Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.und das sterbliche Geschlecht gleichsam dafür schadlos hielten, Worauf denn, dürfte man hier fragen, begründet sich gemach sein eigenes Wollen immer deutlicher erkenne, durch diese dasselbe auszudrücken erfähigt werde; scheint bis dahin nur Weni- gen deutlich zu seyn. Ich habe bereits angemerkt, daß Fortschritte in der Meisterschaft in diesem Verhältniß nichts verändere, wohl den Meister aufwärts rücke, doch die Natur selbst nicht herabsetze. *) Die Worte: gemeine Natur, Beschränktheit der
Natur, und ähnliche, sind in der ästhetischen Literatur so gäng und gebe, daß ich durch Anführung des Einen, den Anderen zu betheiligen fürchte. und das ſterbliche Geſchlecht gleichſam dafuͤr ſchadlos hielten, Worauf denn, duͤrfte man hier fragen, begruͤndet ſich gemach ſein eigenes Wollen immer deutlicher erkenne, durch dieſe daſſelbe auszudruͤcken erfaͤhigt werde; ſcheint bis dahin nur Weni- gen deutlich zu ſeyn. Ich habe bereits angemerkt, daß Fortſchritte in der Meiſterſchaft in dieſem Verhaͤltniß nichts veraͤndere, wohl den Meiſter aufwaͤrts ruͤcke, doch die Natur ſelbſt nicht herabſetze. *) Die Worte: gemeine Natur, Beſchraͤnktheit der
Natur, und aͤhnliche, ſind in der aͤſthetiſchen Literatur ſo gaͤng und gebe, daß ich durch Anfuͤhrung des Einen, den Anderen zu betheiligen fuͤrchte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="106"/> und das ſterbliche Geſchlecht gleichſam dafuͤr ſchadlos hielten,<lb/> das die Natur eben nicht ſchoͤner zu geſtalten verſtanden <note place="foot" n="*)">Die Worte: <hi rendition="#g">gemeine Natur, Beſchraͤnktheit der<lb/> Natur,</hi> und aͤhnliche, ſind in der aͤſthetiſchen Literatur ſo gaͤng<lb/> und gebe, daß ich durch Anfuͤhrung des Einen, den Anderen zu<lb/> betheiligen fuͤrchte.</note>:<lb/> ſo wuͤrde dem Kuͤnſtler allerdings durch die Anſicht, welche<lb/> ich oben zu begruͤnden verſucht, alle Ausſicht auf freye Be-<lb/> wegung und ſelbſtſtaͤndige Leiſtung benommen. Doch duͤrfte<lb/> er innerhalb der Schranken, welche in Bezug auf Form und<lb/> Stoff der Willkuͤhr ſich entgegenſtellen, die freyeſte Bewegung<lb/> bewahren koͤnnen, wenn der Zweck der Kunſt, wie, ſowohl<lb/> aus ihren bekannteren Leiſtungen, als ſchon aus ihrem allge-<lb/> meinſten Begriffe darzulegen iſt, theils mannichfaltiger, theils<lb/> ſelbſt ungleich wichtiger waͤre, als jener, den die aͤſthetiſchen<lb/> Schwaͤrmer ihr vorzeichnen.</p><lb/> <p>Worauf denn, duͤrfte man hier fragen, begruͤndet ſich<lb/> wohl die Anſicht, welche Geiſt und Gefuͤhl des Kuͤnſtlers,<lb/> Sittliches und Wahres des Gegenſtandes, Klarheit und Ver-<lb/> nehmlichkeit der Darſtellung, kurz alles, was nach dem Ge-<lb/> fuͤhl jedes ſich hingebenden, nicht bloß eigne, oder angenom-<lb/> mene Meinungen und Anſichten verfolgenden Kunſtfreundes<lb/> den Werken der Kunſt allein tieferen Gehalt und wahrhaft<lb/> anſprechende Formen verleiht, einer unbeſtimmten Vorſtellung<lb/> von beziehungsloſer Formenſchoͤnheit unterordnet? Nicht auf<lb/> eine poſitive und urſpruͤngliche Vorſtellung <choice><sic>von einer</sic><corr>von</corr></choice> For-<lb/><note xml:id="fn14b" prev="#fn14a" place="foot" n="*)">gemach ſein eigenes Wollen immer deutlicher erkenne, durch dieſe<lb/> daſſelbe auszudruͤcken erfaͤhigt werde; ſcheint bis dahin nur Weni-<lb/> gen deutlich zu ſeyn. Ich habe bereits angemerkt, daß Fortſchritte<lb/> in der Meiſterſchaft in dieſem Verhaͤltniß nichts veraͤndere, wohl<lb/> den Meiſter aufwaͤrts ruͤcke, doch die Natur ſelbſt nicht herabſetze.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0124]
und das ſterbliche Geſchlecht gleichſam dafuͤr ſchadlos hielten,
das die Natur eben nicht ſchoͤner zu geſtalten verſtanden *):
ſo wuͤrde dem Kuͤnſtler allerdings durch die Anſicht, welche
ich oben zu begruͤnden verſucht, alle Ausſicht auf freye Be-
wegung und ſelbſtſtaͤndige Leiſtung benommen. Doch duͤrfte
er innerhalb der Schranken, welche in Bezug auf Form und
Stoff der Willkuͤhr ſich entgegenſtellen, die freyeſte Bewegung
bewahren koͤnnen, wenn der Zweck der Kunſt, wie, ſowohl
aus ihren bekannteren Leiſtungen, als ſchon aus ihrem allge-
meinſten Begriffe darzulegen iſt, theils mannichfaltiger, theils
ſelbſt ungleich wichtiger waͤre, als jener, den die aͤſthetiſchen
Schwaͤrmer ihr vorzeichnen.
Worauf denn, duͤrfte man hier fragen, begruͤndet ſich
wohl die Anſicht, welche Geiſt und Gefuͤhl des Kuͤnſtlers,
Sittliches und Wahres des Gegenſtandes, Klarheit und Ver-
nehmlichkeit der Darſtellung, kurz alles, was nach dem Ge-
fuͤhl jedes ſich hingebenden, nicht bloß eigne, oder angenom-
mene Meinungen und Anſichten verfolgenden Kunſtfreundes
den Werken der Kunſt allein tieferen Gehalt und wahrhaft
anſprechende Formen verleiht, einer unbeſtimmten Vorſtellung
von beziehungsloſer Formenſchoͤnheit unterordnet? Nicht auf
eine poſitive und urſpruͤngliche Vorſtellung von For-
*)
*) Die Worte: gemeine Natur, Beſchraͤnktheit der
Natur, und aͤhnliche, ſind in der aͤſthetiſchen Literatur ſo gaͤng
und gebe, daß ich durch Anfuͤhrung des Einen, den Anderen zu
betheiligen fuͤrchte.
*) gemach ſein eigenes Wollen immer deutlicher erkenne, durch dieſe
daſſelbe auszudruͤcken erfaͤhigt werde; ſcheint bis dahin nur Weni-
gen deutlich zu ſeyn. Ich habe bereits angemerkt, daß Fortſchritte
in der Meiſterſchaft in dieſem Verhaͤltniß nichts veraͤndere, wohl
den Meiſter aufwaͤrts ruͤcke, doch die Natur ſelbſt nicht herabſetze.
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