Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.49. Im goldnen Alter, da ein Paradies hienieden, Und ew'ger Frühling war darin und ew'ger Frieden -- Die junge Knospe ward genagt von keinem Wurm, Und ihre volle Kron' entblätterte kein Sturm. Noch nicht gebunden war an Arbeit der Genuß, Und nicht der Freude nach schlich heimlich Ueberdruß. In Trauben war kein Rausch, noch an der Lieb' ein Dorn, Im Auge keine Thrän', und in der Brust kein Zorn. Da hatte Echo's Ohr noch keine Klag' empfangen, Und spiegeln sah der See nur Lächeln auf den Wangen. Am Himmel Sonn' und Thau, nicht Wolk' und Ungewitter, Nicht giftig war die Schlang' und Wermuth noch nicht bitter. Da mußten Vögel noch nicht wandern um zu brüten,
Und Bäume für die Frucht nicht opfern ihre Blüten. 49. Im goldnen Alter, da ein Paradies hienieden, Und ew'ger Fruͤhling war darin und ew'ger Frieden — Die junge Knoſpe ward genagt von keinem Wurm, Und ihre volle Kron' entblaͤtterte kein Sturm. Noch nicht gebunden war an Arbeit der Genuß, Und nicht der Freude nach ſchlich heimlich Ueberdruß. In Trauben war kein Rauſch, noch an der Lieb' ein Dorn, Im Auge keine Thraͤn', und in der Bruſt kein Zorn. Da hatte Echo's Ohr noch keine Klag' empfangen, Und ſpiegeln ſah der See nur Laͤcheln auf den Wangen. Am Himmel Sonn' und Thau, nicht Wolk' und Ungewitter, Nicht giftig war die Schlang' und Wermuth noch nicht bitter. Da mußten Voͤgel noch nicht wandern um zu bruͤten,
Und Baͤume fuͤr die Frucht nicht opfern ihre Bluͤten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0216" n="206"/> <div n="2"> <head>49.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Im goldnen Alter, da ein Paradies hienieden,</l><lb/> <l>Und ew'ger Fruͤhling war darin und ew'ger Frieden —</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die junge Knoſpe ward genagt von keinem Wurm,</l><lb/> <l>Und ihre volle Kron' entblaͤtterte kein Sturm.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Noch nicht gebunden war an Arbeit der Genuß,</l><lb/> <l>Und nicht der Freude nach ſchlich heimlich Ueberdruß.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>In Trauben war kein Rauſch, noch an der Lieb' ein Dorn,</l><lb/> <l>Im Auge keine Thraͤn', und in der Bruſt kein Zorn.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Da hatte Echo's Ohr noch keine Klag' empfangen,</l><lb/> <l>Und ſpiegeln ſah der See nur Laͤcheln auf den Wangen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Am Himmel Sonn' und Thau, nicht Wolk' und Ungewitter,</l><lb/> <l>Nicht giftig war die Schlang' und Wermuth noch nicht bitter.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Da mußten Voͤgel noch nicht wandern um zu bruͤten,</l><lb/> <l>Und Baͤume fuͤr die Frucht nicht opfern ihre Bluͤten.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0216]
49.
Im goldnen Alter, da ein Paradies hienieden,
Und ew'ger Fruͤhling war darin und ew'ger Frieden —
Die junge Knoſpe ward genagt von keinem Wurm,
Und ihre volle Kron' entblaͤtterte kein Sturm.
Noch nicht gebunden war an Arbeit der Genuß,
Und nicht der Freude nach ſchlich heimlich Ueberdruß.
In Trauben war kein Rauſch, noch an der Lieb' ein Dorn,
Im Auge keine Thraͤn', und in der Bruſt kein Zorn.
Da hatte Echo's Ohr noch keine Klag' empfangen,
Und ſpiegeln ſah der See nur Laͤcheln auf den Wangen.
Am Himmel Sonn' und Thau, nicht Wolk' und Ungewitter,
Nicht giftig war die Schlang' und Wermuth noch nicht bitter.
Da mußten Voͤgel noch nicht wandern um zu bruͤten,
Und Baͤume fuͤr die Frucht nicht opfern ihre Bluͤten.
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