Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.37. Das Seelchen kam so früh vom Himmel schon hinaus, Daß es vergessen hat sein elterliches Haus, Sein elterliches Haus vergessen, davon kaum Ihm die Erinnerung noch manchmal kommt im Traum. Das Kind kam in der Fremd' an eine fremde Amme, Ein Pflegevater auch ward ihm von fremdem Stamme. Sie nannt' es Mutter, weil es ihre Brüste sog, Ihn nannt' es Vater, weil er mit der Ruth' es zog. Doch ein Gefühl erwacht ihm in der Brust und spricht: Der rechte Vater ists, die rechte Mutter, nicht. Ein bessrer Vater muß es seyn, den ich verloren, Und eine schönere Mutter, die mich geboren. Und seine Sehnsucht wächst, und Ruhe hat es nicht, Bis es des Vaters sieht, der Mutter Angesicht. 37. Das Seelchen kam ſo fruͤh vom Himmel ſchon hinaus, Daß es vergeſſen hat ſein elterliches Haus, Sein elterliches Haus vergeſſen, davon kaum Ihm die Erinnerung noch manchmal kommt im Traum. Das Kind kam in der Fremd' an eine fremde Amme, Ein Pflegevater auch ward ihm von fremdem Stamme. Sie nannt' es Mutter, weil es ihre Bruͤſte ſog, Ihn nannt' es Vater, weil er mit der Ruth' es zog. Doch ein Gefuͤhl erwacht ihm in der Bruſt und ſpricht: Der rechte Vater iſts, die rechte Mutter, nicht. Ein beſſrer Vater muß es ſeyn, den ich verloren, Und eine ſchoͤnere Mutter, die mich geboren. Und ſeine Sehnſucht waͤchſt, und Ruhe hat es nicht, Bis es des Vaters ſieht, der Mutter Angeſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0151" n="141"/> <div n="2"> <head>37.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Das Seelchen kam ſo fruͤh vom Himmel ſchon hinaus,</l><lb/> <l>Daß es vergeſſen hat ſein elterliches Haus,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sein elterliches Haus vergeſſen, davon kaum</l><lb/> <l>Ihm die Erinnerung noch manchmal kommt im Traum.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das Kind kam in der Fremd' an eine fremde Amme,</l><lb/> <l>Ein Pflegevater auch ward ihm von fremdem Stamme.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sie nannt' es Mutter, weil es ihre Bruͤſte ſog,</l><lb/> <l>Ihn nannt' es Vater, weil er mit der Ruth' es zog.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch ein Gefuͤhl erwacht ihm in der Bruſt und ſpricht:</l><lb/> <l>Der rechte Vater iſts, die rechte Mutter, nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein beſſrer Vater muß es ſeyn, den ich verloren,</l><lb/> <l>Und eine ſchoͤnere Mutter, die mich geboren.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und ſeine Sehnſucht waͤchſt, und Ruhe hat es nicht,</l><lb/> <l>Bis es des Vaters ſieht, der Mutter Angeſicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [141/0151]
37.
Das Seelchen kam ſo fruͤh vom Himmel ſchon hinaus,
Daß es vergeſſen hat ſein elterliches Haus,
Sein elterliches Haus vergeſſen, davon kaum
Ihm die Erinnerung noch manchmal kommt im Traum.
Das Kind kam in der Fremd' an eine fremde Amme,
Ein Pflegevater auch ward ihm von fremdem Stamme.
Sie nannt' es Mutter, weil es ihre Bruͤſte ſog,
Ihn nannt' es Vater, weil er mit der Ruth' es zog.
Doch ein Gefuͤhl erwacht ihm in der Bruſt und ſpricht:
Der rechte Vater iſts, die rechte Mutter, nicht.
Ein beſſrer Vater muß es ſeyn, den ich verloren,
Und eine ſchoͤnere Mutter, die mich geboren.
Und ſeine Sehnſucht waͤchſt, und Ruhe hat es nicht,
Bis es des Vaters ſieht, der Mutter Angeſicht.
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