Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.So schwimme nur den Strom auch du, o Thrän', hinab, Und wo du treibst ans Land, dort ist der Liebe Grab. Dort melde mich der Lieb' und sage: Bald wird kommen Die müde Sehnsucht auch, und sei hier aufgenommen. Und wo die Sehnsucht ruht, da stellet euch im Kreise, Ihr Blumenchöre, auf, und betet ob ihr leise. 107. Du sagst, dir sei zu weit die dreißigstünd'ge Reise, Und drehest jeden Tag dich stundenlang im Kreise. Die Stunde dehnest du, alswie ein müß'ger Reiter, Vom Haus zurück zum Haus, und rückst dabei nicht weiter. Setz' einen Monat lang zusammen nur die Stunden In grader Linie zum Ziel, so ists gefunden. Mit solchem Kunststück kommt die Schnecke selbst zum Zwecke, Und ohne solches auch das Rennthier nicht vom Flecke. So ſchwimme nur den Strom auch du, o Thraͤn', hinab, Und wo du treibſt ans Land, dort iſt der Liebe Grab. Dort melde mich der Lieb' und ſage: Bald wird kommen Die muͤde Sehnſucht auch, und ſei hier aufgenommen. Und wo die Sehnſucht ruht, da ſtellet euch im Kreiſe, Ihr Blumenchoͤre, auf, und betet ob ihr leiſe. 107. Du ſagſt, dir ſei zu weit die dreißigſtuͤnd'ge Reiſe, Und dreheſt jeden Tag dich ſtundenlang im Kreiſe. Die Stunde dehneſt du, alswie ein muͤß'ger Reiter, Vom Haus zuruͤck zum Haus, und ruͤckſt dabei nicht weiter. Setz' einen Monat lang zuſammen nur die Stunden In grader Linie zum Ziel, ſo iſts gefunden. Mit ſolchem Kunſtſtuͤck kommt die Schnecke ſelbſt zum Zwecke, Und ohne ſolches auch das Rennthier nicht vom Flecke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0120" n="110"/> <lg n="8"> <l>So ſchwimme nur den Strom auch du, o Thraͤn', hinab,</l><lb/> <l>Und wo du treibſt ans Land, dort iſt der Liebe Grab.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Dort melde mich der Lieb' und ſage: Bald wird kommen</l><lb/> <l>Die muͤde Sehnſucht auch, und ſei hier aufgenommen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und wo die Sehnſucht ruht, da ſtellet euch im Kreiſe,</l><lb/> <l>Ihr Blumenchoͤre, auf, und betet ob ihr leiſe.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>107.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du ſagſt, dir ſei zu weit die dreißigſtuͤnd'ge Reiſe,</l><lb/> <l>Und dreheſt jeden Tag dich ſtundenlang im Kreiſe.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Stunde dehneſt du, alswie ein muͤß'ger Reiter,</l><lb/> <l>Vom Haus zuruͤck zum Haus, und ruͤckſt dabei nicht weiter.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Setz' einen Monat lang zuſammen nur die Stunden</l><lb/> <l>In grader Linie zum Ziel, ſo iſts gefunden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Mit ſolchem Kunſtſtuͤck kommt die Schnecke ſelbſt zum Zwecke,</l><lb/> <l>Und ohne ſolches auch das Rennthier nicht vom Flecke.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [110/0120]
So ſchwimme nur den Strom auch du, o Thraͤn', hinab,
Und wo du treibſt ans Land, dort iſt der Liebe Grab.
Dort melde mich der Lieb' und ſage: Bald wird kommen
Die muͤde Sehnſucht auch, und ſei hier aufgenommen.
Und wo die Sehnſucht ruht, da ſtellet euch im Kreiſe,
Ihr Blumenchoͤre, auf, und betet ob ihr leiſe.
107.
Du ſagſt, dir ſei zu weit die dreißigſtuͤnd'ge Reiſe,
Und dreheſt jeden Tag dich ſtundenlang im Kreiſe.
Die Stunde dehneſt du, alswie ein muͤß'ger Reiter,
Vom Haus zuruͤck zum Haus, und ruͤckſt dabei nicht weiter.
Setz' einen Monat lang zuſammen nur die Stunden
In grader Linie zum Ziel, ſo iſts gefunden.
Mit ſolchem Kunſtſtuͤck kommt die Schnecke ſelbſt zum Zwecke,
Und ohne ſolches auch das Rennthier nicht vom Flecke.
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