Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Ihr mögt mit Frömmigkeit und gläubigem Vertraun Sichtbares als ein Bild des Unsichtbaren schaun. Doch stehts dem Geiste frei, wenn er dazu hat Schwingen, Ins Allerheiligste unmittelbar zu dringen. 31. Gott ist das höchste Gut. Das sagt der Sprache Wort, Das sagt auch die Vernunft sich selber fort und fort. Gott ist das höchste Gut. Wenn Ursprung nun genommen Von Gott die Welt, wo ist ihr Böses hergekommen? Ist Böses nur ein Schein, und alles gut allein? Das innerste Gefühl im Busen sagt dir Nein. Was ist das Böse denn? Es ist der innre Streit, Die Doppelheit der Welt, die sie mit Gott entzweit. Wol ist, was ist, in Gott, sonst wär' es nicht vorhanden; Doch ists auch außer ihm, sonst wär' es nicht entstanden. Ihr moͤgt mit Froͤmmigkeit und glaͤubigem Vertraun Sichtbares als ein Bild des Unſichtbaren ſchaun. Doch ſtehts dem Geiſte frei, wenn er dazu hat Schwingen, Ins Allerheiligſte unmittelbar zu dringen. 31. Gott iſt das hoͤchſte Gut. Das ſagt der Sprache Wort, Das ſagt auch die Vernunft ſich ſelber fort und fort. Gott iſt das hoͤchſte Gut. Wenn Urſprung nun genommen Von Gott die Welt, wo iſt ihr Boͤſes hergekommen? Iſt Boͤſes nur ein Schein, und alles gut allein? Das innerſte Gefuͤhl im Buſen ſagt dir Nein. Was iſt das Boͤſe denn? Es iſt der innre Streit, Die Doppelheit der Welt, die ſie mit Gott entzweit. Wol iſt, was iſt, in Gott, ſonſt waͤr' es nicht vorhanden; Doch iſts auch außer ihm, ſonſt waͤr' es nicht entſtanden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0257" n="247"/> <lg n="8"> <l>Ihr moͤgt mit Froͤmmigkeit und glaͤubigem Vertraun</l><lb/> <l>Sichtbares als ein Bild des Unſichtbaren ſchaun.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Doch ſtehts dem Geiſte frei, wenn er dazu hat Schwingen,</l><lb/> <l>Ins Allerheiligſte unmittelbar zu dringen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>31.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gott iſt das hoͤchſte Gut. Das ſagt der Sprache Wort,</l><lb/> <l>Das ſagt auch die Vernunft ſich ſelber fort und fort.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Gott iſt das hoͤchſte Gut. Wenn Urſprung nun genommen</l><lb/> <l>Von Gott die Welt, wo iſt ihr Boͤſes hergekommen?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Iſt Boͤſes nur ein Schein, und alles gut allein?</l><lb/> <l>Das innerſte Gefuͤhl im Buſen ſagt dir Nein.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was iſt das Boͤſe denn? Es iſt der innre Streit,</l><lb/> <l>Die Doppelheit der Welt, die ſie mit Gott entzweit.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wol iſt, was iſt, in Gott, ſonſt waͤr' es nicht vorhanden;</l><lb/> <l>Doch iſts auch außer ihm, ſonſt waͤr' es nicht entſtanden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
Ihr moͤgt mit Froͤmmigkeit und glaͤubigem Vertraun
Sichtbares als ein Bild des Unſichtbaren ſchaun.
Doch ſtehts dem Geiſte frei, wenn er dazu hat Schwingen,
Ins Allerheiligſte unmittelbar zu dringen.
31.
Gott iſt das hoͤchſte Gut. Das ſagt der Sprache Wort,
Das ſagt auch die Vernunft ſich ſelber fort und fort.
Gott iſt das hoͤchſte Gut. Wenn Urſprung nun genommen
Von Gott die Welt, wo iſt ihr Boͤſes hergekommen?
Iſt Boͤſes nur ein Schein, und alles gut allein?
Das innerſte Gefuͤhl im Buſen ſagt dir Nein.
Was iſt das Boͤſe denn? Es iſt der innre Streit,
Die Doppelheit der Welt, die ſie mit Gott entzweit.
Wol iſt, was iſt, in Gott, ſonſt waͤr' es nicht vorhanden;
Doch iſts auch außer ihm, ſonſt waͤr' es nicht entſtanden.
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