Wenn ich schon einmal war, so hab' ichs nun vergessen; Was jetzt ich bin, werd' ich mich einst erinnern dessen?
Ob ich mich dessen auch erinnre nicht, ich bin Nicht minder der ich war, und bleib' es immerhin.
Wie, wem durch Fieberglut erlosch Erinnerung, Steht auf als neuer Mensch, und lebt von vorne jung;
So kann der Geist, vom Sinnzerstörer Tod genesen, Nicht wissend was er war, doch seyn was er gewesen.
78.
Es gibt nichts einfaches, ein kleinstes gibt es nicht; Wenn scharf und fein genug Gedank' ist und Gesicht,
Nimmst du viel kleines noch im einfach kleinsten wahr; Allein was hilft es dir, zu spalten Haar um Haar?
Dis metaphysische Geschäft laß einer Milbe; Erfreue dich des Worts, und stich nicht jede Silbe.
77.
Wenn ich ſchon einmal war, ſo hab' ichs nun vergeſſen; Was jetzt ich bin, werd' ich mich einſt erinnern deſſen?
Ob ich mich deſſen auch erinnre nicht, ich bin Nicht minder der ich war, und bleib' es immerhin.
Wie, wem durch Fieberglut erloſch Erinnerung, Steht auf als neuer Menſch, und lebt von vorne jung;
So kann der Geiſt, vom Sinnzerſtoͤrer Tod geneſen, Nicht wiſſend was er war, doch ſeyn was er geweſen.
78.
Es gibt nichts einfaches, ein kleinſtes gibt es nicht; Wenn ſcharf und fein genug Gedank' iſt und Geſicht,
Nimmſt du viel kleines noch im einfach kleinſten wahr; Allein was hilft es dir, zu ſpalten Haar um Haar?
Dis metaphyſiſche Geſchaͤft laß einer Milbe; Erfreue dich des Worts, und ſtich nicht jede Silbe.
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77.
Wenn ich ſchon einmal war, ſo hab' ichs nun vergeſſen;
Was jetzt ich bin, werd' ich mich einſt erinnern deſſen?
Ob ich mich deſſen auch erinnre nicht, ich bin
Nicht minder der ich war, und bleib' es immerhin.
Wie, wem durch Fieberglut erloſch Erinnerung,
Steht auf als neuer Menſch, und lebt von vorne jung;
So kann der Geiſt, vom Sinnzerſtoͤrer Tod geneſen,
Nicht wiſſend was er war, doch ſeyn was er geweſen.
78.
Es gibt nichts einfaches, ein kleinſtes gibt es nicht;
Wenn ſcharf und fein genug Gedank' iſt und Geſicht,
Nimmſt du viel kleines noch im einfach kleinſten wahr;
Allein was hilft es dir, zu ſpalten Haar um Haar?
Dis metaphyſiſche Geſchaͤft laß einer Milbe;
Erfreue dich des Worts, und ſtich nicht jede Silbe.
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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/169>, abgerufen am 23.02.2025.
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