Mög' alles, was verkehrt ich dieses Jahr soll thun, So leicht wie dies Gewand seyn umzuwenden nun!
Und wenn mir soll die Uhr des Lebens stille stehn, Mög' es so unvermerkt und sanft im Schlaf geschehn!
136.
Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Rast dem, der ihn hegt; Von ihm ist, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.
Bei einem Mann der That ist er villeicht zu loben; Er sei davon gespornt, getragen und gehoben!
Daß er den innern Sturm durch äußre Stürme dämpfe; Und wie ihn nagt sein Wurm, betäub' er ihn durch Kämpfe!
Allein bei Wissenschaft und Kunst ist ganz ein Fluch Der Ehrgeiz, unstatthaft, ein innrer Widerspruch.
Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh sich vertragen; Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, läßt in Muße sich ertragen.
Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun, So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun!
Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn, Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn!
136.
Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt; Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.
Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben; Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben!
Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe; Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe!
Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch.
Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen; Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><l><pbfacs="#f0357"n="347"/></l><lgn="3"><l>Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun,</l><lb/><l>So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun!</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn,</l><lb/><l>Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn!</l></lg><lb/><l/></lg></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>136.</head><lb/><lgtype="poem"><l/><lgn="1"><l>Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt;</l><lb/><l>Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben;</l><lb/><l>Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben!</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe;</l><lb/><l>Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe!</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch</l><lb/><l>Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch.</l></lg><lb/><lgn="5"><l>Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen;</l><lb/><l>Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen.</l></lg><lb/><l/></lg></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[347/0357]
Moͤg' alles, was verkehrt ich dieſes Jahr ſoll thun,
So leicht wie dies Gewand ſeyn umzuwenden nun!
Und wenn mir ſoll die Uhr des Lebens ſtille ſtehn,
Moͤg' es ſo unvermerkt und ſanft im Schlaf geſchehn!
136.
Der Ehrgeiz gibt nicht Ruh noch Raſt dem, der ihn hegt;
Von ihm iſt, wie vom Sturm die Flut, das Herz bewegt.
Bei einem Mann der That iſt er villeicht zu loben;
Er ſei davon geſpornt, getragen und gehoben!
Daß er den innern Sturm durch aͤußre Stuͤrme daͤmpfe;
Und wie ihn nagt ſein Wurm, betaͤub' er ihn durch Kaͤmpfe!
Allein bei Wiſſenſchaft und Kunſt iſt ganz ein Fluch
Der Ehrgeiz, unſtatthaft, ein innrer Widerſpruch.
Denn mit der Ruh kann nicht die Unruh ſich vertragen;
Eh'r Geiz, als Ehrgeiz, laͤßt in Muße ſich ertragen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/357>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.