Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.84. Dort in der Sonne steht, dir ungesehn, ein Geist, Von dessen Blick gelenkt, um ihn die Schöpfung kreist. Du fühlest seinen Blick, der dir das Auge füllt! Ihn siehst du nicht, den dir sein eigner Glanz verhüllt. Du sehnest dich empor in seinem Glanz zu gehn, Mit ihm vereinigt dort im Mittelpunkt zu stehn. Vom Mittelpunkte dort zu schauen frohbewußt Mit gradem Blick, was hier du schaun mit schiefem mußt. Des wohlgeordneten Planetentanzes Spiel, In dem der Sonnengeist wirkt und erkennt sein Ziel. Er stralt von Wonn' und ist von Schöpferlust bewegt, Wie er mit seinem Blick sein Weltgetrieb erregt. Doch sieh, nun blicket er aus seinem Dienerchor Vom Umkreis höher auf, wie du zu ihm empor. Und selber sieht er sich an höherm Sonnenband, Fühlt sich, dem Mittelpunkt entrückt, wie du, am Rand. 84. Dort in der Sonne ſteht, dir ungeſehn, ein Geiſt, Von deſſen Blick gelenkt, um ihn die Schoͤpfung kreiſt. Du fuͤhleſt ſeinen Blick, der dir das Auge fuͤllt! Ihn ſiehſt du nicht, den dir ſein eigner Glanz verhuͤllt. Du ſehneſt dich empor in ſeinem Glanz zu gehn, Mit ihm vereinigt dort im Mittelpunkt zu ſtehn. Vom Mittelpunkte dort zu ſchauen frohbewußt Mit gradem Blick, was hier du ſchaun mit ſchiefem mußt. Des wohlgeordneten Planetentanzes Spiel, In dem der Sonnengeiſt wirkt und erkennt ſein Ziel. Er ſtralt von Wonn' und iſt von Schoͤpferluſt bewegt, Wie er mit ſeinem Blick ſein Weltgetrieb erregt. Doch ſieh, nun blicket er aus ſeinem Dienerchor Vom Umkreis hoͤher auf, wie du zu ihm empor. Und ſelber ſieht er ſich an hoͤherm Sonnenband, Fuͤhlt ſich, dem Mittelpunkt entruͤckt, wie du, am Rand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0191" n="181"/> <div n="2"> <head>84.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dort in der Sonne ſteht, dir ungeſehn, ein Geiſt,</l><lb/> <l>Von deſſen Blick gelenkt, um ihn die Schoͤpfung kreiſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du fuͤhleſt ſeinen Blick, der dir das Auge fuͤllt!</l><lb/> <l>Ihn ſiehſt du nicht, den dir ſein eigner Glanz verhuͤllt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du ſehneſt dich empor in ſeinem Glanz zu gehn,</l><lb/> <l>Mit ihm vereinigt dort im Mittelpunkt zu ſtehn.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Vom Mittelpunkte dort zu ſchauen frohbewußt</l><lb/> <l>Mit gradem Blick, was hier du ſchaun mit ſchiefem mußt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Des wohlgeordneten Planetentanzes Spiel,</l><lb/> <l>In dem der Sonnengeiſt wirkt und erkennt ſein Ziel.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er ſtralt von Wonn' und iſt von Schoͤpferluſt bewegt,</l><lb/> <l>Wie er mit ſeinem Blick ſein Weltgetrieb erregt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Doch ſieh, nun blicket er aus ſeinem Dienerchor</l><lb/> <l>Vom Umkreis hoͤher auf, wie du zu ihm empor.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Und ſelber ſieht er ſich an hoͤherm Sonnenband,</l><lb/> <l>Fuͤhlt ſich, dem Mittelpunkt entruͤckt, wie du, am Rand.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0191]
84.
Dort in der Sonne ſteht, dir ungeſehn, ein Geiſt,
Von deſſen Blick gelenkt, um ihn die Schoͤpfung kreiſt.
Du fuͤhleſt ſeinen Blick, der dir das Auge fuͤllt!
Ihn ſiehſt du nicht, den dir ſein eigner Glanz verhuͤllt.
Du ſehneſt dich empor in ſeinem Glanz zu gehn,
Mit ihm vereinigt dort im Mittelpunkt zu ſtehn.
Vom Mittelpunkte dort zu ſchauen frohbewußt
Mit gradem Blick, was hier du ſchaun mit ſchiefem mußt.
Des wohlgeordneten Planetentanzes Spiel,
In dem der Sonnengeiſt wirkt und erkennt ſein Ziel.
Er ſtralt von Wonn' und iſt von Schoͤpferluſt bewegt,
Wie er mit ſeinem Blick ſein Weltgetrieb erregt.
Doch ſieh, nun blicket er aus ſeinem Dienerchor
Vom Umkreis hoͤher auf, wie du zu ihm empor.
Und ſelber ſieht er ſich an hoͤherm Sonnenband,
Fuͤhlt ſich, dem Mittelpunkt entruͤckt, wie du, am Rand.
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