Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.74. Wie übel ihr vergleicht! des Einen Wirklichkeit, Des Andern Ideal, die Kluft ist freilich weit. Den Wuchs nicht wie er ist, doch sollt' und könnte seyn, Bringt ihr in Anschlag hier, Auswüchse dort allein. Die Todtenaschen dort, und hier die Lebensflammen; Da könnt ihr freilich leicht hier preisen, dort verdammen. Laßt sehn, ob nicht die Glut sich auch in Asche legt, Und ob die Asche nicht noch einen Funken hegt! 75. Ich lehre dich, mein Sohn! Nie übe das, was über Das Maß ist! Ueberall vom Uebel ist das Ueber. Ich überliefr' es dir, wie's mir ist übermacht: Nicht gut ist Ueberfluß, nicht gut ist Uebermacht. Denn hast du's überdacht, wie oft die Uebermacht Und Ueberpracht der Welt vergangen über Nacht? Rückert, Lehrgedicht IV. 3
74. Wie uͤbel ihr vergleicht! des Einen Wirklichkeit, Des Andern Ideal, die Kluft iſt freilich weit. Den Wuchs nicht wie er iſt, doch ſollt' und koͤnnte ſeyn, Bringt ihr in Anſchlag hier, Auswuͤchſe dort allein. Die Todtenaſchen dort, und hier die Lebensflammen; Da koͤnnt ihr freilich leicht hier preiſen, dort verdammen. Laßt ſehn, ob nicht die Glut ſich auch in Aſche legt, Und ob die Aſche nicht noch einen Funken hegt! 75. Ich lehre dich, mein Sohn! Nie uͤbe das, was uͤber Das Maß iſt! Ueberall vom Uebel iſt das Ueber. Ich uͤberliefr' es dir, wie's mir iſt uͤbermacht: Nicht gut iſt Ueberfluß, nicht gut iſt Uebermacht. Denn haſt du's uͤberdacht, wie oft die Uebermacht Und Ueberpracht der Welt vergangen uͤber Nacht? Ruͤckert, Lehrgedicht IV. 3
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74.
Wie uͤbel ihr vergleicht! des Einen Wirklichkeit,
Des Andern Ideal, die Kluft iſt freilich weit.
Den Wuchs nicht wie er iſt, doch ſollt' und koͤnnte ſeyn,
Bringt ihr in Anſchlag hier, Auswuͤchſe dort allein.
Die Todtenaſchen dort, und hier die Lebensflammen;
Da koͤnnt ihr freilich leicht hier preiſen, dort verdammen.
Laßt ſehn, ob nicht die Glut ſich auch in Aſche legt,
Und ob die Aſche nicht noch einen Funken hegt!
75.
Ich lehre dich, mein Sohn! Nie uͤbe das, was uͤber
Das Maß iſt! Ueberall vom Uebel iſt das Ueber.
Ich uͤberliefr' es dir, wie's mir iſt uͤbermacht:
Nicht gut iſt Ueberfluß, nicht gut iſt Uebermacht.
Denn haſt du's uͤberdacht, wie oft die Uebermacht
Und Ueberpracht der Welt vergangen uͤber Nacht?
Ruͤckert, Lehrgedicht IV. 3
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