Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
31.
Der Farbenbogen der Empfindungen erscheint,
Wenn hier die Sonne lacht, und dort die Wolke weint.
Wie Götter wandeln auf besonnter Wolkenbrücke,
So wandeln drunterhin wir zwischen Leid und Glücke.
Du sagst: die Sonne lacht; du sagst: die Wolke weint;
Weil die zu lachen dir und die zu weinen scheint.
Du tauchest die Natur in deines Innern Farben,
Die leben, wenn es lebt, und wenn es starb, erstarben.
Dir gebe Gott in dir das ewige Lebendige,
Im Unbestand der Welt das einzige Beständige.
Dir gebe Gott in dir das heitere Verständige,
Daß mit dem Geist der Welt sich klar dein Geist verständige.
Dein Weinen möge dir zum Lächeln, nie zum Lachen,
Nie dir dein Lachen Gott zum Quell der Thränen machen.
Des Menschen Aug' allein kann lachen und kann weinen,
Und nur die Schönheit kann die beiden schön vereinen.
2*
31.
Der Farbenbogen der Empfindungen erſcheint,
Wenn hier die Sonne lacht, und dort die Wolke weint.
Wie Goͤtter wandeln auf beſonnter Wolkenbruͤcke,
So wandeln drunterhin wir zwiſchen Leid und Gluͤcke.
Du ſagſt: die Sonne lacht; du ſagſt: die Wolke weint;
Weil die zu lachen dir und die zu weinen ſcheint.
Du taucheſt die Natur in deines Innern Farben,
Die leben, wenn es lebt, und wenn es ſtarb, erſtarben.
Dir gebe Gott in dir das ewige Lebendige,
Im Unbeſtand der Welt das einzige Beſtaͤndige.
Dir gebe Gott in dir das heitere Verſtaͤndige,
Daß mit dem Geiſt der Welt ſich klar dein Geiſt verſtaͤndige.
Dein Weinen moͤge dir zum Laͤcheln, nie zum Lachen,
Nie dir dein Lachen Gott zum Quell der Thraͤnen machen.
Des Menſchen Aug' allein kann lachen und kann weinen,
Und nur die Schoͤnheit kann die beiden ſchoͤn vereinen.
2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0037" n="27"/>
        <div n="2">
          <head>31.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Farbenbogen der Empfindungen er&#x017F;cheint,</l><lb/>
              <l>Wenn hier die Sonne lacht, und dort die Wolke weint.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wie Go&#x0364;tter wandeln auf be&#x017F;onnter Wolkenbru&#x0364;cke,</l><lb/>
              <l>So wandeln drunterhin wir zwi&#x017F;chen Leid und Glu&#x0364;cke.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Du &#x017F;ag&#x017F;t: die Sonne lacht; du &#x017F;ag&#x017F;t: die Wolke weint;</l><lb/>
              <l>Weil die zu lachen dir und die zu weinen &#x017F;cheint.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Du tauche&#x017F;t die Natur in deines Innern Farben,</l><lb/>
              <l>Die leben, wenn es lebt, und wenn es &#x017F;tarb, er&#x017F;tarben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Dir gebe Gott in dir das ewige Lebendige,</l><lb/>
              <l>Im Unbe&#x017F;tand der Welt das einzige Be&#x017F;ta&#x0364;ndige.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Dir gebe Gott in dir das heitere Ver&#x017F;ta&#x0364;ndige,</l><lb/>
              <l>Daß mit dem Gei&#x017F;t der Welt &#x017F;ich klar dein Gei&#x017F;t ver&#x017F;ta&#x0364;ndige.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Dein Weinen mo&#x0364;ge dir zum La&#x0364;cheln, nie zum Lachen,</l><lb/>
              <l>Nie dir dein Lachen Gott zum Quell der Thra&#x0364;nen machen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Des Men&#x017F;chen Aug' allein kann lachen und kann weinen,</l><lb/>
              <l>Und nur die Scho&#x0364;nheit kann die beiden &#x017F;cho&#x0364;n vereinen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">2*</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0037] 31. Der Farbenbogen der Empfindungen erſcheint, Wenn hier die Sonne lacht, und dort die Wolke weint. Wie Goͤtter wandeln auf beſonnter Wolkenbruͤcke, So wandeln drunterhin wir zwiſchen Leid und Gluͤcke. Du ſagſt: die Sonne lacht; du ſagſt: die Wolke weint; Weil die zu lachen dir und die zu weinen ſcheint. Du taucheſt die Natur in deines Innern Farben, Die leben, wenn es lebt, und wenn es ſtarb, erſtarben. Dir gebe Gott in dir das ewige Lebendige, Im Unbeſtand der Welt das einzige Beſtaͤndige. Dir gebe Gott in dir das heitere Verſtaͤndige, Daß mit dem Geiſt der Welt ſich klar dein Geiſt verſtaͤndige. Dein Weinen moͤge dir zum Laͤcheln, nie zum Lachen, Nie dir dein Lachen Gott zum Quell der Thraͤnen machen. Des Menſchen Aug' allein kann lachen und kann weinen, Und nur die Schoͤnheit kann die beiden ſchoͤn vereinen. 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/37
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/37>, abgerufen am 21.11.2024.