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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Grundes bewußt würde, das Gemüth beruhigt und zugäng-
lich macht. Anschaulich kann man sich von der Richtigkeit
dieser Wahrnehmung überzeugen, indem man den ersten Ein-
druck geringer und schon handwerksmäßig hervorgebrachter
Statuen des Alterthumes mit dem der gewiß sehr geistreichen
Bildnereyen des Michelangelo oder des Johann von
Bologna
vergleicht. Der Eindruck, den die ersten bewirken,
wenn sie etwa, wie in den römischen Villen, im Vorüber-
gehen betrachtet werden, kann nicht anders, als angenehm
und beruhigend seyn; bey den anderen hingegen wird man,
um in ihre Verdienste einzugehen, vorher den ersten Eindruck
zu bekämpfen haben. Auf diese Veranlassung erinnere ich viele
Zeitgenossen an den mächtigen Eindruck der ersten sichtlich auf
sich selbst beruhenden Statue moderner Zeiten, des Jason
von Thorwaldsen.
Denn es ist nicht zu berechnen, wie
viel dieser Eindruck mitgewirkt, dem Künstler, dessen künftige
Größe noch nicht mit Zuversicht zu ermessen war, den Ein-
gang in die öffentliche Meinung zu eröffnen, ihm die Beför-
derung zuzuwenden, welche nun einmal die vollständige Ent-
wickelung jeglicher Kunstanlage bedingt.

In gleichem Maße versagt dem Bildner die sichtliche
Schwerfälligkeit seines Stoffes, das Leichte und Durchschei-
nende in seiner wirklichen Ausdehnung nachzubilden. Eine
Haarlocke erscheint im Gestein, in ihrer wirklichen, oder denk-
baren Ausdehnung dargestellt, nicht durchscheinend und leicht,
wie sie selbst, sondern als ein schwerfälliger Klotz; und hier
machen die bekannten Lockenköpfe römischer Cäsarn nicht etwa
eine Ausnahme; daß ihr Lockengebäu auch in Marmor er-
träglich aussieht, beruht darauf, daß sie frisirten, nicht zwang-
los wallenden Haaren nachgebildet sind. Aus demselben

Grundes bewußt wuͤrde, das Gemuͤth beruhigt und zugaͤng-
lich macht. Anſchaulich kann man ſich von der Richtigkeit
dieſer Wahrnehmung uͤberzeugen, indem man den erſten Ein-
druck geringer und ſchon handwerksmaͤßig hervorgebrachter
Statuen des Alterthumes mit dem der gewiß ſehr geiſtreichen
Bildnereyen des Michelangelo oder des Johann von
Bologna
vergleicht. Der Eindruck, den die erſten bewirken,
wenn ſie etwa, wie in den roͤmiſchen Villen, im Voruͤber-
gehen betrachtet werden, kann nicht anders, als angenehm
und beruhigend ſeyn; bey den anderen hingegen wird man,
um in ihre Verdienſte einzugehen, vorher den erſten Eindruck
zu bekaͤmpfen haben. Auf dieſe Veranlaſſung erinnere ich viele
Zeitgenoſſen an den maͤchtigen Eindruck der erſten ſichtlich auf
ſich ſelbſt beruhenden Statue moderner Zeiten, des Jaſon
von Thorwaldſen.
Denn es iſt nicht zu berechnen, wie
viel dieſer Eindruck mitgewirkt, dem Kuͤnſtler, deſſen kuͤnftige
Groͤße noch nicht mit Zuverſicht zu ermeſſen war, den Ein-
gang in die oͤffentliche Meinung zu eroͤffnen, ihm die Befoͤr-
derung zuzuwenden, welche nun einmal die vollſtaͤndige Ent-
wickelung jeglicher Kunſtanlage bedingt.

In gleichem Maße verſagt dem Bildner die ſichtliche
Schwerfaͤlligkeit ſeines Stoffes, das Leichte und Durchſchei-
nende in ſeiner wirklichen Ausdehnung nachzubilden. Eine
Haarlocke erſcheint im Geſtein, in ihrer wirklichen, oder denk-
baren Ausdehnung dargeſtellt, nicht durchſcheinend und leicht,
wie ſie ſelbſt, ſondern als ein ſchwerfaͤlliger Klotz; und hier
machen die bekannten Lockenkoͤpfe roͤmiſcher Caͤſarn nicht etwa
eine Ausnahme; daß ihr Lockengebaͤu auch in Marmor er-
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[92/0110] Grundes bewußt wuͤrde, das Gemuͤth beruhigt und zugaͤng- lich macht. Anſchaulich kann man ſich von der Richtigkeit dieſer Wahrnehmung uͤberzeugen, indem man den erſten Ein- druck geringer und ſchon handwerksmaͤßig hervorgebrachter Statuen des Alterthumes mit dem der gewiß ſehr geiſtreichen Bildnereyen des Michelangelo oder des Johann von Bologna vergleicht. Der Eindruck, den die erſten bewirken, wenn ſie etwa, wie in den roͤmiſchen Villen, im Voruͤber- gehen betrachtet werden, kann nicht anders, als angenehm und beruhigend ſeyn; bey den anderen hingegen wird man, um in ihre Verdienſte einzugehen, vorher den erſten Eindruck zu bekaͤmpfen haben. Auf dieſe Veranlaſſung erinnere ich viele Zeitgenoſſen an den maͤchtigen Eindruck der erſten ſichtlich auf ſich ſelbſt beruhenden Statue moderner Zeiten, des Jaſon von Thorwaldſen. Denn es iſt nicht zu berechnen, wie viel dieſer Eindruck mitgewirkt, dem Kuͤnſtler, deſſen kuͤnftige Groͤße noch nicht mit Zuverſicht zu ermeſſen war, den Ein- gang in die oͤffentliche Meinung zu eroͤffnen, ihm die Befoͤr- derung zuzuwenden, welche nun einmal die vollſtaͤndige Ent- wickelung jeglicher Kunſtanlage bedingt. In gleichem Maße verſagt dem Bildner die ſichtliche Schwerfaͤlligkeit ſeines Stoffes, das Leichte und Durchſchei- nende in ſeiner wirklichen Ausdehnung nachzubilden. Eine Haarlocke erſcheint im Geſtein, in ihrer wirklichen, oder denk- baren Ausdehnung dargeſtellt, nicht durchſcheinend und leicht, wie ſie ſelbſt, ſondern als ein ſchwerfaͤlliger Klotz; und hier machen die bekannten Lockenkoͤpfe roͤmiſcher Caͤſarn nicht etwa eine Ausnahme; daß ihr Lockengebaͤu auch in Marmor er- traͤglich ausſieht, beruht darauf, daß ſie friſirten, nicht zwang- los wallenden Haaren nachgebildet ſind. Aus demſelben

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/110>, abgerufen am 28.11.2024.