeit zu ſuchen, die ohnehin laͤngſt ſchon nicht
mehr productiv war. Dazu ſpricht er von Theben, welches in der
Kunſtgeſchichte nicht eben hervorleuchtet; wie endlich Leſſings
Auslegung nicht wohl mit den Anſichten auszugleichen iſt, welche
Plutarch, dem neben Aelian wohl ebenfalls eine Stimme gebuͤhrt
(de audiendis poetis; opp. ed. Reisk. Vol. VI. p. 62. sq.), auf-
geſtellt.
*) Indem ich hier vorſchlage, die Kunſt des claſſiſchen Alter-
thumes auch einmal nach der jedesmal vorwaltenden Lebensanſicht,
oder allgemeinen Stimmung des Gemuͤthes abzutheilen, glaube ich
keinesweges die Unterſcheidung von verſchiedenen Stufen der Ent-
wickelung aͤußerer Kunſtfertigkeiten uͤberfluͤſſig zu machen, in wel-
cher Hr. Hofr. H. Meyer (Geſch. der bild. K. bey den Griechen
u. a. a. St.) ausgezeichneten Scharfſinn bewieſen hat; noch die
mancherley Richtungen des Sinnes auszuſchließen, welche unſere
aͤſthetiſchen Archaͤologen mit jenen gemeinſchaftlich aufzufaſſen und,
Style, zu benennen pflegen. — Doch fuͤrchte ich, daß jene nicht
ſelten ſehr feinen Unterſcheidungen der aͤußerlichen Merkmale der
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[110/0128] Vorherrſchend war in der aͤlteſten und ſchoͤnſten Epoche der ausgebildeten Kunſt des Alterthumes, wie wir nunmehr faſt urkundlich darthun koͤnnen, jenes unbefangene ſich Hin- geben in ein geſundes Lebensgefuͤhl, jene Anmuth, welche nur aus der Unbefangenheit hervorgeht und der Abſicht nimmer gelingt. Die ernſteren und tieferen Werke dieſer Zeit ſind freylich fuͤr uns verloren; doch die eine Seite, welche wir uns noch verſinnlichen koͤnnen, reicht hin, die Uebereinſtim- mung des kuͤnſtleriſchen Wollens *) jener Zeiten mit dem ge- **) *) Indem ich hier vorſchlage, die Kunſt des claſſiſchen Alter- thumes auch einmal nach der jedesmal vorwaltenden Lebensanſicht, oder allgemeinen Stimmung des Gemuͤthes abzutheilen, glaube ich keinesweges die Unterſcheidung von verſchiedenen Stufen der Ent- wickelung aͤußerer Kunſtfertigkeiten uͤberfluͤſſig zu machen, in wel- cher Hr. Hofr. H. Meyer (Geſch. der bild. K. bey den Griechen u. a. a. St.) ausgezeichneten Scharfſinn bewieſen hat; noch die mancherley Richtungen des Sinnes auszuſchließen, welche unſere aͤſthetiſchen Archaͤologen mit jenen gemeinſchaftlich aufzufaſſen und, Style, zu benennen pflegen. — Doch fuͤrchte ich, daß jene nicht ſelten ſehr feinen Unterſcheidungen der aͤußerlichen Merkmale der verſchiedenen Zeiten und Schulen der Kunſt bisweilen irre leiten **) Zeit beſtimmt werden koͤnnte, da das Geſetz gegeben worden. Doch in Erwaͤgung der mannichfaltigen und gewaltſamen Veraͤnderungen in der Geſetzgebung griechiſcher Staaten vom Anbeginn des pelo- ponneſiſchen Krieges, das mazedoniſche Zeitalter und die Herrſchaft der Roͤmer hindurch bis auf das Zeitalter dieſes Schriftſtellers, duͤrfte man ſich geneigt fuͤhlen, in dieſem Geſetze eine Verordnung ſpaͤter (aelianiſcher) Zeit zu ſuchen, die ohnehin laͤngſt ſchon nicht mehr productiv war. Dazu ſpricht er von Theben, welches in der Kunſtgeſchichte nicht eben hervorleuchtet; wie endlich Leſſings Auslegung nicht wohl mit den Anſichten auszugleichen iſt, welche Plutarch, dem neben Aelian wohl ebenfalls eine Stimme gebuͤhrt (de audiendis poetis; opp. ed. Reisk. Vol. VI. p. 62. sq.), auf- geſtellt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/128>, abgerufen am 26.11.2024.